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Panorama

Oda TV: Verfolgt, verhaftet, verboten

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Der neuartige Coronavirus verdrängt nahezu alle weiteren Themen. Dennoch müssen Journalisten auch andere relevanten Geschehnisse auf der Welt verfolgen. Denn das Leben geht, wenn auch in einem begrenzten Ausmaß, weiter, somit auch das politische Geschehen. Anfang März beispielsweise wurde in der Türkei wieder ein Journalist verhaftet und ein Medium verboten.

Am 5. März wurde der Nachrichtenchef von Oda TV, Barış Terkoğlu, von der Polizei abgeführt. Noch vor wenigen Wochen war Terkoğlu im türkischen TV-Format der Deutschen Welle zum Interview eingeladen und wurde von der Exil-Moderatorin Nevşin Mengü befragt. Dort zeigte er sich noch furchtlos und entschlossen, weiterhin kritisch und unangenehm zu arbeiten. Jetzt hat der türkische Staat wieder das härteste Mittel eingesetzt, einen Journalisten mundtot zu machen. Terkoğlu ist nun verhaftet und kann zumindest vorerst nicht mehr arbeiten.

Hat Oda TV Staatsgeheimnisse enthüllt?

Als Begründung für seine Verhaftung wurde ein Artikel auf Oda TV ins Feld geführt, in dem ein verstorbener türkischer Soldat mit vollem Namen genannt wurde. Zudem wurde die Behauptung aufgestellt, dass dieser im Libyen-Einsatz verstorbene Soldat ein Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes gewesen sei. Für den türkischen Staat ist das gleichbedeutend mit einem Überschreiten journalistischer Grenzen. Der Oda TV-Chefredakteur kritisierte die Verhaftung von Terkoğlu und sagte, dass der im Artikel genannte Name bereits im Vorfeld im türkischen Parlament offen ausgesprochen worden sei. Somit sei es keine echte Neuigkeit, geschweige denn ein die Staatssicherheit gefährdender Leak. Es sei nichts weiter als die Wiedergabe offener Tatsachen.

Oda TV: Kein einfaches Medium

Das Portal wird seit 2007 ausschließlich online betrieben. Bemerkenswert ist, wer zu den Gründern des Mediums gehört: Neben dem beliebten YouTube-Journalisten Cüneyt Özdemir, der auch für seine Sendung „5n1k“ auf CNNTürk bekannt ist, gehört auch der Publizist und Journalist Soner Yalçın zu den Gründern. Özdemir ist derweil nicht mehr im Boot. Er hat sich gegen den aggressiven Stil von Oda TV ausgesprochen. Nach einem Aufenthalt in den USA, wo Özdemir den Prozess gegen den iranischen Goldschmuggler Reza Zarrab verfolgte und auf YouTube die Türkei daran teilhaben ließ, kehrte Özdemir zu seinem einstigen Arbeitgeber CNNTürk zurück. Experten und Kenner sprechen über eine Begnadigung Özdemirs, dem es stets gelingt, auch nette Töne über die türkische Regierung zu verlieren.

Schließung und Verhaftung inakzeptabel

Die Schließung von Oda TV und die Inhaftierung des Nachrichtenchefs Barış Terkoğlu ist ein weiterer Beleg für den haltlos aggressiven Umgang der türkischen Regierung mit kritischen Journalisten. Wie alle Medien, Journalisten und Medienmitarbeiter hatte selbstverständlich auch Oda TV Eigenheiten und Fehler.

Trotzdem müssen auch Fehler oder andere Meinungen in Demokratien ertragen werden − sowohl durch den Staat, als auch den Rest der Bevölkerung.

Oda TV hat in der Vergangenheit fragwürdige Artikel veröffentlicht oder an der Entstehung eines kollektiven Hate-Speechs in der Türkei gegenüber etwa der Gülen-Bewegung mitgewirkt. Als Reaktion auf die Verhaftung von Terkoğlu schrieb der Chefredakteur von Oda TV: „Wie FETÖ es vor neun Jahren vorgemacht hat: Erneut Verhaftung für Oda TV“. Mit FETÖ meint die türkische Regierung und insbesondere der Präsident die Bewegung um den islamischen Gelehrten Fethullah Gülen. Seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 wird die gleichnamige Gülen-Bewegung in der Türkei als Urheber des Putschversuchs angesehen. Die absolute Mehrheit der türkischen Bevölkerung ist mit dieser Verallgemeinerung einverstanden. Der Begriff „FETÖ“ hat sich im Sprachgebrauch entsprechend durchgesetzt. Dabei legte die Regierung noch keinen Beleg vor, der ihre Version unbestreitbar bestätigen würde. Im Gegenteil, es gibt zahlreiche Indizien und auch Belege dafür, diese Hypothese zu widerlegen.

Oda TV bedient sich der Sprache Erdoğans

Doch ungestört davon macht auch Oda TV als vermeintlich kritisches investigatives Medium von diesem Erdoğan-Jargon Gebrauch. Ein weiteres gutes Beispiel liefert der jüngste Bericht von Oda TV über den Anschlag auf einen Unternehmer in Haft. Hazım Sesli, ein für seine besondere Nähe zum ehemaligen türkischen Präsidenten Abdullah Gül bekannter Geschäftsmann, sitzt seit 2015 in türkischer Haft. Vor wenigen Tagen wurde im Gefängnis sieben Mal auf ihn eingestochen, Sesli schwebt in Lebensgefahr (lesen Sie mehr dazu auf DTJ-Online).

Diesen Fall trug Oda TV mit einer fragwürdigen Schlagzeile auf die Seite: „FETÖ-Imam in Haft aufgespießt“. Für diese oder ähnliche Inhalte gehört auch ein Medium wie Oda TV kritisiert. Zumindest nach allgemein gültigen Richtlinien des Journalismus.