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Politik

Obamas zweite Amtszeit: Was bedeutet dies für den Kaukasus?

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Die Befürworter eines Rückzugs aus internationalen militärischen Engagements haben in der amerikanischen Öffentlichkeit eindeutig Oberwasser. Zaur Shiriyev merkt an, dass sich die Amerikaner dennoch strategische Partner erhalten sollten. (Foto: epa)

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Obamas zweite Amtszeit: Was bedeutet dies für den Kaukasus?
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Nun, da die Präsidentschaftswahlen vorbei sind, steht die Obama-Administration vor neuen Herausforderungen in der Außenpolitik. Während der Wahlkampagne konzentrierte sich die öffentliche Debatte vor allem auf innenpolitische und wirtschaftliche Fragen, mittlerweile scheint jedoch die Aufmerksamkeit im Blick auf die Außenpolitik wieder zurückzukehren. Die Experten sind sich einig, dass eine effektive und starke Außenpolitik zum einen eine gesunde Wirtschaft erfordert, zum anderen eine klar definierte langfristige Strategie, insbesondere in Bezug auf den Rückzug aus Afghanistan und dem Nahen Osten.

Es ist daran zu erinnern, dass Obama seine erste Amtszeit mit einem erfrischenden neuen Ansatz gegenüber dem Nahen Osten begonnen hatte, der das Ziel hatte, das Ansehen der USA in der Region wiederherzustellen; der Versuch der „Grünen Revolution” im Iran und der Arabische Frühling mit ihren Verpflichtungen nach „westlichen“ Werten wurden als Indikatoren für den Erfolg gesehen. Aber die aktuelle Situation im Nahen Osten, insbesondere in Syrien, weist eher darauf hin, dass es das primäre Ziel der US-Außenpolitik zu sein scheint, ihren politischen Einfluss zu halten, während man sich aus der Region schrittweise zurückzieht: eine klassische Exit-Strategie.

Im Falle von Afghanistan versuchen die USA auf der einen Seite, eine gut geplante militärische Rückzugsstrategie umzusetzen, ebenso wie eine erfolgreiche Regelung der Sicherheitsfragen zu Gunsten der afghanischen Regierung, während gleichzeitig in der näheren Umgebung,auch auf die wirtschaftliche Eindämmung des Iran gedrängt wird. Die wichtigste Frage wird lauten: Wie werden die USA den politischen Einfluss trotz verminderter physischer Präsenz aufrechterhalten können und gleichzeitig ein Machtvakuum vermeiden, das andere regionale Mächte jederzeit – entgegen den Interessen der Amerikaner – gewillt wären, zu füllen. Im Kaukasus gibt es zunehmende Bedenken, dass der US-Rückzug aus Afghanistan mit einem schwindenden Engagement der Amerikaner in der Region einhergehen wird und man das Gebiet aus dem eigenen Fokus herausnehmen würde.

In diesem Zusammenhang gibt es im Kaukasus einige wesentliche Missverständnisse über einen möglichen Rückzug der USA aus Afghanistan.

Droht nach dem Rückzug ein Machtvakuum?

Das erste Missverständnis betrifft die Bedeutung und die grundsätzliche Stoßrichtung der „Rückzugsstrategie”: Man neigt dazu, diese als Exodus in großem Stil zu interpretieren, während in Wirklichkeit durchaus eine politische Strategie existiert, die auf die künftige Stabilität in Afghanistan ausgerichtet ist. Der Erfolg und die Art des „Rückzugs” hängen allerdings von der afghanischen Regierung ab – die aktuelle afghanische Regierung, einschließlich des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai, wollen die Präsenz der ausländischen Truppen als Garantie für ihre eigene Sicherheit und die Sicherheit des Landes verlängern. Im Mai des Jahres 2012 unterzeichneten die USA und Afghanistan das „Enduring Strategic Partnership Agreement“ („Abkommen für eine dauerhafte strategische Partnerschaft)“, in dem die groben Züge für eine US-Präsenz bis 2024 skizziert wurden.

Die zweite Begriffsverwirrung bezieht sich auf die „Zurück-auf-Null-Politik“ zwischen Russland und den USA. Als diese Politik in der ersten Amtszeit Obamas ins Leben gerufen wurde, war es das Ziel der USA gewesen, Russland als Partner der Vereinigten Staaten in eine Reihe von internationalen Fragen einzubringen. Es gibt eine Tendenz im Kaukasus, dies so zu deuten, als „übergäbe“ Washington den Kaukasus an Russland. Die Öffentlichkeit hat zu Recht Sorgen über die „Zurück-auf-Null-Politik”, aber der Fehler war, daraus eine Rückzugsstrategie zu lesen. In der Tat war Washington bestrebt, ein gesundes Maß an geopolitischen Wettbewerb aufrecht zu erhalten, nur eben in einem kooperativen politischen Umfeld.

Zum dritten trat die Sorge auf, der mögliche Rückzug aus Afghanistan würde die Zusammenarbeit der NATO mit den Ländern des Südkaukasus reduzieren, die politisch und militärisch sehr viel in die Zusammenarbeit mit der Allianz investiert hatten, vor allem in Afghanistan. Diese Sorge scheint sich teilweise zu bewahrheiten, insbesondere im Fall von Georgien, das mehr als nur Truppen nach Afghanistan geschickt hat und dies als eine Gelegenheit gesehen hatte, um die georgische Armee zu modernisieren und so das Bestreben ihrer NATO-Mitgliedschaft auch rechtlich zu untermauern. Für Armenien war das Engagement in Afghanistan aufgrund seiner wirtschaftlichen und militärischen Abhängigkeit von Moskau das einzige Mittel zur Aufrechterhaltung guter Beziehungen mit der NATO. Alles in allem wird der NATO/US-Rückzug mit hoher Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der Allianz mit den Ländern des Südkaukasus haben, die schlimmsten Ängste innerhalb der Region werden sich jedoch nicht bewahrheiten.

Abseits von diesen verschiedenen Missverständnissen gibt es jedoch auch tatsächlichen Anlass zur Sorge.

Zahlreiche Probleme bleiben bestehen

In erster Linie steht in Frage, wie die USA plant, ihr künftiges Engagement in den Ländern des Südkaukasus zu verwalten. Es gibt immer noch keine Anzeichen für ein verstärktes politisches Engagement im Kaukasus, trotz der Bedrohungen wie Terrorismus, Drogenhandel, zwischenstaatliche Konflikte, trotz der potenziellen Risiken wie dem Bestreben Irans, stärker in der Region Fuß zu fassen und trotz separatistischer terroristischer Bewegungen im Nordkaukasus.

Um die grundlegendsten Erwartungen der Länder des Südkaukasus zu erfüllen, müssten die USA Mindeststandards für die Region festgelegt, zum Beispiel sollte Washington einen erweiterten politischen Dialog in Kraft setzen, dessen Ziel eine strategische Partnerschaft mit allen drei bedeutenden Staaten der Region sein sollte.

Offensichtlich scheint dies ein langer Weg zu sein, aber in Anbetracht der Bedrohung durch den Iran sollte Washington dringend über die Stärkung seiner Beziehungen zu den Nachbarstaaten Teherans nachdenken.

In diesem Sinne ist die Frage, wie können die USA ihr „Comeback“ im Kaukasus arrangieren? In den 90er-Jahren bildeten Energieinteressen den Hauptgrund der US-Unterstützung für die Unabhängigkeit der Länder in der Region. In den 2000ern brauchte Washington die Unterstützung von regionalen Regierungen mit Blick auf das Engagement in Afghanistan (vor allem in Bezug auf Transitrouten für Truppen und Luftraum). Mit Blick auf das nächste Jahrzehnt,wird vielleicht die Iran-Krise die notwendige Plattform für dieses erhoffte Comeback bieten.

Gefahr eines iranischen Vordringens

Auf der anderen Seite schlagen eindeutige Risiken zu Buche: Alle kurzfristigen politischen Interessen müssen angesichts der Bedrohungen, die eine militärische Intervention im Iran nach sich ziehen würde, in den Hintergrund treten. Wir müssen bedenken, dass Iran geografisch viel näher als Afghanistan liegt, und die Region würde zweifellos eine erhebliches Maß an Kollateralschäden erleben, sollte eine militärische Intervention sich nicht vermeiden lassen.

Angesichts der zahlreichen Gründe für eine weitere US-Präsenz im Südkaukasus und in Anbetracht der langfristigen Kosten-Nutzen-Analyse scheint es, dass der einzige Weg, die Erwartungen der drei Länder in der Region zu erfüllen und sie zu unterstützen, darin besteht, sorgfältig über strategische Partnerschaften nachzudenken und zusätzlich die „Zurück-auf-Null”-Politik mit Moskau zu überprüfen.

Autoreninfo: Zaur Shiriyev ist Chefredakteur des „Caucasus International” (CI) und schreibt auch für die „Today’s Zaman”, aus der auch der Artikel stammt. Shiriyev’s Hauptaugenmerk liegt auf der Schwarzmeer-/Kaukasusregion, besonders interessiert er sich für die EU-Politik in diesem Gebiet.