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Gesellschaft

„Türken jagen“ – Studie legt Rassismus bei der Polizei offen

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Eine Studie der Universität Bochum offenbart: Rassistisches Verhalten ist unter Polizisten kein „Einzelfall“, wie immer wieder durch die Behörden nahegelegt wird. Diskriminierung treffe vor allem Menschen, die keine weiße Hautfarbe haben. Die Polizeigewerkschaft wehrt sich gegen die Vorwürfe. Ihr Chef Rainer Wendt bezeichnet die Ergebnisse als „üble Stimmungsmache“. 

„Heute gehen wir Türken jagen“: Von diesem Satz seiner Amtskollegen berichtete ein Polizeibeamter gegenüber Forschern der Ruhr-Universität Bochum. Den Wissenschaftlern zufolge, die eine bundesweite Studie zum Verhalten von Polizeibeamten im Dienst durchführten, ist das kein Einzelfall.

Im Gegenteil. Die Ergebnisse der Studie „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamte“ liefert zahlreiche Hinweise auf rassistisches Verhalten von Polizisten. Insgesamt wurden 3370 Menschen befragt und 63 Experteninterviews geführt. Professor Tobias Singelnstein von der Ruhr-Uni ist überzeugt: „Es gibt ein strukturelles Problem der polizeilichen Praxis.“ Denn mutmaßliche Opfer rechtswidriger Polizeigewalt hätten von eindeutig rassistischen, antisemitischen und islamfeindlichen Beleidigungen berichtet.

„Affenmädchen“ und überzogene Härte

„Es gibt eine gezielte Abwertung von Menschen mit Migrationshintergrund und People of Colour“, berichtet Singelnstein weiter. Eine Befragte habe berichtet, sie sei von Polizisten als „Affenmädchen“ bezeichnet worden. Die meisten Betroffenen hätten bei Großveranstaltungen Erfahrungen mit Polizeigewalt gemacht.

Ein befragter Polizist gab zu Protokoll, dass Streifenbeamte gezielt auf die Suche nach türkischstämmigen Bürgern gingen. Geringes Fehlverhalten, wie ein vergessenes Blinksignal im Straßenverkehr, würden aufgebauscht und mit überzogener Härte geahndet. Ein weiterer Beamter erklärte selbstkritisch, dass er Gebiete mit hohem Migrantenanteil „nicht völlig neutral“ betrete. In solchen Vierteln ahnde er kleinere Vergehen härter.

Wahrheit oder „schlimme Kampagne“ gegen die Polizei

Besonders problematisch sei, dass vielen Betroffenen von Polizeigewalt von einer Anzeige gegen Polizeibeamte abgeraten werde – von anderen Polizisten oder Beratungsstellen. In einem Fünftel der Fälle wurde Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe die Anzeige gegen Polizisten sogar verweigert. Tatsächlich verläuft die Aufarbeitung polizeilicher Gewalt durch Staatsanwaltschaften und Gerichte in vielen Fällen schleppend.

Dazu passt: Die Sicherheitsorgane der Bundesrepublik erkennen das Problem rassistischer Diskriminierung durch Polizeibeamte nicht an. Ihr oberster Dienstherr, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), blockiert – trotz vereinzelter Vorstöße seiner Amtskollegen in den Bundesländern – seit Monaten eine bundesweite Rassismusstudie.

Hinzu kommt: Die Polizei selbst möchte von Rassismus in den eigenen Reihen nichts wissen. So sprach der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, nach Veröffentlichung der Studie von „übler Stimmungsmache“ und einer „schlimmen Kampagne“ gegen die Polizei.

Die Ergebnisse der 2018 und 2019 durchgeführten Onlinebefragung sind trotz der 3370 Teilnehmenden nicht repräsentativ. Die 63 Experteninterviews fanden zwischen 2019 und 2020 statt.

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