Panorama
Türken aus Deutschland vertreiben? „Finde ich ein bisschen drastisch, aber ja!“
Nach drei Wochen Weihnachtspause erscheint Beate Zschäpe gut gelaunt. Grinsend betrat sie am Dienstag den Gerichtssaal und machte Späße mit einer Justizbeamtin. Bald könnte ihr das Lachen vergehen. (Foto: dpa)
Nach drei Wochen Weihnachtspause ist der NSU-Prozess im neuen Jahr fortgesetzt worden. Prompt provoziert die Angeklagte Beate Zschäpe NSU-Opfer und Beobachter des Verfahrens. Grinsend betrat sie am Dienstag den Gerichtssaal in München.
Am ersten Prozesstag 2014 gelang Richter Manfred Götzl ein erster Durchbruch im Kampf gegen das Schweigen. Er versuchte herauszufinden, wie die untergetauchte Zschäpe an eine Krankenversicherungskarte kommen konnte und brachte einen Helfer des NSU-Trios zum Reden.
Götzls Geduld bringt Zeugen zum Reden
Der Zeuge, der zum damaligen Zeitpunkt in einer rechten Kameradschaft in Westdeutschland aktiv gewesen sein soll, sagte vor Gericht aus, die Versicherungskarte an Zschäpe weitergegeben zu haben. Götzl muss dem Zeugen in der Befragung jedes Wort aus der Nase ziehen. Wenn auch mühsam, der Zeuge redet. Dies ist im NSU-Prozess nicht selbstverständlich.
Alexander S. verlangt Götzl ein Höchstmaß an Geduld ab, bricht aber nach und nach sein Schweigen. Sein Selbstbewusstsein schrumpft mit jeder Minute. Und Götzl weiß dies für sich zu nutzen. Der Zeuge, so wird im Laufe der Zeugenbefragung klar, ist kein reiner Mitläufer. Er formuliert seine Worte intelligent und weiß genau, was er sagen darf und was nicht.
Widersprüchliche Aussagen
An den Abend der Kartenübergabe habe er keinerlei Erinnerungen mehr, sagte er. Da seine Frau bereits vor Gericht ausgesagt hatte, wähnt er sich in Sicherheit, verstrickt sich aber sodann in Widersprüchen. Seiner Aussage widerspricht die Tatsache, dass sich Alexander S. kurz nach der Festnahme des Mitangeklagten Ralf Wohlleben bei seinen Anwälten erkundigt hatte, ob er zur Übergabe der Versicherungskarte vor Gericht aussagen müsse.
Dies bleibt nicht die einzige Ungereimtheit seiner Aussage. Alexander S. spricht von dem Moment der Übergabe als „feuchtfröhlichen Abend“, seine Frau erwähnte in ihrer Aussage jedoch nichts von einer besonderen Trunkenheit.
Richter Götzl setzt daraufhin den Zeugen unter Druck. Mit Erfolg wie sich später zeigen sollte. Denn auch die Aussagen des Ehepaares hinsichtlich des Zeitpunkts, wann die Versicherungskarte als verloren gemeldet wurde, unterscheiden sich. Die Karte ist insofern wichtig, da es dem Gericht auch darum geht, zu verstehen, wie das NSU-Trio solange unentdeckt bleiben konnte.
Die Frage nach den Helfern muss also gestellt werden. Alexander S. bestreitet, dass er Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos persönlich gekannt habe. Er gibt lediglich zu, mit dem Mitangeklagten Ralf Wohlleben in Kontakt getreten zu sein.
Ausstieg aus der Szene als Vorwand?
Am ersten Prozesstag des neuen Jahres war es Alexander S. wichtig seinen Ausstieg aus der rechten Szene, die er angeblich nicht mehr mit seinem Weltbild vereinbaren könne, zu betonen. Dagegen sprechen Kenntnisse der Nebenkläger, die beweisen, dass Alexander S. noch Jahre nach seinem angeblichen Austritt auf Neonazi-Festen gesehen wurde.
Außerdem sei er bereits mehrfach wegen Falschaussage verurteilt worden. Frühere Ermittlungen gegen den Zeugen wegen des Vorwurfs der Bildung von bewaffneten Gruppierungen und Landfriedensbruch, blieben zwar ohne Ergebnis, beweisen aber seine extremistische Gesinnung.
Zum Ende der Befragung beteuert der Zeuge, auf Nachfrage der Nebenklage, „ein überzeugter Rassist“ gewesen zu sein. Die Frage „Wollen Sie türkische Leute aus Deutschland vertreiben?“ reißt Alexander S. endgültig die Maske vom Gesicht. Seine Antwort: „Vertreiben finde ich jetzt ein bisschen drastisch, aber ja!“