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Poetry-Slam: „Wir teilen Hashtags, aber keine Trauer“

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Betül Demir ist Poetry Slammerin. Ihre Trauer über am Strand gespülte Kinderleichen, drückt sie in ihrem neuen Peotry-Slam aus.

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Betül Demir ist Poetry Slammerin. Ihre Trauer über am Strand gespülte Kinderleichen, drückt sie in ihrem neuen Peotry-Slam aus.
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Wir teilen Hashtags… aber keine Trauer.

Denken ‘ne Minute über ein Unglück nach,

Aber versuchen es direkt in der nächsten wieder zu vergessen.

Meine Trauer wird nicht an mir, sondern an meinen Likes gemessen

Und zählen wir nicht gerade Likes dann zählen wir Kalorien.

Das einzige was wir heute noch lesen sind Abnehm-Theorien.

Das einzige, was ich von mir noch teile sind – Facebook-Beiträge,

Tue so, als ob ich damit irgendwem helfe,

Tue so, als ob ich damit irgendwen sättige.

 

Wir teilen Hashtags, aber keine Trauer

Empfinden nicht wirklich etwas, wenn wir über den Tod von Menschen lesen,

Weil wir eigentlich nur für uns leben,

Denn wir haben doch auch Probleme.

Wir haben vergessen wie es ist zu fühlen,

Zu versuchen den Schmerz mit Tränen zu kühlen.

Wir können uns nicht vorstellen wie es ist in der ständigen Angst zu leben

Und auf dein letztes Stück Brot zu verzichten,

Um es den Kindern zu geben.

 

Sich von dem Vater drei Mal zu verabschieden,

Denn nur Gott weiß, ob wir heute Abend im Bett oder im Grab liegen.

Wir wissen nicht, wie hart es ist sich zu entscheiden zu gehen.

Wie hart es ist, die Menschen die man liebt zurück zu lassen.

Und sich selbst jeden verdammten Tag dafür zu hassen…

Dass man ging.

 

Wie hart es ist ohne die geliebten zu gehen

– Und sich dabei zu fragen werde ich selber überhaupt diese Reise überleben.

Die Entscheidung zu gehen, weil man es leid war ihre Bomben zu hören

– Und Leichen in den Händen zu halten,

Weil du nicht mehr wolltest, dass sie die Menschen spalten,

Weil du dich weigertest ihre Waffen in deinen Händen zu halten.

Du ihre Ideologien verachtest,

Das ihnen egal ist und sie dich nicht mal wie einen Menschen behandeln.

 

Du vergessen hast wie es ist sorglos in den Tag zu starten

– Und was du heute anziehst war mal die wichtigste Frage.

Heute willst du nur noch ein bisschen Frieden

Und, dass die Menschen endlich aufhören sich zu bekriegen,

Denn wir bluten und sterben doch alle gleich,

Egal ob deine Hautfarbe von meiner abweicht,

Egal welche Sprache du sprichst, wenn dich das Messer sticht,

Dann sterben wir, und zwar alle gleich.

 

Ja, wir teilen Hashtags, aber keine Trauer,

Weil uns „das belesen“ zu lange dauert.

Wir wollen uns eigentlich gar nicht mit dem Thema befassen,

Aber das twittern können wir auch nicht lassen,

Denn man kann ja nichts unkommentiert lassen

– Und meine Meinung zu allem muss sich googeln lassen,

Weil ich mein, dass ich es besser kann.

 

Kauf mir Jute Beutel mit der Aufschrift: Refugees Welcome!

Aber wenn dann neben mir ein Bedürftiger steht,

Wird elegant der Kopf verdreht,

Weil ich Angst hab, dass er wohl möglich um Hilfe fleht.

Irgendeiner wird ihm schon Hilfe leisten

– Und wenn nicht leben wir in einem Land mit sozialen Leistungen,

Die werden ihn schon irgendwie über die Runden bringen.

So kann ich meinen Abend wieder mit dem Dschungel Camp verbringen

Aber ganz ehrlich wer weiß eigentlich wie viel Zeit wir überhaupt noch haben?

Stell dir vor das hier wäre deine letzten Tage,

Würdest du wieder über dieselben Dinge plagen?

-Und über die Sorgen wieder einen Filter legen?

Wäre dein Smartphone nun Fluch oder Segen?

Denn heutzutage haben wir Follower, aber keine Freunde!

Likes, aber keine Freude!

 

Wir laufen und von Attraktion zu Attraktion,

Auf der Suche nach dem nächsten Kick…aber alles so ganz ohne Emotion.

Das hier ist `ne ganz andere Dimension,

Die Likes werden zu unserer Religion.

Die Follower zu unserem Thron.

Unser Twitter-Account zu unserer eigenen kleinen Redaktion,

Denn heutzutage wissen wir alles besser.

 

Zu jedem Thema haben wir was zu sagen und rennen dabei oft ins offene Messer.

Ja, ich wäre gerne so wie fair und friedfertig wie meine Facebook-Post,

Und so makellos wie meine Instabilder.

Ich wäre gern Farbenblind wenn es um Hautfarben geht,

Und wünschte würde verstehen, dass Schweigen auch schon als Mitschuld zählt.

Ich wünschte ich würde verstehen, dass jeder den Weg zu einer besseren Welt mitprägt.

Ich wünschte ich würde auch helfen wenn die Kamera sich gerade wegdreht.

Und nicht einer von denen sein, der jede gute Tat auf Facebook teilt,

Und sich dann an den Reaktionen ergeilt.

 

Ich wünschte ich könnte erst mal mich selber wach rütteln und verstehen

Für eine bessere Welt, reicht es nicht nur große Worte ins Netz zu stellen

Nein! Ich muss erstmal den Fehler an mir selber feststellen.

Ich wünschte ich würde verstehen, dass solange ich atme es noch nicht zu spät ist

Ich wünschte du würdest verstehen, dass du immer nur von der besseren Welt redest

Aber was tust du dafür und was tue ich?

Zähle mich als Mensch, aber wo bleibt meine Menschlichkeit?

 

Wann sehe ich ein, dass Bilder von toten Kindern und leidenden Menschen auf Facebook zu teilen nicht ausreicht.

Und wenn dass doch auch Menschen sind was mache ich dann gerade mit ihrer Würde?

Ich könnte bestimmt auch irgendwie helfen,

Aber mein innerer Schweinehund ist immer noch meine größte Hürde!

Plagen über die Gier der Superreichen,

Aber haben wir das recht, wenn wir in den Augen der Ärmeren selbst reich sind?

 

Und was ist das für eine Gier, wenn den Welthunger 100 Menschen stillen könnten,

Die aber zu beschäftigt sind mit ihrem Jetset-Leben …. #gönnen

Was haben wir falsch gemacht, dass wir nicht die Armen sondern die Reichen nicht sättigen können?