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Gesellschaft

Nord-CDU fordert Schweinefleisch-Pflicht: „Ich hab so’nen Quatsch noch nicht gehört.“

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Wer bestimmt, was wir essen oder nicht? Geht es nach der CDU in Kiel, müssen öffentliche Kantinen Schweinefleisch in ihren Speiseplan aufnehmen. Wirklich gut kommt der Vorstoß nicht an, vielmehr wird er verspottet.

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Schweinefleisch
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Das Parlament im Bundesland Schleswig-Holstein soll nach dem Willen der CDU die Landesregierung dazu auffordern, sich für ein Schweinefleischangebot in Kita- und Schulkantinen einzusetzen. „Der Minderheitenschutz – auch aus religiösen Gründen – darf nicht dazu führen, dass eine Mehrheit aus falsch verstandener Rücksichtnahme in ihrer freien Entscheidung überstimmt wird“, heißt es in dem Antrag.

Der Ruf der Kieler CDU nach einer Schweinefleisch-Pflicht in öffentlichen Kantinen stößt allerdings auf Ablehnung. Politiker wandten sich am Dienstag mit teils spöttischen Bemerkungen gegen den Vorschlag.

Der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte, er sehe keinen staatlichen Handlungsbedarf. „Schon gar nicht teile ich die Verkürzung unserer grundgesetzlichen Werte auf die Pflicht, Kotelett oder Hack zu essen.“

„Wer Schweinefleisch für einen Wert des christlich-jüdischen Abendlandes hält, ist kulturell eine arme Sau!“

Ablehnung und Spott für den Vorstoß zieht sich quer durch die Parteienlandschaft. Der Grünen-Politiker Volker Beck erklärte bei Twitter: „Wer #Schweinefleisch für einen Wert des christlich-jüdischen Abendlandes hält, ist kulturell eine arme Sau!“ Ein weiterer Eintrag des innenpolitischen Sprechers der Bundestagsfraktion lautet: „Soll die #Schweinefleischpflicht eigentlich auch am Freitag gelten? Frage für einen befreundeten Kardinal.“

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner twitterte: „Erst #Veggieday, jetzt #Schweinefleischpflicht. Verrückte Idee: Wie wäre es, wenn einfach jeder selbst entscheidet, was er isst?“ Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel fand deutliche Worte zum Vorstoß der Nord-CDU: „Ich hab so’nen Quatsch noch nicht gehört. Man muss auch aufpassen, dass man die Themen im Umgang mit Flüchtlingen jetzt nicht auf schlechtes Comedy-Maß reduziert, das wäre mein Rat“, sagte er in Stuttgart.

Über den Antrag hatten die „Lübecker Nachrichten“ zuerst berichtet. Der CDU-Fraktionschef Daniel Günther sagte der Zeitung, man habe aus jedem Wahlkreis von mindestens einer Kita gehört, die aus Rücksicht auf muslimische Kinder auf Schweinefleisch verzichte. Der Landwirtschaftsexperte der Partei erklärte, die Ministerien für Soziales und Bildung sollten den Schulen und Kitas im Land empfehlen, Schweinefleisch auf dem Speiseplan zu belassen. Muslime sollten aber nicht gezwungen werden, Schwein zu essen, betonten beide Politiker.

Wie kommt man auf solche Ideen?

Über die Motive der Nord-CDU für ihren Antrag – ein gutes Jahr vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein – lässt sich nur spekulieren. Traditionell ist die Union auf dem Lande stark verwurzelt. Und in der Fraktion gilt die Agrarlobby als gut vertreten, Schweinehaltung ist ein wichtiges Standbein der Landwirtschaft im Norden. Aber selbst der Bauernverband Schleswig-Holstein äußerte sich differenziert zu dem CDU-Vorstoß: Man setze sich für die Selbstbestimmung bei der Ernährung ein und lehne eine Reglementierung ab. Im Übrigen empfehle die Deutsche Gesellschaft für Ernährung Fleisch als Lieferanten für Mineralstoffe und Vitamine auch für die Schul- und Kita-Verpflegung.

Auch die Naturschutzorganisation WWF wandte sich in Berlin gegen den CDU-Vorschlag. „Derzeit gibt es wenig Anhaltspunkte dafür, dass Schweinschnitzel und Kotelett auf den Speiseplänen deutscher Kantinen unter Artenschutz gestellt werden müssen.“ Vielmehr sollte sich die CDU angesichts der enormen ökologischen Probleme der konventionellen Fleischproduktion für einen bewussteren Fleischkonsum einsetzen.

Im Januar nahm die dänische Stadt Randers den Vorschlag der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei und der Liberalen Partei an, der in die gleiche Richtung zielt wie der CDU-Antrag. Demnach soll dänisches Essen zentrales Angebot in Schulen und Kitas sein. (kna/ dpa/ dtj)