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Politik

Noam Chomsky über die Türkei und die EU: „Europa ist äußerst rassistisch“

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Im Gespräch mit einer türkischen Journalistin hat der berühmte linke Intellektuelle Noam Chomsky der Euopäischen Union eine Mitschuld an den autokratischen Entwicklungen in der Türkei gegeben.

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Der US-Amerikaner Noam Chomsky, einer der bekanntesten Intellektuellen der Welt, hat gegenüber der Hürriyet-Journalistin Cansu Çamlıbel den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan und die Europäische Union für die Rückschritte der türkischen Demokratie verantwortlich gemacht.

Zur heutigen Situation der Türkei sagte Chomsky: „Ich glaube, einer der Faktoren, die für die heutige Situation der Türkei verantwortlich sind, ist die autoritäre Tendenz Erdoğans. Ja, in den ersten Jahren verhielt er sich so, dass ihn auch liberale Kreise unterstützen konnten. Seine Wandlung in den letzten Jahren zeigt jedoch, dass nun Interessen und Neigungen zutage treten, die er schon länger in sich hatte.“

Allerdings sieht Chomsky die Verantwortung nicht bei Erdoğan allein, sondern gibt auch der Europäischen Union eine Mitschuld an den Entwicklungen der letzten Jahre. Die EU habe die Türkei nie aufnehmen wollen und habe das auch deutlich gezeigt. Dies habe bei der türkischen Seite eine Abwendung von der Ausrichtung auf Europa mit sich gebracht. Entsprechend hart fällt sein Urteil über die Europäer aus: „Ich habe an die Möglichkeit der türkischen Mitgliedschaft in der Europäischen Union nie geglaubt. Europa ist äußerst rassistisch. Sie wollen nicht, dass die Türkei gleichberechtigt auf den Straßen Europas unterwegs ist.“ Und weiter: „Diese Haltung auf Seiten der Europäer hat bei der Umorientierung der Türkei eine große Rolle gespielt.“

Der Westen kann auch etwas von der Türkei lernen

Trotzdem sieht Chomsky die Lage der Türkei nicht allzu pessimistisch. Er lobt besonders die Aufnahme so vieler  syrischer Flüchtlinge und die engagierte Haltung der türkischen Intellektuellen in Sachen Demokratie: „Die Türkei ist das einzige Land, in dem die Gebildeten und Intellektuellen eine solch entschiedene Haltung gegen den Staat einnehmen. Journalisten, Akademiker, Intellektuelle haben ihre Stimme erhoben gegen Delikte seitens des Staates. Gleichzeitig haben sie mutig zivilen Ungehorsam geleistet, obwohl sie sich über die Konsequenzen bewusst waren.“ Chomsky weiter: „Eine solche Haltung findet man nicht überall. In Europa und den USA ist das nicht so verbreitet. Hier wagen eine solche Haltung kleinere Gruppen. In der Türkei hat ziviler Ungehorsam beim Mainstream eine Entsprechung gefunden. Das ist etwas, das der Westen von der Türkei lernen kann.“

Darüber hinaus behauptete Chomsky, dass die USA gegen die Demokratie in der Türkei seien. Zum einen verwies er auf die US-Außenpolitik, die in der Region Diktaturen wie den ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mubarak unterstützt habe, zum anderen auf die Reaktion amerikanischer Politiker im Jahr 2003, als das türkische Parlament in Übereinstimmung mit der Stimmung im türkischen Volk eine Öffnung türkischen Territoriums zugunsten der Amerikaner für den Golfkrieg ablehnte.

Trotzdem sieht Chomsky die Zukunft der türkischen Demokratie optimistisch: „Nach den 1990er Jahren erlebte die Türkei eine gute Entwicklung. Ich glaube, dass sie trotz allem an die Situation von vor zehn Jahren anknüpfen kann. Ich glaube nicht, dass für die Türkei alles verloren ist.“