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Politik

Ohne einen internationalen Kompromiss wird es kein Ende des Bürgerkriegs in Syrien geben

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Ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien ist nicht abzusehen. Schaut man sich die Konstellationen an, so kommt man zwangsläufig zu dem Schluss, dass es keine nationale Lösung geben wird. Es muss ein internationaler Kompromiss gefunden werden.

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Ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien scheint ohne internationalen Konsens unmöglich. Zu viele Akteure, globale wie regionale, sind in den Konflikt verwickelt und rücken von ihren Eigeninteressen nicht ab. Am meisten leiden darunter die noch im Land verweilenden Syrer und die Millionen Flüchtlinge, die auf das Ende des Bürgerkriegs warten. Im Syrienkonflikt werden diverse Rivalitäten zwischen Welt- und Regionalmächten ausgetragen. Auf der einen Seite verfolgen die altbekannten Gegenspieler USA und Russland eigene Ziele in der Levante und auf der anderen Seite spitzt sich der Konflikt um die regionale Vorherrschaft zwischen dem Iran, Saudi-Arabien und der Türkei zu. Das blutige Chaos, das der IS verursacht, verkompliziert das Ganze noch zusätzlich.

Washington will den Abgang Assads

Die Vereinigten Staaten sehen sich in Syrien mit einer komplexen Konstellation konfrontiert. Das Assad-Regime, dem es an demokratischer Legitimation fehlt und das sich nicht davor scheut, die eigene Bevölkerung zu massakrieren, stellt einen Gegenpol zum Selbstverständnis der USA dar. Um seine Authentizität als „Weltpolizist“ aufrechtzuerhalten, sieht sich Washington gezwungen, zumindest politisch und diplomatisch gegen das Assad-Regime vorzugehen. Dabei hegen die USA schon seit Jahrzehnten ein gespanntes Verhältnis zu Syrien, da es unter anderem im Kalten Krieg erstaunlich gute Beziehungen zur Sowjetunion pflegte. Washington fordert den Abgang Assads, auch wenn Obama kürzlich vor der UN-Vollversammlung 2015 signalisierte, sich eine Übergangslösung mit Assad vorstellen zu können. Doch langfristig werden die USA auf eine Lösung ohne Assad hinarbeiten wollen, da sie ansonsten eine strategische Niederlage gegen Russland hinnehmen und vor der internationalen Gemeinschaft als unfähig dastehen würden.

Moskau hält weiterhin an Assad fest

Denn Wladimir Putin hat alles daran gesetzt, während des Bürgerkriegs Assad den Rücken zu stärken und blockierte im Sicherheitsrat entscheidende Eingriffe der internationalen Gemeinschaft gegen ihn. Bei der jüngsten UN-Vollversammlung erklärte Putin sogar, Assad im Kampf gegen den IS militärisch unterstützen zu wollen. Die ersten russischen Luftschläge auf syrischem Boden laufen bereits. Wie zu Beginn des Konflikts tritt Russland auch heute als wichtigster Unterstützer des Assad-Regimes auf. Die Freundschaft des Assad-Clans zu Russland reicht bis weit in den Kalten Krieg hinein und hat sich während des Bürgerkriegs als verlässlich entpuppt. Der Kreml hat kein Interesse am Abgang Assads, da Syrien der letzte verlässliche Verbündete Russlands in der arabischen Welt und ein wichtiger Abnehmer russischer Waffen ist.

Ambitionen des Iran, Saudi-Arabiens und der Türkei

Auch die Regionalmachtambitionen des Iran, Saudi-Arabiens und der Türkei prallen in Syrien ungebremst aufeinander. Laut Samuel Huntington ist diesen drei Akteuren aus ihrer geographischen, ideologischen und historischen Ausgangslage heraus, ein Einfluss im Nahen Osten weit über ihre Grenzen hinaus zuzutrauen. Ihre Konkurrenz basiert nicht lediglich auf wirtschaftlichen und militärischen Ursachen, sondern auch auf weltanschaulichen: Sie fördern den Export ihres jeweiligen Verständnisses von Religion und Staatsordnung. Das Ayatollah-Regime versucht sich als Regionalmacht zu etablieren, indem es die Verbreitung der Schia im Nahen Osten vorantreibt und die schiitischen Bevölkerungsgruppen im Irak, Syrien, Libanon, Jemen und in den Golfstaaten zu mobilisieren versucht. Saudi-Arabien hingegen sieht seine Interessen durch die Verbreitung des schiitischen Glaubens bedroht und exportiert ein wahhabitisches Islamverständnis, um die Gunst der arabischen Massen für sich zu gewinnen. Und die Türkei versucht sich als alternatives Vorbild für die Länder der arabischen Welt zu präsentieren, machte in den letzten Jahren allerdings deutliche Rückschritte.

Teheran sichert Assad ab

Der Iran unterstützt das alawitische Regime von Assad mit allen Mitteln, da Syrien ein strategisch wichtiger Verbündeter Teherans im Nahen Osten ist. Der Iran erachtet das vom Bürgerkrieg geplagte Land als Brückenkopf, einerseits zum Mittelmeer und andererseits zur libanesischen Hisbollah. Der Sturz Assads wäre für Teheran eine geopolitische Katastrophe. Das kann man schon an der Reaktion des Regimes auf die verschiedenen Aufstände der letzten Jahre erkennen: Die Aufstände in Ägypten und Jemen bezeichneten die Ayatollahs als „islamisches Erwachen“, die syrischen Aufständischen stuften sie hingegen gleich zu Beginn als „Terroristen“ ein. Ein politischer Wechsel in Syrien hätte gravierende Folgen für den iranischen Einfluss im Nahen Osten.

Das saudische Königshaus bekämpft die „gottlose“ Achse

Das saudische Königshaus hingegen erachtet Assad als „gottlos“ und wirbt in der arabischen Welt um Unterstützung mit dem Argument, die „gottlose“ Achse zwischen der alawitischen Führung in Damaskus und dem schiitischen Regime in Teheran bekämpfen zu wollen, da sie den traditionellen Islam gefährde. Dabei geht es dem saudischen Königshaus um realpolitische Interessen. Das Land sieht sich vom „Schiitischen Halbmond“ umzingelt und befürchtet Absichten Teherans, Saudi-Arabien im Nahen Osten zu isolieren. Deshalb fördert das saudische Königshaus alle, die gegen Assad sind: Mal die Freie Syrische Armee, mal den IS und mal ganz andere Gruppierungen. Unterstützung erfährt Saudi-Arabien dabei vor allem durch Katar. Dem superreichen Ministaat kommt im Syrienkonflikt eine besondere Rolle zu, weshalb Riad auf die Zusammenarbeit mit Doha setzt. Katar hat mit dem Sender Al-Dschasira enormen Einfluss auf die Medienlandschaft der arabischen Welt.

Die Türkei rudert zurück

In den ersten zwei Jahren des Syrienkonflikts trat Erdoğan auf internationaler Ebene als entschiedenster Politiker auf, der die westliche Staatengemeinschaft aufforderte, in Syrien militärisch zu intervenieren. Die türkische Regierung kam der syrischen Opposition entgegen und gab ihnen die Möglichkeit ihr Hauptquartier auf türkischem Boden zu errichten. Zudem hat die Türkei inzwischen mehr als zwei Millionen Flüchtlingen ihre Grenzen geöffnet. Die Auswirkungen des Syrienkonflikts auf die Politik des Landes sind enorm. Anders als der Iran oder Saudi-Arabien ist Ankara besorgt, dass der andauernde Bürgerkrieg auf das eigene Land überschwappen könnte. Obwohl Erdoğan bis zum Ausbruch der Aufstände in Syrien ein freundschaftliches Verhältnis zum Damaszener Regime pflegte, sehnt er sich heute nach dem Sturz Assads. Dabei hat sich Ankara offenkundig verrechnet, da es anfangs einen schnellen Abgang Assads erwartete und dann schnellstmöglich das „neue Syrien“ mitgestalten wollte. Vier Jahre nach dem Bürgerkrieg sitzt Assad noch immer auf seinem Posten und versucht der Weltgemeinschaft die Botschaft zu vermitteln, dass ohne ihn keine Lösung im Syrienkonflikt zu erreichen sei. Jedenfalls signalisierte Präsident Erdoğan kürzlich vor laufenden Kameras, ähnlich wie Obama, eine Übergangslösung mit Assad hinnehmen zu können. Das Land scheint allmählich von seinem harten Syrienkurs zurückzurudern.

Erfolglose Versuche, den Konflikt zu lösen

So unterschiedlich die Interessen von globalen und regionalen Akteuren in Syrien sind, so erfolglos waren auch die bisherigen Versuche den Konflikt zu lösen. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich nicht fähig gezeigt, einen Konsens zu finden, um die Gemüter in Syrien zu beruhigen. Stattdessen haben die Akteure aktiv zur Verhärtung der Fronten beigetragen. Damit der eigene Einfluss keinen Schaden nimmt, unterstützen sie die ihnen nahestehenden Gruppen und haben so einen Stellvertreterkrieg herbeigeführt. Wenn die internationale Staatengemeinschaft tatsächlich an einem Ende des Bürgerkriegs in Syrien interessiert ist, dann ist sie gezwungen, einen Interessen übergreifenden Konsens zu erzielen. Nun haben erste ranghohe Staatsmänner ihre Position gegenüber Assad gelockert. Sie können sich eine Übergangsregierung mit ihm vorstellen, so heißt es. Nun stellt sich die Frage, warum die Staatengemeinschaft so lange zuschaut, obwohl sich in der Grundkonstellation des Konflikts eigentlich nichts geändert hat.