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Politik

Operation „Gladio“: Dichtung und Wahrheit

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Nicht nur „Ergenekon“ und die NSU-Terrorzelle, auch die derzeitigen Spekulationen rund um eine Attentatsserie in Luxemburg und den Anschlag vom Oktoberfest nähren wieder Spekulationen über klandestine Strukturen im Staatsapparat selbst. (Foto: ap)

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Operation „Gladio“: Dichtung und Wahrheit
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In Luxemburg wird derzeit ein heikles Kapitel der Nachkriegsgeschichte des Landes aufgearbeitet. Ein von den dortigen Medien zum „Jahrhundertprozess“ erklärtes Gerichtsverfahren soll Licht ins Dunkel rund um die so genannten “Bommeleeër-Anschläge” bringen. In den 1980er-Jahren wurden in Luxemburg Sprengstoffanschläge auf Strommasten, Schwimmbäder und Gasstationen verübt. Die Attentate hörten schließlich plötzlich abrupt auf, ohne dass jemals jemand dafür zur Rechenschaft gezogen worden wäre.

Was die Sache auch über die Grenzen hinweg interessant macht, ist zum einen der im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen einen Polizisten, der einen Stromkonzern erpresst haben soll, aufgekommene Verdacht einer hinter den Attentaten stehenden, militärischen Struktur. Zum anderen aber ist es die unter Eid abgegebene Zeugenaussage des aus Deutschland stammenden Zeugen und Historikers Andreas Kramer, der behauptete, sein mittlerweile verstorbener Vater hätte ihm gegenüber eine Verwicklung in den Terroranschlag auf das Münchener Oktoberfest im Jahre 1980 gestanden, bei dem 13 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt wurden. Gleichzeitig soll Kramers Vater, ein Bundeswehrhauptmann, der gleichzeitig für den BND tätig gewesen sein soll, 50 Materiallager des unter dem Dach der NATO eingerichteten „Stay-Behind“-Netzwerkes mit dem Namen „Gladio“ geleitet haben.

In Italien wurde die Existenz des Gladio-Netzwerkes 1990 vom damaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti eingeräumt, seither ist das Eingeständnis des Bestehens einer solchen Organisation Quell für Spekulationen und Verschwörungstheorien aller Art.

Bewaffnete antikommunistische Einheiten in Italien seit 1948

Andreottis Amtsvorgänger Francesco Cossiga wurde 1992 gegenüber der BBC noch präziser: Vorbilder von „Gladio“ waren in einer Zeit, da es kaum Erkenntnisse über das politische und militärische Potenzial der Sowjetunion gab, der „British Intelligence Service“ und das OSS der USA im Zweiten Weltkrieg. Die Gladio-Strukturen waren kein Teil der NATO, sondern wurden nur unter deren Dach errichtet, so blieb Frankreich auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bündnis Teil der Struktur. Was in Italien besonderes Aufsehen erregte, war, dass nicht alle Spitzenpolitiker von ihren Vorgängern immer informiert wurden, so wollte etwa ein sechsfacher italienischer Innenminister bis 1990 nicht über die Existenz „Gladios“ informiert worden sein. Allerdings wäre eine nahtlose Informationspolitik angesichts der Vielzahl der Kabinette im Land auch schwer möglich gewesen.

Das Clandestine Planning Committee (CPC) sollte die Aktivitäten von Brüssel aus koordinieren, die Informationen sollten von einem Geheimdienst zum nächsten getragen werden, Trainings wurden u.a. in England oder auf Sardinien auf Militärbasen ausgeführt, Waffenlager in allen Mitgliedsländern angelegt, finanziert wurden die Strukturen von den USA und England.

Im Zuge der Offenlegung der Existenz von „Gladio“ fanden sich mit Blick auf zahlreiche blutige Anschläge im Land von den 60ern bis in die 80er-Jahre nach und nach dubiose Kronzeugen wie der bekennende Neofaschist Vincenzo Vinciguerra, der wegen der Beteiligung an einem Anschlag auf drei Carabinieri in Peteano im Jahre 1972 eine lebenslange Haftstrafe verbüßt. Er betonte, „Gladio“ habe sich in Italien am Ende „gegen die Fünfte Kolonne im Inneren“ gerichtet.

Italien hatte nach dem Zweiten Weltkrieg die stärkste Kommunistische Partei in ganz Westeuropa, als 1948 – ein Jahr nach Gründung der CIA – deren Machtergreifung befürchtet wurde, wurden unter anderem DC-Jugendgruppen durch amerikanische Einheiten und heimische Polizeieinheiten mit Waffen und Handgranaten ausgerüstet, für den Fall, dass die KP versuchen würde, nach dem Vorbild der Ostblockstaaten die freiheitliche Demokratie zu beseitigen.

Vinciguerra war nach Angaben des für „Gladio“ zuständigen Generals Gerardo Serravalle nie für das Netzwerk rekrutiert worden, verfügte aber über Wissen, das ansonsten nur langjährige, erfahrene Mitstreiter eröffnet bekommen hätten. Die einem von „Gladio“ dirigierten „tiefen Staat“ zur Last gelegten Operationen während der so genannten „bleiernen Jahre“, die einer „Strategie der Spannung“ gefolgt sein sollen, könnten allerdings durchaus hausgemacht gemacht gewesen sein, zumal der neofaschistische MSI in der Armee sehr stark vertreten war und dessen Chefideologe Pino Rauti als Strategie seiner Partei formuliert hatte: „Es muss eine Situation entstehen, in der die allgemeine Unsicherheit in die Nähe der Panik gerät und dann die Stunde der entschlossenen Exekutive gekommen ist“.
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SPD-Politiker als potenzielle „Volksverräter“ im Visier

In Deutschland baute Reinhard Gehlen, ein ehemaliger Generalstabsoffizier der Deutschen Wehrmacht, ab 1946 in Zusammenarbeit mit den USA einen Nachrichtendienst zur Ostaufklärung auf, Ende der 50er-Jahre waren die Errichtung der Geheimdienstarchitektur wie auch der „Gladio“-Einheiten abgeschlossen. Erst 1953 kam es jedoch zur Unterrichtung der Bundesregierung über den Aufbau des Stay-Behind-Netzwerkes. US-Autoritäten waren damals von übereifrigen Kräften im „Bund Deutscher Jugend“ abgerückt, als bekannt geworden war, dass diese eine Liste von SPD-Politiker angefertigt hatten, die im Ernstfall liquidiert werden sollten, weil sie sich im Falle einer sowjetischen Invasion an einer kommunistischen Marionettenregierung beteiligen könnten.

Die erforderliche Rechtsgrundlage für die USA, im Ausland verdeckte Operationen durchzuführen, schuf der Nationale Sicherheitsrat am 18. Juni 1948. In diesem Zusammenhang wurden als zulässige Formen des Tätigwerdens definiert: Propaganda, ökonomische Kriegsführung, präventive direkte Aktionen, darunter Sabotage, Gegensabotage, Abriss- und Evakuierungsmaßnahmen, Subversion gegen feindliche Staaten, inklusive Assistenzleistungen für Widerstandsgruppen im Untergrund, Guerillas und Flüchtlingsbefreiungsgruppen, sowie die Unterstützung antikommunistischer Gruppen in bedrohten Ländern der freien Welt. Operationen dieser Art sollten jedoch nicht den bewaffneten Konflikt mit regulären Armeen, Spionage, Gegenspionage oder Aktionen zum Tarnen und Täuschen für Militäroperationen umfassen.

Auch das Field Manual FM 31-15 der US Army vom Mai 1961 über den Umgang bei der Operation gegen irreguläre Kräfte präzisierte noch einmal die dort vorgegebene Vorgehensweise. So heißt es im Art. 11 a, dass jedwedes Vorgehen in freien Ländern mit freundlich gesinnten Regierungen einer engen Abstimmung aller Maßnahmen im Kampf gegen irreguläre Kräfte mit den gewählten Regierungen und demokratischen Institutionen bedarf.

Die Operationen selbst sollten hingegen primär offensiv sein, Ziel sei die Schwächung der Unterstützung für die irreguläre Organisation innerhalb der Bevölkerung, darüber hinaus sollen Kräfte angesprochen und integriert werden, die dem eigenen Lager freundlich gesonnen sind.

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