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Politik

Nun sag‘, wie hast du’s mit der PKK?

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Jahrelang waren die Deutschlandtürken und die EU-Mitgliedschaft der Türkei die bestimmenden Konfliktpunkte der deutsch-türkischen Beziehung. Nun kommt ein dritter hinzu: Der Umgang mit der PKK. (Foto: dpa)

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Nun sag', wie hast du's mit der PKK?
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Es war ihr erster Türkeibesuch als Justizministerin und er wurde als äußerst wichtig betrachtet, weil die Beschneidungsdebatte in Deutschland großes Unverständnis ausgelöst hatte. Außerdem mussten die „Vermisst“-Kampagne des Bundesinnenministers, welche die in Deutschland lebenden Muslime pauschal als leicht radikalisierbar darstellt, der NSU-Untersuchungsbericht über die Ermordung von 8 türkischen Bürgern und die Debatte über der Islam-Unterricht an deutschen Schulen zur Sprache kommen.

Aus deutscher Sicht erschienen der Justizministerin die Untersuchungs-Haftzeiten, die Sorge um einen KCK-Anwalt, der sich seit 33 Monaten in U-Haft befindet und auf seinen Prozess wartet sowie die neue türkische Verfassung als vordringliche Gesprächsthemen. Der wichtigste Punkt auf der Tagesordnung aus türkischer Sicht war die Frage, welche Anstrengungen Deutschland derzeit und künftig unternehmen würde, um gegen die PKK vorzugehen.

Bei allen Gesprächen standen die Aktivitäten der PKK in Deutschland im Vordergrund. Die Äußerungen des Präsidenten der türkischen Nationalversammlung (TBMM), Cemil Çiçek, machten deutlich, dass die Türkei in Sachen PKK die Diplomatie in der Sprache aufgeben wird. Präsident Çiçek sagte: „Man sollte anstelle diplomatischer Formulierungen das wichtigste Thema offen ansprechen, nämlich die PKK. Leider bekommt die PKK ihre wichtigste Unterstützung in Europa von Ländern, die eigentlich Freunde der Türkei sind, u.a. leider auch von Deutschland. Terrorismus ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Türkei bekämpft daher jede Form von Terrorismus. Leider ist die Türkei als einziges Land der Welt dabei auf sich alleine gestellt. Deshalb ist die PKK in Deutschland in der Lage, die herrschende Demokratie zu missbrauchen und Elemente und Finanzquellen zu erschließen, die für sie tätig werden. Die Unterstützung, die seitens der PKK in Europa gewonnen werden kann, hat zur Folge, dass hier bei uns Menschen sterben. Wir erwarten, dass Deutschland in dieser Situation bereit sein wird, die erforderlichen Schritte zu unternehmen.“ Diese Äußerungen von Çiçek bewirkten allerdings eine überwiegend kühle Reaktion seitens der deutschen Delegationsmitglieder.

Europa darf Terroristen kein ruhiges Hinterland bieten

Der türkische Justizminister Sadullah Ergin brachte gegenüber seiner deutschen Amtskollegin seine Erwartungen zum Ausdruck, dass im Zuge der Bekämpfung des Terrorismus künftig auch Ausweisungen von Terrorverdächtigen vorgenommen werden können. Während der gemeinsamen Reise durch die Städte Ankara, Istanbul, Gaziantep und Kilis ergaben sich viele Gelegenheiten, um auch mit Bürgern dieser Städte offen zu reden. Auch diese gaben überraschend oft an, den Eindruck zu haben, die PKK bekomme ihre größte Unterstützung in Europa aus Deutschland.

Zwar weist Deutschland darauf hin, dass die PKK in Deutschland als terroristische Vereinigung eingestuft sei, die Menschen empfinden die getroffenen Maßnahmen aber nicht als ausreichend. Die deutsche Seite erklärt, weiterhin mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen diese Terrororganisation vorgehen zu wollen und verlangte entsprechende Hinweise von der Türkei, die für eine weiter effiziente Bekämpfung erforderlich wären.

Zwischen beiden Justizministerien gäbe es auf der unteren Ebene bisher eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit im gemeinsamen Kampf gegen die PKK, und man wolle sich von beiden Seiten bemühen, diese noch weiter auszubauen. Die deutsche Delegation betonte, dass wirtschaftliche und mit politische Stabilität und ein daraus resultierender gesellschaftlicher Wandel eine starke Türkei geschaffen habe. Deutschland habe auch die positive Entwicklung in der Kurdenfrage mit Interesse verfolgt.

Die wechselseitigen Eindrücke der Delegationen lassen sich im Groben so zusammenfassen: Die neue Verfassungs- und Justizreform schreite voran und die Türkei könne diesbezüglich Erfahrungen von Deutschland übernehmen. Allerdings werde diese Chance leider wegen des PKK-Problems verpasst. Außerdem rede man des Öfteren im Zuge der Gespräche über Meinungs- und Pressefreiheit, individuelle Rechte sowie die Verkürzung der U-Haft aneinander vorbei, obwohl die türkische Seite ihr Wohlwollen zum Ausdruck brächte.

Deutschland scheint sich allerdings über den Stimmungswandel in der Türkei bewusst geworden zu sein. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass Deutschland weitere Schritte zur Bekämpfung der PKK unternehmen wird. Es wurde verstanden, dass für die Türkei der oberste Gesichtspunkt die Bekämpfung der PKK ist und bleibt. Dieser Umstand wird die Beziehung Deutschlands zur Türkei sicherlich weiterhin bestimmen.

Ismail Çevik