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Kolumnen

Wenn Lobbyisten selbst die Gesetze machen

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Nur das Datum war ein Hoax des „Postillon“, die Meldung selbst war Realsatire: Ronald Pofalla wollte aus privaten Gründen kürzer treten, jetzt wird er Bahnlobbyist in Brüssel – unter Beibehaltung seines Berliner Bundestagsmandats. (Foto: dpa)

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Erst wechselte Staatsminister Eckart von Klaeden als Cheflobbyist zu Daimler, jetzt will der bisherige Kanzleramtschef Ronald Pofalla als Cheflobbyist der Bahn nach Brüssel. Beide Fälle rühren an der Frage, wie eng die Bande zwischen Wirtschaft und Politik sein dürfen. Bei von Klaeden kommt freilich noch der Verdacht hinzu, er habe seinem heutigen Arbeitgeber Daimler bereits während seiner Zeit als Staatsminister geholfen, einen Milliardendeal mit dem Bund einzufädeln.  Aus diesem Grund ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft gegen Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Gegen solche Vorwürfe muss sich Pofalla nicht wehren. Er steht seinerseits nun allerdings in dem Ruf, endlich aus seinen politischen Verbindungen und Einflussmöglichkeiten Kapital schlagen zu wollen. Als sein Abschied aus dem Kanzleramt bekannt wurde, nannte er freilich einen anderen Grund für seinen Wechsel. Dieser Grund heißt Nina Hebisch. Sie ist 32 Jahre alt und Rechtsanwältin in Düsseldorf. Hebisch ist Pofallas neue Lebensgefährtin. Weil er schon zwei gescheiterte Ehen hinter sich habe, wolle er sich nun mehr Zeit fürs Private nehmen, verbreitete Pofalla.

Sollte er das auch seiner neuen Freundin erzählt haben, dürfte die sich nun ganz schön verschaukelt vorkommen. Schließlich will Pofalla nicht nur für die Bahn in Brüssel Klinken putzen, sondern auch noch sein Mandat als Bundestagsabgeordneter behalten. Das heißt, er muss künftig zwischen Brüssel, seinem Wahlkreis und Berlin pendeln. Da kann seine Freundin ja froh sein, dass Düsseldorf auf der Strecke liegt.

Der amtierende Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) nimmt am 08.11.2013 an der Sitzung des Bundesrates in Berlin teil.

Parlamente und ihre Kontrollfunktion

Wenn wir über die Frage diskutieren, ob Politiker in die freie Wirtschaft wechseln und dort ihr in der Politik gesammeltes Wissen einbringen, müssen wir auch über die Rolle der Parlamente sprechen. Denn sie sind es, die Regierungen kontrollieren und Lobbyisten abwehren sollten. Sie spielen also in der Frage der Einflussnahme auf die Politik eine entscheidende Rolle. Parlamente sind neben ihrer Aufgabe als Ort der Debatte und der Gesetzgebung das natürliche Abwehrsystem der Demokratie.

Würde dieses Abwehrsystem funktionieren, könnten noch so viele Pofallas als Lobbyisten in die Wirtschaft wechseln, von ihnen ginge keine Gefahr für die Demokratie aus, denn sie würden ja von den Parlamenten ausgebremst.

Leider funktioniert dieses Abwehrsystem schon lange nicht mehr. Erstens sind die Abgeordneten über die Jahre hinweg immer mehr zum Stimmvieh der Regierung degeneriert. Und das gilt nicht nur für die Mitglieder der Regierungsfraktionen. In der Euro-Krise hat sich auch die Opposition von der schwarz-gelben Koalition überfahren lassen. Wiederholt musste das Verfassungsgericht die Rechte des Parlaments wiederherstellen.

Bankenanwälte formulieren Rettungsschirm-Regelungen aus

Auch gegenüber Lobbyisten sind die Abgeordneten längst eingeknickt. Die Vertreter der Wirtschaft und der Finanzindustrie überreden die Abgeordneten nicht nur beim Lunch oder Abendessen in teuren Restaurants, sondern werden sogar als Experten in die Ausschüsse des Bundestages geladen. Doch damit nicht genug. Als die Gesetze für die Euro-Rettungspolitik geschrieben wurden, engagierten Regierung und Bundestag  ausgerechnet jene internationalen Anwaltskanzleien, die ihr Geld bei den Großbanken dieser Welt verdienen und allein deren Interessen vertreten.

Das allein ist schon skandalös. Aber der Gipfel dieses Verrats an den Interessen der Bürger ist dann erreicht, wenn, wie im Fall von Ronald Pofalla, der Lobbyist sogar als Abgeordneter im Bundestag sitzt! Wenn er auch nur einen Funken Ehrgefühl besäße, würde er sein Mandat auf der Stelle niederlegen.