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Politik

„Austrotürken” überschatten Wahlkampf in Österreich

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Deutschlands südöstlicher Nachbar wählt am Sonntag sein Bundesparlament, den Nationalrat. Es wird mit einer Fortsetzung des Regierungsbündnisses aus SPÖ und ÖVP gerechnet. Derweil sorgt ein Videogag für Schlagzeilen in der Alpenrepublik. (Foto: dpa)

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Die Bildkombo zeigt die Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl inb Östrereich: den FPÖ-Spitzenkandidaten Heinz Christian Strache (l-r), Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), die Grünen-Vorsitzende Eva Glawischnig.
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Während Deutschland seine Bundestagswahl seit Sonntag hinter sich hat und mit einigermaßen hoher Wahrscheinlichkeit nach einigen Wochen des Taktierens künftig doch von einer Großen Koalition regiert werden könnte, wählt Nachbarland Österreich erst am Sonntag.

Seit einigen Tagen allerdings wird der Wahlkampf in der Alpenrepublik von einem lustigen Video überschattet, das eine Gruppe mit dem Namen „Austrotürken” als Antwort auf einen Wahlkampfrap von Heinz-Christian Strache (li.), dem Vorsitzenden und Spitzenkandidaten der rechtsgerichteten FPÖ, ins Netz gestellt haben.

Strache wurde in der Endphase des Wahlkampfes zur Zielscheibe des Spotts der Netzgemeinde, als das Video zu einem seiner berüchtigten Wahlkampfraps von den „Austrotürken” kurzerhand mit dem türkischen Musik-Klassiker „Ankara’nın Bağları” – ein Lied, in dem die Schönheit und die Beziehung zur türkischen Hauptstadt Ankara besungen werden – unterlegt wurde. Über weite Teile passt der Text nahezu perfekt zu den Lippenbewegungen und dem gezeigten Videomaterial der FPÖ.

Große Koalition wahrscheinlich

Obwohl Strache Zugewinne vorhergesagt werden, dürfte er nicht zuletzt auf Grund der Protestwähler, die Frank Stronach binden kann, bestenfalls auf 20% kommen, was weit hinter den historisch besten FPÖ-Ergebnissen der Haider-Ära angesiedelt ist. Wahrscheinlich ist, dass es in Österreich ebenfalls zu einer Großen Koalition kommt.

Seit 1986 wird die Alpenrepublik fast durchgehend von einem Bündnis aus Sozial- und Christdemokraten regiert. Einzig in der Zeit zwischen 2000 und 2006 wagte die christdemokratische „Österreichische Volkspartei“ den Alleingang und ging ein Bündnis mit der weit rechten „Freiheitlichen Partei Österreichs“ (FPÖ) ein, bei der damals der 2008 bei einem Autounfall ums Leben gekommene Jörg Haider die Fäden zog.

Das Experiment erwies sich großteils als Fiasko: Obwohl einige in der Bevölkerung positiv aufgenommene Maßnahmen wie ein Kinderbetreuungsgeld in Höhe von monatlich € 436,00 für die ersten drei Lebensjahre eines Kindes durchgesetzt werden konnten, erwies sich die FPÖ im Großen und Ganzen als politikunfähig. Sowohl 2002 als auch 2005 erlebte die FPÖ Flügelkämpfe zwischen moderateren Kräften, die in der Regierung bleiben wollten, und den fundamentaloppositionellen Rechtsaußen, die eine Verwässerung des Profils fürchteten.

Hatte Haider 2002 noch selbst die Koalition gesprengt und Neuwahlen erzwungen, gründete er 2005 das „Bündnis Zukunft Österreichs“ (BZÖ), um gegen den Willen innerparteilicher Gegner wie des damaligen Wiener Landeschefs Heinz-Christian Strache in der Koalition bleiben zu können. Nachdem die vorgezogenen Parlamentswahlen 2006 mit einem Patt geendet hatten, bildeten SPÖ und ÖVP wieder eine Große Koalition, die bis heute Bestand hat und voraussichtlich auch nach den Wahlen vom kommenden Sonntag weiterbestehen wird. Die Regierungsbilanz der letzten Jahre ist positiv, wenn es um die Meisterung der Eurokrise geht, allerdings beklagen viele Beobachter auch einen Stillstand in manchen Bereichen der Wirtschaft.

Das Problem der traditionellen Volksparteien in Österreich ist nämlich, dass keine davon noch damit rechnen kann, mehr als 30% der Stimmen bei bundesweiten Wahlen zu gewinnen. Seit Mitte der 80er-Jahre franste das Parteienspektrum zunehmend aus. Zuerst traf es die ÖVP, die infolge des von vielen Wählern als „Sozialdemokratisierung“ empfundenen Kurses der Partei massiv an die rechte FPÖ verlor, im großbürgerlichen und urbanen Milieu verlor sie teilweise auch Jungwähler an die Grünen. Die SPÖ hielt sich noch bis Mitte der 90er-Jahre als stärkste Kraft, danach brachen auch ihr vor allem Stammwähler aus der Arbeiterschaft weg, die sich nach rechts orientierten.

Kein Sarrazin in der SPÖ

Den aktuellsten Umfragen zufolge wird die SPÖ unter dem seit 2008 amtierenden Kanzler Werner Faymann (mi.) auch am Sonntag ihren ersten Platz in der Wählergunst halten können. Die türkischen Einwanderer in Österreich zählen dabei traditionell zu den treuesten Wählern der Sozialdemokraten, zumal sich die Partei in Österreich noch keinen vergleichbaren Skandal um rassistische Äußerungen wie im Falle Thilo Sarrazins in Deutschlands geleistet hat.

Allerdings ist die SPÖ hin- und hergerissen zwischen dem Wissen um die Wichtigkeit der Stimmen der ehemaligen „Gastarbeiter“ und ihrer Nachkommen auf der einen und der Gefahr eines weiteren Stimmenverlustes an die extreme Rechte auf der anderen Seite.

ÖVP öffnet sich für Einwanderer

Seit die christdemokratische ÖVP infolge der starken Erosion des einst dominanten katholischen Glaubens in Österreich an konservativem Profil verloren hat, versucht sie ihrerseits, über die Schiene der Wirtschaftskompetenz vor allem erfolgreiche Selbstständige aus der Einwanderercommunity für sich zu gewinnen. Die ÖVP, für die der frühere Außenminister Michael Spindelegger als Spitzenkandidat ins Rennen geht, ist, dem Nachkriegskonzept der österreichischen Sozialpartnerschaft entsprechend, in Bünden organisiert, die Interessensgruppen der Arbeitswelt widerspiegeln. Auf diesem Wege ist der Weg auch zu türkischen Unternehmern und Leistungsträgern nicht weit. Mit dem 26-jährigen Asdin El Habbassi, dessen Vorfahren aus Marokko stammen, kandidiert auch erstmals ein praktizierender Muslim an aussichtsreicher Stelle für die Volkspartei.

Von Innsbruck aus wirbt für die ÖVP zudem der mehrfache Akademiker und Unternehmer Dr. Kurt Ayhan Adam bundesweit um die Stimmen der Einwanderercommunity. In der österreichischen Ausgabe der „Zaman“ übte er vor allem scharfe Kritik an den Grünen im Zusammenhang mit deren Einmischungspolitik gegenüber der Türkei am Rande der Gezi-Park-Demonstrationen und den skandalösen Äußerungen des Grünen-Parlamentariers, Efgani Dönmez, der Anhänger des türkischen Premierministers Erdoğan aus Österreich ausweisen lassen wollte.

Aus der grünen Bundespartei hatte es allerdings zum Teil auch harsche Kritik an Dönmez und seinen Äußerungen gegeben, beispielsweise seitens der Abgeordneten Alev Korun, die Dönmez einen „Verstoß gegen grüne Grundwerte“ vorwarf. Umfragen sagen den Grünen ein Ergebnis über 10% voraus, wobei die Partei in Umfragen regelmäßig besser abschneidet als bei Wahlen. Die ÖVP liegt zwischen 23 und 26%.