Bildung & Forschung
NRW: Wer ist am Desinteresse am islamischen Religionsunterricht schuld?
Der islamische Religionsunterricht in NRW wird Jahr für Jahr mehr besucht. Für die CDU sind die Zahlen allerdings noch zu niedrig. Zu langsam tue sich beim Thema etwas. Die Landesregierung kann diese Kritik überhaupt nicht nachvollziehen.
„Islam. Das Wort stammt aus dem Arabischem und bedeutet Frieden!“ So fängt ein Kurs zum islamischen Religionsunterricht (iRU) in Nordrhein-Westfalen meist an.
Seit dem Schuljahr 2012/13 wird an den Schulen in NRW islamischer Religionsunterricht gelehrt. Die Landesregierung und der Koordinationsrat der Muslime (KRM), in dem die großen islamischen Organisationen vertreten sind, hatten dabei ein rechtliches Problem mit einer Übergangslösung umgangen. Denn auch heute noch erfüllt in NRW keine islamische Organisation die rechtlichen Merkmale einer Religionsgemeinschaft. So wurde ein achtköpfiger Beirat gebildet. Dieser soll „die Anliegen und die Interessen der islamischen Organisationen bei der Einführung und der Durchführung des islamischen Religionsunterrichts (…)“ vertreten, heißt es im Gesetz.
Über 13.000 Teilnehmer am iRU
Im Schuljahr 2014/15 gibt es im bevölkerungsreichsten Bundesland nach Ministeriumsangaben etwa 347.000 muslimische Schülerinnen und Schüler. Diese sind damit auch potentielle Teilnehmer des islamischen Religionsunterrichts. Erteilt wurde der Unterricht an den Grundschulen, an denen es bereits das Fach Islamkunde gibt, oder an denen sich eine Lehrkraft für Islamkunde bereit erklärt hatte, den Unterricht durchzuführen. Im Schulministerium sagte man damals dazu: „Das heißt, wir werden nicht sofort hunderte oder gar tausende Lehrer benötigen. Wir können zunächst auf rund 80 Islamkundelehrkräfte zurückgreifen und auf etwa 40 weitere Lehrerinnen und Lehrer, die im Sommer 2011 einen Zertifikatskurs in Islamkunde abgeschlossen haben.“
Zu diesem Zeitpunkt besuchten noch ca. 1.800 Schülerinnen und Schüler den islamischen Religionsunterricht. Im nächsten Jahr stieg diese Zahl auf 4.500. Der Grund hierfür war, dass der Unterricht nicht mehr nur an Grundschulen, sondern auch in der Sekundarstufe I erteilt wurde. Während im Schuljahr 2014/2015 die Teilnehmer auf 6.500 stiegen, hat sich die Zahl in diesem Schuljahr mehr als verdoppelt. Laut den Angaben des Schulministeriums besuchen im aktuellen Schuljahr etwa 7.000 Grundschüler und ca. 6.700 Schülerinnen und Schüler aus der Sekundarstufe I den iRU. Sie werden von insgesamt 123 Lehrern unterrichtet. Aktuell belegen 210 Studierende das Lehramtsfach „islamischer Religionsunterricht“ an der Universität Münster. 356 weitere das Fach „islamische Theologie“, die ersten Absolventen soll es Mitte 2017 geben.
Für die CDU-Abgeordnete Serap Güler sind diese Zahlen nicht befriedigend. Nach über drei Jahren seien die Resultate ernüchternd. Es würde sich damit die „nächste Baustelle“ der Landesregierung im Schulbereich zeigen. „Da wir nur so wenige muslimische Schülerinnen und Schüler erreichen, muss irgendetwas schief laufen“, sagt die CDU-Politikerin. Viele Eltern würden das Antragsverfahren gar nicht oder nur unzureichend kennen.
Antragsverfahren leicht zu stellen
Dabei wäre ein Antragsverfahren tatsächlich einfach zu stellen. Auf der Internetpräsenz des Beirats finden Eltern einen fertigen Antrag, der nur noch von 12 Eltern unterschrieben werden muss. Ali Baş, Abgeordneter der Grünen-Fraktion in NRW, kann die Kritik aus den Reihen der CDU überhaupt nicht nachvollziehen. Schließlich habe die CDU den iRU 2011 gemeinsam mit SPD und Grünen im Landtag beschlossen. Damals schon sei klar gewesen, dass sich das neue Fach personell und inhaltlich im Aufbau befinde. Schwarz-Gelb habe es zuvor versäumt, den iRU zu ihrer Regierungszeit einzuführen: „Sonst wären wir heute bereits weiter“, glaubt Baş. Der Islam-Experte der Grünen meint wider der Konkurrentin aus den Reihen der Christdemokraten, Muslime hätten deutliches Interesse an einem islamischen Religionsunterricht: „Mit den erwarteten neuen Lehrkräften wird es hoffentlich bald leichter möglich sein, auf die Nachfrage nach iRU zu reagieren.“
Auch für das Schulministerium ist die Kritik seitens der CDU-Fraktion nicht verständlich. Der islamische Religionsunterricht sei ein Erfolgsmodell. Er wachse seit seiner Einführung im Schuljahr 2012/13 „schrittweise“. Der Ausbau folge dem Elternwillen: „Zum neuen Schuljahr haben sich die Zahlen verdoppelt. Das ist eine positive Entwicklung und ein Erfolg“, heißt es aus dem Schulministerium.
Mangelnde Öffentlichkeitsarbeit?
Auch der Vorwurf mangelnder Öffentlichkeitsarbeit prallt am Ministerium ab. Die zuständige Ministerin Sylvia Löhrmann weise bei jeder Gelegenheit auf das Angebot des islamischen Religionsunterrichts hin, „zuletzt auf der Schuljahresauftaktpressekonferenz“. Aus dem Ministerium heißt es weiter: „Darüber hinaus informiert das Schulministerium ausführlich auf seinen Internetseiten über den islamischen Religionsunterricht. Zusätzlich führt die Schulaufsicht Dienstbesprechungen mit den Schulleitungen durch, in denen das Antragsverfahren erläutert wird, sodass auch Eltern umfassend informiert werden können.“
Abdulkemal Kuvvet aus Hilden, dessen zwei Söhne ein Gymnasium besuchen, weiß von einem Antragsverfahren zum islamischen Religionsunterricht nichts. Selbstverständlich wünsche er sich islamischen Religionsunterricht an der Schule. „Da es diesen Unterricht momentan bei uns auf der Schule nicht gibt, besuchen meine Kinder den evangelischen Religionsunterricht“, sagt Kuvvet. Aber auch das habe Vorteile. Die Kinder würden über die Religionen in Deutschland informiert und könnten Vergleiche ziehen: „Wenn unsere Kinder erzählen, was sie über den christlichen Glauben gelernt haben, sehen auch wir Eltern viele Parallelen zum Islam. Darüber reden und reflektieren wir mit unseren Kindern. Das ist schön. Unsere Kinder werden auch im Unterricht von den Mitschülern gefragt, wie eine ganz bestimmte Situation aus dem Blickwinkel des Islam betrachtet wird.“
Münster einzige iRU-Lehrerfabrik in NRW
Auf die Frage, ob auch andere Universitäten einen Lehrstuhl für islamische Theologie gründen würden, wies das Ministerium auf die Eigenständigkeit der Hochschulen hin. Weitere Studienplatzkapazitäten seien aktuell auch deshalb nicht in Planung, da Münster im Alleingang den Bedarf decken würde.
Islamische Theologie kann man in NRW nur am nördlichsten Punkt, an der Universität Münster studieren. Dabei gilt der Lehrstuhl um Prof.Dr. Mouhanad Khorchide und um weitere Personen aus überwiegend türkischen Verbänden, beispielsweise Dr. Bekir Alboğa von DİTİB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) nicht als unumstritten. Besonders die Beziehung zwischen dem Lehrstuhlinhaber und den muslimischen Verbänden galt eine Zeit als deutlich angespannt.