Politik
OLG-Sprecherin: NSU-Prozess kein „Jahrhundertprozess“
Ein unsensibler Vergleich der Gerichtssprecherin, und noch immer zu wenig Platz – vor dem NSU-Prozess in München lässt die Kritik am Oberlandesgericht nicht nach. Wird mit genug Sensibilität an diesen wichtigen Prozess herangegangen? (Foto: cihan)
München – Wegen eines NS-Vergleichs einer Sprecherin steht das Oberlandesgericht München vor dem NSU-Prozess in der Kritik. Mit Blick auf den Prozess gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe hatte Sprecherin Margarete Nötzel gesagt, sie sei „kein Freund von Etikettierungen etwa im Sinne von Jahrhundertprozess“. Das habe „so ein bisschen was Anmaßendes – so wie das tausendjährige Reich, das dann vielleicht nur 15 Jahre gedauert hat oder sowas in der Art“, sagte Nötzel in einem Beitrag, der am Mittwochabend im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Am Donnerstag nahm die OLG-Sprecherin die Äußerung zurück.
Opferanwälte reagierten empört: „Der Wunsch – auch der Nebenkläger – diesen Prozess einzuordnen als großen, historischen Prozess, dieser Wunsch wird als Anmaßung bezeichnet und verglichen mit dem Größenwahn der Nazis“, erklärten die Nebenklagevertreter Stephan Lucas und Jens Rabe. Sie vertreten die Familie von Enver Şimşek, dem ersten Mordopfer der Neonazi-Terroristen.
„Dabei geht es bei der Einordnung darum, für einen solchen Prozess angemessene Bedingungen zu schaffen – und das bedeutet vor allem ausreichend Platz für die Öffentlichkeit“, betonten die Anwälte. „Jeder weiß, dass sich Hitler- und Nazivergleiche per se verbieten, zumal wir hier von Opfern rechten Terrors sprechen. Das finden wir unangemessen und instinktlos.“ Nötzel distanzierte sich am Donnerstag von ihrer Äußerung: „An dem Vergleich halte ich nicht fest. Ich kann die Kritik nachvollziehen“, sagte sie.
OLG-Sprecherin: „Das ist kein Public Viewing, das ist ein Strafverfahren“
Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, mahnte mehr Sensibilität seitens der Justiz an. Das Verfahren gegen Zschäpe und die mutmaßlichen Helfer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ werde einer der größten Prozesse der deutschen Rechtsgeschichte in der Nachkriegszeit. „Aufgrund des riesigen öffentlichen Interesses – nicht nur im In-, sondern auch im Ausland – muss gewährleistet sein, dass ein größtmögliches Maß an Transparenz vorherrscht“, erklärte Lischka.
Insbesondere den Angehörigen der Opfer sei es nicht zuzumuten, dass sie wegen möglicher Kapazitätsprobleme nicht am Prozess teilnehmen können, kritisierte Lischka. Bislang plant das Gericht, nur jeweils rund 50 Plätze für Zuschauer und Journalisten zur Verfügung zu stellen; die Nebenkläger sollen im hinteren Teil des Saals Platz finden. Anwälte hatten gefordert, Zeugenaussagen im Saal auf eine Videoleinwand zu übertragen, um wenigstens die Gesichter sehen zu können. Auch hierzu hatte sich die OLG-Sprecherin in dem Fernsehbeitrag ablehnend geäußert: „Das ist kein Public Viewing, das ist ein Strafverfahren.“
Für Empörung sorgt derzeit auch die Ankündigung des Gerichts, dem türkischen Botschafter und dem Vorsitzenden der türkischen Menschenrechtskommission keinen festen Platz im Gerichtssaal zuzuweisen. (dpa/dtj)