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Politik

Parteien geben ihre Kandidaten für die Parlamentswahlen bekannt

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Wahlzettel, Stimmzettel auf dem Tisch
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Gemäß der gestern auslaufenden Frist haben die Parteien, die am 7. Juni zu den Parlamentswahlen in der Türkei antreten, gestern beim Hohen Wahlausschuss YSK (Yüksek Seçim Kurulu) ihre vollständigen Kandidatenlisten eingereicht. Diese gelten vorerst als Interimslisten, die bis zum 20. April noch endgültig bestätigt werden müssen, größere Veränderungen sind jedoch nicht mehr zu erwarten.

AKP: Großer personeller Wandel, enger Kreis um Erdoğan aber stark vertreten

Unter den insgesamt 550 nominierten Kandidaten der Regierungspartei finden sich 175 ihrer 312 bisherigen Parlamentsabgeordneten nicht mehr wieder. 70 von ihnen – darunter der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Arınç – können nicht nochmal antreten, da die Parteistatute die Anzahl der Legislaturperioden, die ein Abgeordneter absolvieren darf, auf drei beschränken. Insgesamt treten 99 weibliche Kandidatinnen an. „Aus Prinzip“ wurden keine direkten Verwandten von AKP-Politikern für die Liste nominiert, wie der stellvertretende AKP-Vorsitzende Mustafa Şentop betonte. Dies ist auch eine Referenz an einen Streit um eine eventuelle Kandidatur Osman Gökçeks, des Sohnes von Ankaras Oberbürgermeister Melih Gökçek, der Arınç ablehnend gegenüberstand. Zur Bedeutung Erdoğans, der als Präsident eigentlich zur Überparteilichkeit verpflichtet ist, sagte Şentop, er hätte die Liste „im weiteren Sinne“ beeinflusst, aber „er braucht die Liste nicht zu sehen. Wir machen Politik im Rahmen der Prinzipien, die er festgelegt hat.“ Andere Quellen sprechen jedoch davon, dass Erdoğan zusammen mit Şentop und Ahmet Davutoğlu am Montag noch bis Mitternacht im Präsidentenpalast an der Liste gearbeitet habe, bevor er Dienstagmorgen in den Iran geflogen ist. Insgesamt wird davon ausgegangen, dass keine Vertreter des liberalen Flügels und der alevitischen Gemeinde mehr vertreten sein werden und die Loyalität zu Erdoğan eine größere Bedeutung bei der Auswahl der Kandidaten gespielt habe.

CHP stellt viele Frauen und erstmals eine armenisch-stämmige Kandidatin auf

Die Liste der größten Oppositionspartei stand durch die Vorwahlen am 29. März bereits weitestgehend fest und auch die restlichen 188 der 550 Kandidaten wurden laut Parteisprecher Haluk Koç am 6. April in enger Absprache mit den Ortsverbänden nominiert. Auffällig ist der gestiegene Anteil von Frauen. 103 Kandidatinnen stehen auf größtenteils sehr aussichtreichen Listenplätzen, unter ihnen Zeynep Altıok Akatlı (die Tochter des berühmten Dichters Metin Altıok) und Selina Özuzun Doğan, eine renommierte Anwältin aus der türkisch-armenischen Gemeinschaft. „Doğans Kandidatur ist eine wichtige Nachricht an die Welt. Wir wollen keine Spaltung in dieser Gesellschaft. Wir wollen zusammen wachsen und uns entwickeln.“ kommentierte Parteichef Kemal Kılıçdaroğlu die Personalie. Und nicht nur die Nominierung einer armenisch-stämmigen Kandidatin ist ein Novum, sondern die CHP hat mit Özcan Purçu erstmals einen Vertreter der Roma-Gemeinde auf einen aussichtsreichen Listenplatz gesetzt. Wird er gewählt, was angesichts der lokalen Umfragen als fast sicher gilt, wird er der erste Vertreter der Roma im türkischen Parlament und der dritte in ganz Europa. „Das ist ein Meilenstein für die Roma-Community.“ kommentierte Purçu seine Aufstellung. Auch Parteisprecher Koç betonte die pluralistischere Ausrichtung seiner Partei vor den Wahlen: „Unsere Liste wurde so zusammengestellt, dass sie sowohl alle verschiedenen Regionen als auch alle verschiedenen Glaubensrichtungen des Landes repräsentiert.“

MHP setzt auf renommierte Persönlichkeiten

Die nationalistische MHP (Milliyetci Hareket Partisi) hat sich zum Ziel gesetzt, die Herzen und Köpfe der Wähler durch einige angesehene und respektierte Spitzenkandidaten zu gewinnen. So hat sie für İstanbul Ekmeleddin İhsanoğlu, den ehemaligen Generalsekretär der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), nominiert. İhsanoğlu war bereits im letzten Jahr als gemeinsamer Präsidentschaftskandidat von CHP und MHP gegen Erdoğan angetreten, unterlag diesem jedoch. Er war für eine CHP-Kandidatur vorgesehen, bevorzugte jedoch die MHP. Ein anderer hoch angesehener MHP-Kandidat ist Durmuş Yılmaz, ehemaliger Direktor der Türkischen Zentralbank und einst Wirtschaftsberater des damaligen Präsidenten Abdullah Gül. Zwar habe die Partei die Interessen der anatolischen Ortsverbände in die Kandidatenauswahl einbezogen, doch liege der Fokus von Parteichef Devlet Bahçeli vor allem auf den drei größten Ballungsräumen İstanbul, Ankara und İzmir, auf die im Wahlkampf der Schwerpunkt gelegt werden soll. Für Ankara wurden auch die meisten Führungspersönlichkeiten der Partei nominiert, darunter Şefkat Çetin, Tuğrul Türkeş (der Sohn von Parteigründer Alparslan Türkeş), Zuhal Topçu und Mevlüt Karakaya.

HDP setzt mehr denn je auf Vielfalt und hält bei weitem den größten Frauenanteil

Die vielfältigste Kandidatenliste hat die linke, pro-kurdische HDP vorgelegt, die aufgrund der 10%-Hürde um ihren Einzug bangen muss. Neben Selahattin Demirtaş, Sırrı Süreyya Önder, Osman Baydemir und İdris Baluken umfasst sie Persönlichkeiten wie den armenischen Aktivisten Garo Paylan, den ehemaligen Mufti von Diyarbakır Nimetullah Erdoğmuş, den alevitischen Anwalt Ali Haydar Konca und den ehemaligen stellvertretenden Parteivorsitzenden der AKP Dengir Mir Mehmet Fırat. Auch die in Celle geborene deutsch-türkische Jesidin Feleknas Uca, die bereits von 1999 bis 2009 für Die Linke im Europaparlament saß, wurde nominiert. Die HDP hat mit mehreren Dutzend nicht nur die meisten nichtmuslimischen Kandidaten aufgestellt, sondern mit über 40% auch bei Weitem den höchsten Anteil weiblicher Kandidaten. Der Kurs der Partei, sich für alle Wählerschichten in der Türkei zu öffnen, scheint Früchte zu tragen, zumindest sieht eine Gezici-Umfrage vom 29. März sie bei bis zu 13% der Stimmen.