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Gesellschaft

UKGM: Kein Herz für Muhammet Eren Dönmez

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Ermöglicht die deutsche Gesetzeslage zum Transplantationsrecht einen „Todesausschuss“? Der fast zwei Jahre alte Muhammet Eren Dönmez soll nicht auf die Warteliste für ein neues Herz genommen werden. Grund sei ein irreversibler Hirnschaden. (Foto: cihan)

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Aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten wollen Ärzte dem 21 Monate alten Muhammet Eren Dönmez eine Herztransplatation verweigern. Nachdem seine Eltern mit Mühe das Geld für die Transplantation zusammen bekommen haben, reisten sie nach Gießen, damit ihr Sohn die Chance auf ein längeres Leben hat. Doch die Ärzte des Universitätsklinikums Gießen-Mageburg (UKGM) machten ihnen einen Strich durch die Rechnung: Es gibt kein Herz für Muhammet! Und dabei bleibt es nicht, die einzige Entscheidung, die die Familie treffen durfte, lautete: „Entweder wir ziehen den Stecker oder Sie bringen Ihr Kind in ein anderes Krankenhaus.”

Der kleine Muhammet leidet seit seiner Geburt an einer Herzmuskelerkrankung und einer fortschreitenden Herzschwäche. Da eine Transplantation in der Türkei nicht möglich war, reisten seine Eltern aus Istanbul nach Gießen, wo sich Spezialisten bereit erklärten, den Eingriff durchzuführen. Kurz bevor die Reise losging, erlitt Muhammet einen Kreislaufstillstand, welcher über eine längere Phase hinweg Wiederbelebungsmaßnahmen notwendig machte. Bei der Ankunft des Jungen in Gießen war die Herzkreislaufsituation weiterhin instabil und der kleine Junge musste an ein Kunstherz angeschlossen werden, um zu überleben. Weitere Untersuchungen zeigten, dass Muhammet hächstwahrscheinlich im Rahmen der langen, zum Teil auch vor Ankunft unkontrollierten Wiederbelebungsmaßnahmen, eine Hirnschädigung erlitten hatte. Den Ärzten zufolge sollte er blind und gelähmt bleiben und wäre für immer auf ein Beatmungsgerät angewiesen. Sie empfahlen, die Behandlung zu beenden, die Eltern lehnten dies ab und sie sollten ihre Entscheidung nicht bereuen. „Mein Sohn hat genauso ein Recht, zu leben wie andere Kinder”, so der Vater von Muhammet Eren.

„Wenn Muhammet dieses Herz bekommt, wird ein anderes Kind keines bekommen”

Nach einiger Zeit konnte Muhammet wieder selbstständig atmen und seine Arme und Beine bewegen, dennoch verweigerten sich die Ärzte einer Transplantation. „In mehrfach durchgeführten Transplantationskonferenzen wurde der irreversible Hirnschaden einstimmig als Kontraindikation (Gegenanzeige) für eine Herztransplantation beurteilt und dokumentiert“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des UKGM. Genauer ausgedrückt bedeutet es, dass Muhammet keinen Platz auf der Warteliste für ein Spenderorgan erhalten soll. Aufgrund der Beschädigung eines anderen Organs dürfe er nicht mehr auf die Liste. Sie betonten ausdrücklich, dass sie sich genaustens an das Transplantationsgesetz und die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Aufnahme von Herzpatienten auf die Warteliste gehalten hätten, da sie sich ansonsten sogar strafbar machen würden.

Allerdings betont der Rechtsanwalt der Familie Dönmez, Kai Wiegand, dass die Gesamtsituation berücksichtigt werden und der Erfolg der Transplantation bewertet werden müsse und dass dies hier nicht geschehen sei. Außerdem gebe es immer noch keine ausreichenden Belege für einen fehlenden langfristigen Erfolg der Transplantation, so der Anwalt.

„Eine Organschädigung kann, muss aber nicht einer Listung entgegenstehen”, zitierte die Süddeutsche den Juristen Hans Lilie von der Ständigen Kommission Organtransplantation bei der Bundesärztekammer (BÄK). In diesem Fall halte er die Entscheidung allerdings für richtig, genauso wie der Leiter der Ethikkommission der Deutschen Transplantationsgesellschaft, Richard Viebahn, der gegenüber der Süddeutschen erklärte: „So traurig es im Einzelfall ist: Wir müssen konsequent sein. Man muss immer bedenken: Organe sind extrem selten. Wenn Muhammet dieses Herz bekommt, wird ein anderes Kind keines bekommen.”

Trotz alledem liegt es immernoch in den Händen der Ärzte, die diese Entscheidungen treffen dürfen und müssen.

Das Leid des jungen Muhammet Eren sorgte für große Anteilnahme in den sozialen Netzwerken. Nicht nur in der Türkei, sondern auch in Deutschland wird das Urteil des Klinikums heftig diskutiert. Es wurde sogar eine Facebook-Seite für Muhammet Eren gegründet, die über 75 000 Follower hat. Das UKGM muss hingegen, aufgrund von Drohungen gegenüber ihrem Personal, besondere Sicherheitsmaßnahmen treffen.

UKGM: Kein Herz für Muhammet

In einer Pressemitteilung vom 14. August 2014 wird die endgültige Entscheidung des Krankenhauses im Fall Muhammet Eren Dönmez verkündet.

„Wir hatten uns für Muhammet Eren eine andere Lösung erhofft, müssen aber jetzt akzeptieren, dass die zwischenzeitliche Entwicklung in diesem Fall und die gültige Gesetzeslage keine andere Entscheidung zulassen. Das UKGM kann, darf und wird den Jungen nicht auf die Warteliste zur Herztransplantation setzen lassen. Vielmehr prüfen wir derzeit seine Verlegung in eine andere Klinik“, sagte heute der Ärztliche Geschäftsführer des UKGM, Prof. Dr. Werner Seeger.

Diese Entscheidung können die Eltern des kleinen Jungen allerdings nicht akzeptieren. Alternative Lösungsvorschläge des UKGM-Ärzteteams in dieser schwierigen Situation wurden und werden von den Eltern abgelehnt. Eine nachhaltige, tragfähige Grundlage für die weitere Behandlung des kleinen Muhammet Eren bestehe somit nicht, heißt es weiterhin in der Pressemitteilung.

Prof. Dr. Werner Seeger erklärt: „Wir bedauern diese Entwicklung sehr, die nicht von uns zu verantworten ist. Unser Ziel ist und bleibt, diesen für die Eltern und uns emotional so bedrückenden Fall des jungen Muhammet Eren jeden Tag aufs Neue mit großer Ruhe, Empathie und medizinisch-pflegerischer Professionalität anzugehen. Aber: Das UKGM hat auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den anderen schwerkranken Kindern, deren Angehörigen, unserem medizinischen und pflegerischem Personal, die sich mit ganzem Einsatz um Muhammet Eren kümmern. Für uns heißt das nun, das Kind in ein anderes Transplantationszentrum oder nach Istanbul zurück zu verlegen“.

Das Problem ist jedoch, dass alle großen Transplantationszentren in Deutschland, Wien und Rotterdam bereits abgelehnt hatten, Muhammet Eren Dönmez aufzunehmen und weiterzubehandeln. Das entsendende Krankenhaus in Istanbul sei hingegen bereit, das Kind wieder zurück zu nehmen und die Kunstherzbehandlung fortzusetzen.