Gesellschaft
Papst Benedikt gibt sein Amt ab
Die Frage nach der Zukunft ihrer Kirche stellt sich nach dem Rücktritt Papst Benedikts XVI. eher als es vielen Katholiken lieb ist. Die Nachfolgedebatte wird einmal mehr die innerkirchlichen Bruchlinien erkennbar werden lassen. (Foto: dpa)
Rom – Papst Benedikt XVI. gibt sein Pontifikat am 28. Februar ab. Das teilte Joseph Ratzinger, der das Amt seit 2005 bekleidet, am Montag überraschend während eines öffentlichen Konsistoriums in Rom mit. Er kündigte seine ungewöhnliche Entscheidung in lateinischer Sprache an. Papst-Bruder Georg Ratzinger hat die angeschlagene Gesundheit von Benedikt XVI. als Grund für dessen Rücktritt genannt. „Das Alter drückt“, sagte der 89-Jährige der Nachrichtenagentur dpa. Es ist erst der zweite Fall in der Geschichte des Vatikans, dass ein Papst freiwillig zurücktritt. Zuvor hatte Papst Coelestin V. am 13. Dezember 1294 nach nur fünf Monaten im Amt seinen Rücktritt erklärt.
War das Jahr 2005 noch vom bewegenden Abschied des schwer kranken Papstes Johannes Paul II. und dem in Deutschland von substanzarmem Hurra-Patriotismus begleiteten Amtsantritt Kardinal Joseph Ratzingers als Papst Benedikt XVI. geprägt, hat dessen nunmehrige Rücktrittsankündigung zum 28.Februar etwas Schmuckloses, auch wenn die Begründung, aus gesundheitlichen Gründen das Amt nicht mehr adäquat ausführen zu können, aus dem Mund des fast 87-jährigen Kirchenoberhauptes überzeugend klingt.
Viele Katholiken, vor allem solche, für die der Glaube noch einen hohen Stellenwert in ihrem Leben aufweist, reagieren auf die Nachricht schockiert. Andere konnten den Moment des Endes der Amtszeit Benedikts XVI. gar nicht erwarten, um eine Nachfolgediskussion vom Zaun zu brechen.
Nach dem Tod des als epochal geltenden Pontifikats Papst Johannes Pauls II., in dessen Amtszeit unter anderem das Ende des kommunistischen Herrschaftssystems in Osteuropa fiel, das maßgeblich von seiner polnischen Heimat aus eingeleitet worden war, sah Benedikt XVI. sich selbst eher als ein Papst, der in einem veränderten weltpolitischen Umfeld die Bedeutung der Kirche im globalen Maßstab bewahren und ausbauen wollte. Auch wollte er die Einheit innerhalb der größten organisierten Glaubensgemeinschaft des Christentums wahren und bemühte sich, abgespaltene Gruppierungen der jüngeren Zeit wie die umstrittene Piusbruderschaft wieder unter das Dach der Katholischen Kirche zu holen.
Weltweite Zahl der Katholiken insgesamt gestiegen
In Summe hat Benedikt XVI. die Bedeutung der Katholischen Kirche in der Welt durchaus erhöhen können. Global gesehen wuchs die Zahl der Katholiken auf knapp 1,2 Milliarden. Während der katholische Bevölkerungsanteil in Europa und auf dem amerikanischen Kontinent rückläufig ist, wird dies durch die steigende Bedeutung des Katholizismus in Afrika und Südostasien mehr als wettgemacht.
In der islamischen Welt hatte im September 2006 die Rede Benedikts XVI. an der Universität Regensburg Aufsehen erregt, da sie ein islamfeindliches Zitat des spätmittelalterlichen byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaiologos enthielt. Wie der Papst später klarstellte und auch viele Islamgelehrte in aller Welt bestätigten, hatte er sich dessen Inhalt nicht zu Eigen gemacht, sondern in seiner Vorlesung zum Dialog aufgefordert. In der Zeit vom 28. November bis 1. Dezember 2006 besuchte das katholische Kirchenoberhaupt die Türkei.
Im Vatikan selbst war in den letzten acht Jahren, abgesehen von einem Spionageskandal rund um den päpstlichen Kammerdiener, eher Ruhe eingekehrt. Der Rücktritt Papst Benedikts XVI. könnte im Zuge der Nachfolgediskussion – das Konklave zur Bestimmung eines Nachfolgers soll unmittelbar nach Eintritt der Sedisvakanz mit Ende der Amtszeit abgehalten werden – noch stärker als vor vier Jahren die Gräben zutage treten lassen als vor acht Jahren.
Auch wenn der Klerus in den einzelnen Weltregionen nicht so homogen ist, wie man es sich von einer stark hierarchisch geprägten Gemeinschaft wie der Katholischen Kirche vorstellen würde, könnte die Herkunftsregion des Benedikt-Nachfolgers Aufschluss geben über den künftigen Weg des Katholizismus.
Kondome wichtiger als Sinnstiftung?
In Westeuropa und Nordamerika hat die Katholische Kirche vor allem mit einem Problem gesellschaftlicher Marginalisierung zu kämpfen. Ein nicht unerheblicher Teil der Gläubigen gehört ihr ausschließlich der Tradition wegen an und weil man die kirchlichen Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen schätzt. Darüber hinaus will man hingegen nicht an Ansehen bei den „aufgeklärten“ Teilen der Gesellschaft einbüßen und hält Fragen wie jene nach einer Lockerung der Vorstellungen zur Sexualmoral oder der Aufhebung des Pflichtzölibates für wichtiger als solche nach religiöser Sinnstiftung oder spirituellen Inhalten und Perspektiven. Innerhalb des katholischen Klerus suchen manche angesichts des politischen und medialen Gegenwindes ihr Heil in einer stärkeren Anpassung an die „moderne“ Lebensart. Ein Papst aus Westeuropa oder Nordamerika würde mit einiger Wahrscheinlichkeit diese Tendenzen verstärken.
In anderen Gegenden der Welt muss sich die Katholische Kirche hingegen weniger einer weltlichen als vielmehr einer stark religiösen Konkurrenz erwehren – in Südamerika gewinnen evangelikale Freikirchen auf Kosten des Katholizismus an Terrain, in Afrika und Asien spielt der Islam eine tragende Rolle. Ein Papst aus Osteuropa oder der südlichen Hemisphäre würde die Katholische Kirche theologisch und spirituell mit hoher Wahrscheinlichkeit konservativer ausrichten – auch um den Preis eines weiteren Bedeutungsverlustes in den westlichen Industriestaaten.
Im für die Katholische Kirche schlimmsten anzunehmenden Fall könnte es sogar zu nationalen oder regionalen Abspaltungen kommen.
Die Erklärung des Papstes im Wortlaut (Quelle: Radio Vatikan):
„Liebe Mitbrüder! Ich habe euch zu diesem Konsistorium nicht nur wegen drei Heiligsprechungen zusammengerufen, sondern auch um euch eine Entscheidung von großer Wichtigkeit für das Leben der Kirche mitzuteilen.
Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben.
Ich bin mir sehr bewusst, dass dieser Dienst wegen seines geistlichen Wesens nicht nur durch Taten und Worte ausgeübt werden darf, sondern nicht weniger durch Leiden und durch Gebet. Aber die Welt, die sich so schnell verändert, wird heute durch Fragen, die für das Leben des Glaubens von großer Bedeutung sind, hin- und hergeworfen. Um trotzdem das Schifflein Petri zu steuern und das Evangelium zu verkünden, ist sowohl die Kraft des Köpers als auch die Kraft des Geistes notwendig, eine Kraft, die in den vergangenen Monaten in mir derart abgenommen hat, dass ich mein Unvermögen erkennen muß, den mir anvertrauten Dienst weiter gut auszuführen.
Im Bewusstsein des Ernstes dieses Aktes erkläre ich daher mit voller Freiheit, auf das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri, das mir durch die Hand der Kardinäle am 19. April 2005 anvertraut wurde, zu verzichten, so dass ab dem 28. Februar 2013, um 20.00 Uhr, der Bischofssitz von Rom, der Stuhl des heiligen Petrus, vakant sein wird und von denen, in deren Zuständigkeit es fällt, das Konklave zur Wahl des neuen Papstes zusammengerufen werden muss.
Liebe Mitbrüder, ich danke euch von ganzem Herzen für alle Liebe und Arbeit, womit ihr mit mir die Last meines Amtes getragen habt, und ich bitte euch um Verzeihung für alle meine Fehler. Nun wollen wir die Heilige Kirche der Sorge des höchsten Hirten, unseres Herrn Jesus Christus, anempfehlen. Und bitten wir seine heilige Mutter Maria, damit sie den Kardinälen bei der Wahl des neuen Papstes mit ihrer mütterlichen Güte beistehe. Was mich selbst betrifft, so möchte ich auch in Zukunft der Heiligen Kirche Gottes mit ganzem Herzen durch ein Leben im Gebet dienen.“ (dtj/dpa)