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Politik

Buchvorstellung: Geheimsache NSU

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Aufklärung bei der NSU-Mordserie – Fehlanzeige. Deutsche Geheimdienste sind spätestens seit ihren Beiträgen im Irak-Krieg außer Kontrolle. Die Versäumnisse der Politik und der Behörden bei der Aufklärung der NSU-Morde werden neu beleuchtet.

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Ja, er war voll der Robert-Havemann-Saal im Haus der Demokratie und Menschenrechte. Martina Renner MdB (Linke), Rechtsanwalt Sebastian Scharmer, Prof. Hajo Funke, Politikwissenschaftler und Herausgeber Andreas Förster stellten ihr Buch „Geheimsache NSU – von Aufklärung keine Spur“ (Verlag Klöpfer&Meyer, Tübingen) vor. Zu viele Fragen sind im Zuge der Untersuchungen der sog. NSU-Morde unbeantwortet geblieben. Das rätselhafte Ende des „Terrortrios“ durch den Tod von Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt in Eisenach im November 2011, der unaufgeklärte Polizistenmord an Michèle Kiesewetter und die Mordanschläge von Kassel und Köln sind u.a. die Themen des Buches.

Das Buch entstand aus einer inneren Unruhe, einer Unzufriedenheit mit dem Stand der Aufklärung der Morde, die auf der Hälfte der Wegstrecke stehenzubleiben droht, so Andreas Förster. Die Öffentlichkeit soll darauf festgelegt werden, dass mit dem Ende des angeblichen Terrortrios auch der rechtsextremistische Terror in Deutschland zu den Akten gelegt werden kann. Vielmehr sei es so, dass der Täterkreis – durch den Verfassungsschutz befördert – wesentlich erweitert werden müsse. Warum der Verfassungsschutz diese Rolle einnahm sei unklar. Hier sollten öffentliche Aufklärung, mediale Aufarbeitung und antifaschistische Recherche zusammenarbeiten und entstehende Synergien genutzt werden.

Bundesuntersuchungsausschuss gefordert

Erschwert werde die Aufklärung durch die Untersuchungsausschüsse selbst. Wenn die Behörden, die befragt und untersucht werden sollen, die Regeln für die Untersuchung aufstellen dürfen und festlegen, welche Akten verwendet werden dürfen und welche nicht, dann wird der Bock zum Gärtner gemacht. Spätestens hier müsse sich der Blick auf die Behörden selbst richten. Nur ein Bundesuntersuchungsausschuss könne einen Durchbruch bei den Untersuchungen bringen, weil dem Gremium volle Akteneinsicht und auch andere Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung stünden.

Wie weit sich der Täterkreis erstreckt haben muss, zeigt der Umstand, dass um die sog. Terrorzelle herum mindestens 42 V-Leute platziert worden sind. Gegen weitere Unterstützer werde bereits ermittelt, es sind allerdings keine Verfahren eröffnet worden. In vielen Fällen drohe 2015 die Verjährung. Dabei erhielten die Vertreter der Nebenklage oftmals keine Akteneinsicht, weil Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt gegen Unbekannt ermittelten und diese Akten gesondert abgelegt werden.

Die Wende zu Beginn der 90er-Jahre

In der Tat habe es der Rechtsstaat mit zwei nachweisbaren Verschwörungen zu tun, so Herausgeber Andreas Förster. Zum einen die Verschwörung zum Mord wie in einer Gewaltbruderschaft und zum anderen die der Behörden, die die Vorgänge aufzuklären hätten, dafür aber wie in Thüringen wenige Tage nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 04. November 2011 den Fall betreffende Akten schredderten. Eher hätten Akten beschlagnahmt und versiegelt werden müssen.

Der wunde Punkt in der Geschichte mit den V-Leuten lag nach Prof. Hajo Funke zu Beginn der 1990er Jahre, als V-Leute des Verfassungsschutzes an die Spitze gewaltbereiter Neonazikreise gelangten und den Eindruck hatten, dass ihnen selbst nichts geschehen könne. Die Sache lief aus dem Ruder und war ein Fass ohne Boden geworden. Nach Aussagen ehemaliger V-Leute sei klar geworden, dass der Inlandsgeheimdienst vom Untertauchen des Trios nach 2003 wusste. Prof. Funke beschrieb diesen Zustand als „systematischen Ausnahmezustand jenseits des Rechts“ und als „unkontrollierte Staatlichkeit innerhalb des Rechtsstaates“.

Internationales Forum und Schutz

Neben der Aufklärung der Taten sei es für die Zukunft wichtig, den Opfern der Gewalttaten ein internationales Forum zu geben, um einen Blick von außen auf die Taten zu ermöglichen. Des Weiteren wurde in der Runde vorgeschlagen, für eine gewisse Zeit einen Schutz für Whistleblower einzurichten, der es Mitarbeitern und Beamten in Behörden ermögliche, Aussagen zu machen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen.