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Politik

Obama macht Snowden zur Chefsache

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Das Asylgesuch von Ex-Geheimdienstler Snowden in Russland bringt US-Präsident Obama und Kremlchef Putin direkt am Telefon zusammen. Beide hoffen auf Schadensbegrenzung. Doch Snowden hat wohl noch einiges auf Lager. (Foto: dpa)

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Der US-Enthüller Edward Snowden verfügt nach Kenntnis des „Guardian”-Journalisten Glenn Greenwald über weit mehr brisantes Material, als er bisher preisgegeben hat. „Snowden besitzt genügend Informationen, um der US-Regierung innerhalb einer Minute mehr Schaden zuzufügen, als es jede andere Person in der Geschichte der USA jemals getan hat”, sagte Greenwald der argentinischen Zeitung „La Nación” (Samstag/Ortszeit).

Der IT-Experte hat bislang schon umfangreiche Ausspäh- und Überwachungsprogramme des US-Nachrichtendienstes NSA publik gemacht. Der 30-Jährige wird deshalb in seiner Heimat wegen Geheimnisverrats gesucht. Die US-Regierung hat seinen Reisepass für ungültig erklärt. Er sitzt deshalb seit dem 23. Juni im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo fest. Snowden hat zwar um Asyl in Russland gebeten, will aber später weiterreisen.

In einem Versuch, weiteren Schaden abzuwenden, rief US-Präsident Barack Obama in der Nacht zum Samstag (Moskauer Zeit) Kremlchef Wladimir Putin an. Offiziell hieß es, beide Präsidenten hätten den Fall Snowden erörtert. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte, dass Obama selbst die Initiative ergriffen habe. Details des Gesprächs nannte er nicht.

Kremlchef Putin hatte zuvor erklärt, dass Snowden nicht ausgeliefert werde und nur dann in Russland bleiben könne, wenn er aufhöre, den USA Schaden zuzufügen. Beobachter werteten das als Zugeständnis Russlands an die USA, um die ohnehin gespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern nicht noch weiter zu belasten.

Stößt Snowden etwas zu, werden die Dokumente veröffentlicht

Der US-Regierung zu schaden, sei nicht Snowdens Anliegen, sagte der in Rio de Janeiro lebende „Guardian”-Reporter Greenwald. „Sein Ziel ist es, die Informationsprogramme aufzudecken, die von Menschen auf der ganzen Welt genutzt werden, ohne zu wissen, dass sie sich damit entblößen und ohne dass sie bewusst zugestimmt haben, ihr Recht auf Privatsphäre aufzugeben.”

Snowden besitzt demnach eine gewaltige Menge an Dokumenten. Tausende davon habe er auf verschiedene Orte verteilt und so „sichergestellt, dass mehrere Personen weltweit sein Archiv komplett haben”, sagte Greenwald. Das sei eine Lebensversicherung für den „Whistleblower”. Sollte ihm etwas zustoßen, würden diese Dokumente veröffentlicht. Für die Vereinigten Staaten wäre dies nach Einschätzung von Greenwald „ihr schlimmster Albtraum”.

Bei einem Treffen mit Menschenrechtlern und russischen Juristen hatte Snowden auf dem Flughafen am Freitag zunächst formlos Asyl beantragt. Er begründete das mit seiner ausweglosen Situation. Deshalb sei er auch bereit, auf Putins Bedingungen einzugehen. „Wenn Snowden diese akzeptiert, gibt es keinen einzigen Grund, ihm das zu verwehren”, twitterte der Chef des Auswärtigen Ausschusses in der Staatsduma, Alexej Puschkow.

Auch andere führende Politiker und Menschenrechtler gingen davon aus, dass Snowden den Flüchtlingsstatus erhalten werde. Der 30-Jährige hoffe, dann mit neuen Papieren nach Lateinamerika weiterzureisen, teilte die Bürgerrechtlerin Tanja Lokschina von der Organisation Human Rights Watch (HRW) in Moskau mit.

UN-Menschenrechtskommissarin fordert internationalen Schutz für Snowden

Die russischen Behörden haben nach eigenen Angaben bisher keinen Asylantrag von Snowden erhalten. „Wenn das Gesuch eintrifft, wird es nach der gesetzlichen Ordnung bearbeitet”, sagte der Chef der Migrationsbehörde, Konstantin Romodanowski, russischen Agenturen am Samstag in Moskau.

Politisches Asyl sei „unvereinbar mit der russischen Versicherung, keine Verschlechterung der Beziehungen durch Snowden zu wollen”, sagte Regierungssprecher Jay Carney noch vor dem Telefonat der beiden Präsidenten. Carney warf Russland vor, Snowden eine Propagandaplattform zu bieten. Die USA wollten aber nicht, dass der Fall die wichtigen Beziehungen zu Russland beschädige, versicherte Carney.

Die USA hatten Russland wiederholt dazu aufgefordert, Snowden auszuliefern. Russland lehnt dies ab. Als offizielle Begründung nennt der Kreml die in den USA angewandte Todesstrafe sowie das Fehlen eines Auslieferungsabkommens zwischen beiden Staaten. Die gegen Snowden vorgebrachten Anschuldigungen würden im Falle einer Verurteilung kein Todesurteil nach sich ziehen, schrieb dagegen die „New York Times”.

UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay hat internationalen Schutz für den Enthüller des US-Datenskandals gefordert. Wer Informationen über mögliche Verstöße gegen die Menschenrechte offenlege, habe ein Anrecht darauf, heißt es in einer am Freitagabend in Genf veröffentlichten Erklärung Pillays. Sie verwies darin zugleich auf das Recht auf Asyl für Verfolgte. (dpa/dtj)