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Politik

PKK und Frieden – geht das?

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Am Tag der Feierlichkeiten zum Newrozfest in Diyarbakır (Amed), eine der größten Städte im Osten der Türkei, wurde in diesem Jahr Geschichte geschrieben. Um den Frieden zu stabilisieren, bedarf es aber auch einer neuen Verfassung. (Foto: epa)

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PKK und Frieden - geht das?
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Am diesjährigen Tag des Newroz-Festes wurde ein entscheidender Schritt zur Beendigung des Krieges im Osten der Türkei getan, der 35.000 Menschen das Leben gekostet und finanzielle Kosten im Höhe von 400 Milliarden US-$ verschlungen hat.

Zu Hunderttausenden feierten Kurden mit unbändiger Freude ihr Neujahrsfest, in der Hoffnung, dass von nun an der Frieden dauerhaft sein würde und dass sie nie wieder zwischen die Fronten des bewaffneten Konflikts zwischen türkischen Sicherheitskräften und PKK-Terroristen geraten würden. Auch die übergroße Mehrheit im Rest des Landes, mit Ausnahme jener, denen ein weiteres Blutvergießen Gewinn bringen würde, freute sich über die Entwicklung.

Abdullah Öcalan, der inhaftierte Führer der Terrororganisation, ließ gegenüber der feiernden Menge einen Brief verlesen, in dem er den PKK-Kämpfern befahl, die Waffen ruhen zu lassen und sich aus dem türkischen Territorium zurückzuziehen. „Wir haben den Punkt erreicht, an dem die Waffen schweigen sollten und an ihrer Stelle die Ideen und die Politik sprechen sollten“, so Öcalan. Er bezog sich damit eindeutig auf die Aussagen des Premierministers Erdoğan am Ende des letzten Jahres. Dass Erdoğan und Öcalan nunmehr symbolisch am gleichen Punkt angekommen sind, ist Ausdruck dafür, dass beide Seiten nun anerkennen, dass es eine militärische Lösung des Kurdenkonflikts nicht geben kann und dass beide durch die Gespräche als Sieger dastehen.

Militär verhinderte frühere Friedenslösungen

Wir sind an diesem Punkt allerdings nicht zuletzt deshalb angelangt, weil sich sowohl der türkische Staat als auch die Terrorgruppe im Laufe der Jahrzehnte des Konflikts verändert haben. Blicken wir zurück: Bis zum Ende des Kalten Krieges war die Politik der „militärischen Lösung“ die vorherrschende in Ankara. Sie bedeutete, dass die Existenz von Kurden als solchen geleugnet wurde; diese waren einer Politik der brutalen Zwangsassimilation unterworfen, wer daran Anstoß nahm, wurde streng bestraft, und selbst die irakischen Kurden wurden als Feinde betrachtet.

Mit Anfang der 90er-Jahre kamen erste Anzeichen für eine „zivile Lösung” aus Ankara. Die Sozialdemokratische Volkspartei (SHP) veröffentlichte einen „Südost-Report“, in dem über Kurden und deren Volksgruppenrechte geschrieben wurde. Präsident Turgut Özal hob das Verbot, Kurdisch zu sprechen, auf. Er verkündete, seine Mutter sei Kurdin gewesen und stieß eine Debatte über Föderalismus an, während er den Dialog mit Öcalan im Bekaa-Tal suchte. Der frühere Präsident Süleyman Demirel kündigte an, man würde „die kurdische Realität anerkennen“. Die frühere Premierministerin Tansu Çiller murmelte etwas von einem „baskischen Modell“. Der frühere Premierminister Mesut Yılmaz betonte, der Weg in die Europäische Union führe über Diyarbakir. Selbst der frühere Premierminister Necmettin Erbakan unternahm einen Dialogversuch mit Öcalan. Immer mussten sich die früheren Ministerpräsidenten jedoch den kemalistischen Hardlinern in der Armee beugen und so wurde der in den 80er-Jahren noch kleinräumigere Bürgerkrieg im Laufe der 90er-Jahre richtig schmutzig.

Es war Erdoğan, der dort anknüpfte, wo Özal aufgehört hatte und sich, nachdem er das Militär unter seine Kontrolle gebracht hatte, dazu entschloss, einen “zivilen” Zugang zur Lösung des Kurdenkonflikts zu unternehmen. Die Verleugnung der Existenz eines kurdischen Volkes hatte ein Ende. Es wurden Maßnahmen gegen die Zwangsassimilation unternommen, die von kurdischen Radioprogrammen bis hin zu kurdischen Wahlfachkursen an öffentlichen Schulen reichten.

Weg vom Nationalismus, hin zur neuen Verfassung

In Kürze in Kraft tretende Änderungen des Anti-Terror-Gesetzes werden noch bestehende Restriktionen beseitigen, die der gewaltfreien Äußerung kurdischer Forderungen entgegenstanden. Enge politische und wirtschaftliche Bande wurden zur Kurdischen Regionalregierung im Irak geknüpft. Und am Ende wurden die Friedensgespräche mit der PKK in die Wege geleitet.

Auch die PKK hat sich verändert. Zum Zeitpunkt ihrer Gründung im Jahre 1978 strebte sie noch die Vereinigung aller Kurden des Mittleren Ostens unter dem Banner eines marxistisch-leninistischen Kurdistans an. Mit den Realitäten auf dem Boden konfrontiert, schwor man erst dem Marxismus-Leninismus und später dem Pankurdismus ab, um am Ende nur noch für eine Autonomie der türkischen Kurden zu kämpfen.

Und am Ende wollte man, so sich die Möglichkeit bieten sollte, den bewaffneten Aufstand durch einen legalen, politischen Einsatz für die Rechte der Kurden ersetzen. Öcalans letztes Statement deutet auch darauf hin, dass man nicht länger einen kurdischen Nationalstaat anstrebe, sondern auf der Suche nach einem Modell wäre, das es Menschen unabhängig von ihrer ethnischen und religiösen Identität ermöglichen soll, Seite an Seite in einem freien Gemeinwesen zu leben.

Auf diese Weise konnte ein bedeutender Schritt auf dem Weg zum türkisch-kurdischen Frieden gesetzt werden. Um den Frieden dauerhaft Wurzeln schlagen zu lassen, ist es jetzt nötig, dass auf beiden Seiten die Waffen schweigen und eine neue Verfassung verabschiedet wird, die nicht mehr auf dem Kemalismus, sondern auf einer liberalen und pluralistischen Demokratie fußt und sicherstellt, dass die demokratischen Rechte kurdischer Staatsbürger der Türkei garantiert werden.

Autoreninfo: Şahin Alpay (*1944 in Balıkesir) ist ein türkischer Schriftsteller, Kolumnist und Buchautor. Der Politikwissenschaftler promovierte an der Universität Stockholm in Schweden. Nachdem er für Cumhuriyet, Sabah und Milliyet gearbeitet hatte, ist er heute Moderator bei CNN Türk und schreibt Kommentare für die Zeitung Zaman.