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Politik

Nord-Syrien als strategisches Entwicklungsgebiet der PKK?

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Der kürzlich von Abdullah Öcalan geforderte Rückzug der terroristischen PKK aus der Türkei ist in der Tat ein historischer Wendepunkt hinsichtlich der Kurdenproblematik im Land. (Foto: cihan)

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Nord-Syrien als strategisches Entwicklungsgebiet der PKK?
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Seit Öcalans deklarativem Aufruf lässt sich nun mit der erforderlichen Sicherheit behaupten, dass die erste Phase der Friedensverhandlungen mit der PKK erfolgreich absolviert werden konnte. Jedoch wird dieser Prozess noch weitere und dabei zum Teil schwierige Phasen erleben, so etwa im Zusammenhang mit den Gesprächen über die vollständige Abrüstung.

Als Hintergrund dieser Verhandlungen gewinnt der syrische Aspekt immer mehr an entscheidender Bedeutung mit Blick auf den Friedensprozess zwischen der Türkei und der PKK. Wie man weiß, ist die Demokratische Unions-Partei (PYD) eine gut organisierte und einflussreiche kurdische Gruppe im Norden Syriens. Es gibt noch andere kurdische Gruppen und es wäre falsch zu behaupten, dass die PYD die Macht über sie alle hätte. Allerdings ist die PYD im Gegensatz zu vielen anderen Gruppen gut organisiert und in vielen Städten vertreten. Die Quelle des großen Einflusses der PYD ist vor allem ihre flächendeckende Präsenz in den kurdischen Städten. Die PYD ist keine Partei, die nur in einer Region oder ein Stadt präsent wäre, sondern man kann sie in faktisch allen bedeutenden Städten mit hohem kurdischem Bevölkerungsabteil finden.

Ankaras schnelle Reaktion auf die PYD wurde scharf kritisiert. Zu einem großen Teil wurde die PYD als syrische Sektion der PKK gesehen. Ankara betonte mehrmals, dass man nicht zulassen werde, dass die PYD in der Region in einer Art und Weise vorherrscht, die den türkischen Interessen schadet. Jedoch ziehen die andauernden Verhandlungen mit der PKK auch das Potenzial nach sich, Ankaras Position gegenüber der PYD zu ändern. Die fortlaufenden Dialoge zwischen Ankara und der PKK legen die Aufnahme eines ähnlichen Dialoges mit Syriens kurdischen Gruppen nahe, insbesondere jenen, die mit der PYD verbunden sind. Die höchste Priorität Ankaras liegt darin, Kontrolle über die Situation der Kurden in Syrien zu erlangen, insbesondere für den Fall, dass die nördlichen Teile zu einem politischen Hebel in den Händen der PKK-Führung werden. Eine erfolgreiche Abrüstung der PKK könnte jedoch auch die Tore Nord-Syriens nach Ankara öffnen.

Derzeitige PYD-Hochburgen könnten neues Spielfeld der PKK werden

Historisch gesprochen war der Nord-Irak stets wichtiger in Bezug auf die Kurdenproblematik und die „militärischen“ Stützpunkte: Viele Kämpfer der PKK halten sich im Nordirak auf und zudem befindet sich das wichtigste „militärische“ Hauptquartier der PKK, nämlich Kandil, im Irak. Indes wird der Norden Syriens wohl einen großen sozialen Einfluss entwickeln, im Gegensatz zu den militärischen Hauptquartieren des Nord-Iraks. Kurdische Städte unter dem Einfluss der PYD können leicht alternativen Spielraum für kurdische Kämpfer aus der Türkei eröffnen.

Ein Dialog mit Ankara ist indessen auch ein Muss für die syrischen Kurden. Im Gegensatz zu irakischen Kurden sind die syrischen wirtschaftlich benachteiligt. Sie haben fürs Erste nicht viel Öl zu exportieren.

Und es steht nicht fest, dass die Regierung, die nach Bashar al-Assad kommen wird, ihnen finanzielle Unterstützung bieten würde. Auch eine Unterstützung von irakischer Seite wird vorerst für die Syrer im Norden ein Traum bleiben. Viele PYD-dominierte Städte sind nicht besonders groß und es mangelt ihnen an industrieller Substanz. Daher ist eine nachhaltige ökonomische Entwicklung ein ernstes Thema und eine ernste Sorge für die syrischen Kurden. Unter diesen Umständen wird die Türkei zum wichtigsten wirtschaftlichen Partner der Völker in dieser Region.

Die Beziehung zwischen der syrischen PYD und dem Ministerpräsidenten der KRG (Kurdische Regionale Regierung) Massoud Barzani ist indessen noch undurchschaubar. Die modernen Charakteristika der syrischen PYD könnten von einem feudalen Traditionalisten wie Barzani als Bedrohung angesehen werden. Es ist durchaus denkbar, dass unterschiedliche und miteinander im Wettstreit liegende kurdische Regionen im Nahen Osten entstehen. Sie sind weder alle gleich, noch sind ihre sozialen und politischen Strukturen identisch.

Sinnvoll wäre, syrische Kurden mit einzubeziehen

Ankara sollte begreifen, dass nach der Erklärung und dem Aufruf Öcalans zu einem Rückzug der PKK-Kräfte aus der Türkei die Rolle Nord-Syriens bedeutungsvoller werden wird. Öcalan erklärte, dass die Zeit der militärischen Anstrengungen vorüber wäre. Wenn die PKK dies tatsächlich umsetzt, verliert der Nord-Irak unter Umständen seine traditionelle Signifikanz für die Gruppierung. Und auf dem Terrain des politischen Wettstreits macht es für die PKK nur Sinn, sich auf Nord-Syrien zu konzentrieren. Die PKK wird möglicherweise auch versuchen, den Nord-Irak als externen Hebel gegen Ankara durch Nord-Syrien zu ersetzen.

Trotzdem sollte Ankaras Reaktion eine ausbalancierte Strategie sein, keine grobe. Im Fokus der andauernden Verhandlungen steht tatsächlich die Abrüstung der PKK. Eine weisere Herangehensweise wäre es allerdings, würde man die syrischen Kurden mit einbeziehen.

Autoreninfo: Gökhan Bacık ist Nahost-Experte und Kolumnist bei „Today’s Zaman”.