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Bildung & Forschung

PISA-Rückschlag für Deutschland und die Türkei

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Kein Schulvergleichstest wird so genau gelesen wie die PISA-Studie. Nach der neuesten OECD-Erhebung scheint es für Deutschland mit dem beruhigenden Aufwärtstrend nach dem „PISA-Schock“ vorbei zu sein. Die Türkei rutscht nach zuletzt aufsteigender Form ebenfalls ab.

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Schüler im Klassenzimmer lauschen einem Vortrag ihres Lehrers.
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Das deutsche Bildungssystem hat beim weltweiten Schulvergleichstest „PISA 2015“ einen Rückschlag erlitten. Die 15-jährigen Schüler erzielten in Naturwissenschaften und Mathematik schlechtere Ergebnisse als drei und sechs Jahre zuvor, blieben aber mit ihren Leistungen im oberen Drittel der internationalen Rangliste. Im Testbereich Lesekompetenz ging es bei der Punktzahl leicht aufwärts, wie am Dienstag die für PISA zuständige Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mitteilte.

OECD-Experte Heino von Meyer fasste den Befund für das deutsche Bildungssystem nach der sechsten PISA-Studie in Berlin so zusammen: „Deutschland hat das Jammertal des PISA-Schocks von 2001 verlassen“ – es befinde sich aber nun lediglich auf einem „Hochplateau des oberen Mittelfeldes“ ohne spürbare Reformdynamik. Der „PISA-Schock“ von 2001 mit miserablen Test-Ergebnissen hatte zahlreiche Bildungsreformen zur Folge.

Deutschland kam in Naturwissenschaften, dem PISA-Schwerpunktfach 2015, auf 509 Punkte (2012: 524), in Mathematik auf 506 (514), in Lesekompetenz/Textverständnis auf 509 (508). Hier schnitten die 15-Jährigen so gut ab wie nie zuvor. Insgesamt nahm gut eine halbe Million Mädchen und Jungen aus rund 70 Staaten und Großregionen an „PISA 2015“ teil, erstmals auch im Bereich Problemlösen im Team als Indikator für soziale Kompetenz (hier geht zu den detaillierten Ergebnissen der Studie).

Trotz des ersten Leistungsknicks nach jahrelangem Aufwärtstrend beim „Programme for International Student Assessment“ (PISA) steht Deutschland alles in allem solide im Vorderfeld der Ränge 10 bis 20. Die Leistungen der im April/Mai 2015 getesteten gut 10 000 Mädchen und Jungen lagen auch weiterhin jeweils über dem Durchschnitt der OECD-Staaten. Jeder Neunte (11 Prozent) brachte bei „PISA 2015“ Spitzenleistungen – drei Prozentpunkte über OECD-Niveau.

Singapur überragt alle

PISA-Testsieger mit klarem Abstand ist wieder Singapur: In den Naturwissenschaften liegt der südostasiatische Insel- und Stadtstaat mit 556 Punkten vor Japan (538) und Estland (534) als bestem europäischen Land. In Mathematik rangiert Singapur mit 564 Punkten vor den chinesischen Großregionen Hongkong (548) und Macao (544), in Lesekompetenz mit 535 Punkten vor Kanada und Hongkong (jeweils 527) sowie dem langjährigen europäischen PISA-Champion Finnland (526).

Die Türkei fand sich im unteren Mittelfeld wieder und kam auf 425 (Naturwissenschaften), 428 (Lesekompetenz) und 420 Punkte (Mathematik). Damit wurden schlechtere Werte erreicht als noch vor zwölf Jahren. Die Leistungen der türkischen Schüler befanden sich seit 2004 auf dem aufsteigenden Ast.

Insgesamt gingen die Punktzahlen nicht nur für die 15-Jährigen von Deutschland und der Türkei, sondern auch bei vielen anderen, im „PISA-2015“-Ranking teils besser platzierten Teilnehmerländern und -regionen herunter. Dies betraf beispielsweise die Schweiz (minus 17 Punkte bei Lesekompetenz), Österreich (minus 11 in Naturwissenschaften) oder die Niederlande (minus 11 in Mathematik). Frankreich erreichte sogar in keinem einzigen Teilbereich 500 Punkte. Und die USA stürzten etwa in Mathematik von vorher schon mäßigen 481 Punkten auf 470 ab.

Der OECD-Durchschnitt sank in Naturwissenschaften im Vergleich zu 2012 von 501 auf 493 PISA-Punkte, in Mathematik von 494 auf 490 und in Lesekompetenz von 496 auf 493.

Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildung weiterhin vorhanden

Für Deutschland stellt der aktuelle PISA-Report der OECD fest, dass hierzulande der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildung weiterhin vorhanden ist. Allerdings habe sich die Kluft zwischen Schülern aus sozial gutgestellten, bildungsnahen Elternhäusern auf der einen Seite und ärmeren, bildungsferneren Haushalten auf der anderen Seite in den vergangenen zehn Jahren etwas verringert.

Weiterhin gibt es viele „Risikoschüler“ mit sehr schwachen PISA-Leistungen, so erreichten in Lesekompetenz 16 Prozent nicht einmal die zweite von fünf Leistungsstufen. In Deutschland sind weniger Mädchen sehr gut in Naturwissenschaften als in vergleichbaren Ländern – und selbst leistungsstarke Mädchen gehen zu selten davon aus, dass dieser Bereich für sie beruflich in Frage kommt.

Zu dem für Deutschland seit langem viel diskutierten Thema der Schüler mit einem Migrationshintergrund schreibt die OECD in ihrer neuen Studie: Diese Mädchen und Jungen liegen zwar 72 PISA-Punkte (das ist der Lernerfolg von zwei Schuljahren) unter dem Niveau von Schülern, deren Eltern hier geboren wurden. Rechnet man aber den oft schwachen sozialen Status inklusive Bildungsferne der Elternhäuser als schulische Hypothek heraus, dann verringert sich der Kompetenzabstand von Kindern mit einem Migrationshintergrund auf 28 Punkte.

Die PISA-Studie wird alle vier Jahre durchgeführt.

dpa/dtj