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Politik

Chomsky über Gülen: Auch Mandela galt lange Zeit als Terrorist

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Der weltweit bekannte Intellektuelle und emeritiert Professor für Linguistik des Massachusetts Institute of Technology, Noam Chomsky, kritisiert die willkürliche Zusammensetzung von Terrorlisten einiger Länder.

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Vor wenigen Jahren noch waren er und die Bewegung, als deren Mentor er gilt, in der Türkei noch sehr gefragt. Seit etwa zwei Jahren hat sich das schlagartig geändert. Aus der Hizmet-Bewegung ist eine „Parallel-Struktur“ geworden, die den türkischen Staat angeblich unterwandere und die Regierung stürzen wolle, aus dem moderaten muslimischen Prediger Fethullah Gülen ein intriganter Staatsfeind geworden, der im zarten Alter von über 70 Jahren nach der Macht greife. Kürzlich wurde er in der Türkei auf die Liste der meistgesuchten Terroristen gesetzt. Doch der Protest dagegen wächst.

Während der Konferenz über „Medienfreiheit im Nahen Osten“ des Boston Colleges und des Peace Islands Institute sprach sich Noam Chomsky, einer der weltweit bekanntesten linken Intellektuellen, gegen die Aufnahme von Fethullah Gülen in die Liste der Terrorverdächtigen aus und erinnerte daran, dass auch der frühere Präsident von Südafrika und Friedensnobelpreisträger, Nelson Mandela, bis zum Ende der 80er Jahre auf einer Liste von Terrorverdächtigen geführt wurde.

Held von Südafrika auf der Terrorliste der USA

„Der Held von Südafrika, Nelson Mandela, war bis 1988 auf der Terrorliste der Vereinigten Staaten“, so Chomsky. Das Pentagon hatte damals den African National Congress (ANC) auf die Terrorliste gesetzt und damit automatisch auch Mandela, da er ein bekannter Politiker des ANC war. Mandela konnte nicht ohne eine besondere Erlaubnis in die USA einreisen. „Bis noch vor einigen Jahren, bis zur Streichung des Kongresses aus der Terrorliste, war Mandela noch auf dieser Liste aufgeführt“, so Chomsky.

Man könne noch mehrere Beispiele dieser Art bringen. Saddam Hussain wäre auch bis 1982 auf der Terrorliste der USA aufgelistet gewesen. Bis er im Interesse des Staates anderweitig von Bedeutung fand und er von dieser Liste gestrichen wurde. „Wir erinnern uns daran“, so Chomsky, „die USA haben Saddam Hussain 1982 aus der Terrorliste genommen und ihn gegen den Iran mit Waffen unterstützt.“

Wenn jemand willkürlich auf die Terrorliste gesetzt wird

Der Begriff „Terrorist“ sei sehr interessant. Nach Chomsky ist es nur naheliegend, dass jeder, den der Staat als Feind betrachtet, zwangsläufig auch auf der Terrorliste landet. „Wenn jemand willkürlich auf die Terrorliste gesetzt wird, nur weil es der Staat so möchte, dann ist das mit der freiheitlichen Gesellschaft nicht vereinbar und tolerierbar“, so Chomsky.

Doch warum wurde Gülen auf die Liste gesetzt? Diese Frage stellt sich genau wie die, warum der Prediger eigentlich in den USA lebt.

Gülen ein Landesverräter, weil er in den USA lebt?

16 Jahre ist es nun her, dass Gülen auf Empfehlung seiner Ärzte die Türkei das letzte Mal in Richtung USA verlassen hat. Zuvor war der Prediger bereits 1997 nach Ohio geflogen, um dort an der Cleveland-Klinik medizinisch behandelt zu werden. Die Gründe für seinen fortwährenden Aufenthalt in den USA sind seitdem Gegenstand neugieriger Fragen und Debatten.

Bereits 1997 stellen die Ärzte bei den Untersuchungen eine dreifache Herzthrombose mit einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko bei Gülen fest. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der damals 56-jährige zwei Herz-Angiographien in der Türkei durchführen lassen, wo er in den Şifa-Kliniken in Izmir und Istanbul behandelt wurde. Im darauffolgenden Jahr wurde Gülen von dem in den USA lebenden türkischen Arzt Prof. Dr. Sait Tarhan untersucht, der ihn für weitere Untersuchungen und eine mögliche Bypass-Operation an die Mayo Clinic in Minnesota/USA einlud. An jener Klinik wurden bislang unter etwa auch der ehemalige deutsche Nationaltorwart Oliver Kahn und der irische Musiker Bono behandelt.

Bülent Ecevit: „Medizinische Versorgung nicht vernachlässigen“

Auf Empfehlung seiner Ärzte und Drängen seiner Bekannten willigte Gülen längerfristigen Behandlungen in Minnesota im Jahre 1999 ein. Doch kurz vor seiner Abreise kursierten in den türkischen Medien Nachrichten über eine angebliche Untersuchung gegen Gülen, die von Nuh Mete Yüksel, Staatsanwalt am Staatssicherheitsgericht, angestoßen worden sei. Um nicht vor einem möglichen Prozess zu fliehen, kontaktierte Gülen den damaligen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit. Dieser ließ Gülen wissen, dass es solch eine Untersuchung nicht gebe und der Geistliche seine medizinische Versorgung nicht vernachlässigen solle.

So reiste er im März 1999 nach Minnesota und ließ sich an der Mayo Clinic untersuchen. Die von den dortigen Ärzten empfohlene Operation lehnte er zunächst ab, um so schnell wie möglich in seine türkische Heimat zurückkehren zu können. Als jedoch im Juni desselben Jahres die Fernsehkanäle ATV, Star TV, NTV und Show TV ein Video eines seiner Vorträge mit aus dem Zusammenhang gerissenen und zusammengebastelten Zitaten veröffentlichten, begann eine mediale Lynchkampagne gegen Gülen in den türkischen Medien. Daraufhin verschlechterte sich der ohnehin kritische Gesundheitszustand Gülens, sodass er die langwährende Behandlung unmittelbar in den USA aufnahm.

„Wegen meiner Rückkehr soll kein Chaos entstehen“

So begannen 1999 Gülens Tage fern seiner türkischen Heimat und dauern noch heute an. „Die Türkei erlebt eine Periode voller Zorn. Dieser Zorn zerstört den Frieden und das gesellschaftliche Gleichgewicht. Aber ohne ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Segmenten der Gesellschaft kann es keine nachhaltige Ordnung geben. Sie stehen sich voller Jähzorn gegenüber und lösen gegenseitige Provokation aus. Sollte durch Provokationen, die möglicherweise auf meine Rückkehr folgen, dass auch nur ein Schüler Probleme hat, seine Schule zu besuchen, so würde ich mich dafür verantwortlich machen.“ An diesen Umständen habe sich seitdem nur wenig geändert, führt Gülen als Grund für sein fortwährendes Aufenthalt in den USA aus.