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Politik

„Wir sind alle schuld, wenn ein 12-jähriger zum Terroristen wird“

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Der neu ernannte Polizeichef von Diyarbakır, Recep Güven, spricht mit Journalisten über das traurige Schicksal der Jugendlichen, die sich der PKK anschließen. Er bricht damit ein Tabu.

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„Wir sind alle schuld, wenn ein 12-jähriger zum Terroristen wird“
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Der neu ernannte Polizeichef von Diyarbakır, Recep Güven, sagte am Sonntag, jeder trage bis zu einem gewissen Maß dafür Verantwortung, wenn Jugendliche den folgenschweren Schritt gehen, sich der PKK anzuschließen. Die Region um Diyarbakır hätte in ihrer reichen Vergangenheit viele herausragende Persönlichkeiten hervorgebracht, wohingegen heute auf Grund von fehlender Betreuung und Kontrolle „Monster“ herangezogen würden, so Güven.

„Der Grund ist unser Versagen, wenn es darum geht, die Menschen zu erreichen und angemessen zu versorgen, kein anderer. Wenn ein Jugendlicher in die Berge geht, tragen wir alle die Verantwortung dafür. Wie könnten wir da keine Selbstkritik üben?“, sagte Güven, der in den 90er-Jahren fünf Jahre lang als Geheimdienstoffizier in Diyarbakır tätig war und kürzlich aus der Region Siirt in die Stadt zurückkehrte, um dort als Polizeichef zu arbeiten. Er sagte, er habe Hunderte von Geheimdienstberichten über die Leben der Jugendlichen gelesen, die sich der PKK angeschlossen hatten und sei zu dem Schluss gekommen, dass diese Individuen auf Grund der kaputten Verhältnisse, aus denen sie stammten, zu Terroristen wurden.

Güven erzählt von seinen Erfahrungen: „Diese Kinder schrieben: ‚Ich will meinen Beitrag zu unserem Unabhängigkeitskrieg leisten.‘ Das war ihr endgültiger Entschluss. Wenn ich einen von ihnen frage, wie alt er sei, sagt er: ’12‘. Sein Vater ist arbeitslos und schlägt seine Mutter. Das soziale Umfeld ist schrecklich. Er kann dieses Leben nicht einfach so weiterführen. Also sagt er ‚Ich werde kämpfen‘. Er flieht vor den Verhältnissen, in denen er leben muss. Wenn ich einer dieser Gründe bin, warum er flieht, dann bist auch Du einer. Das heißt, es herrscht ein Problem in unserer Gesellschaft. Wenn wir das noch nicht einmal erwähnen, wie sollen wir es denn dann jemals lösen?“
Der Polizeichef, der sich mit Journalisten in einem Kaffeehaus in der Stadt traf, sagte außerdem: „ Wenn man keine Träne für den Terroristen vergießt, der sein Leben in den Bergen verliert, ist man nicht menschlich. Es ist nicht das Land, was zuerst kommt, sondern das Volk.“

Seit 1984 verloren in der Türkei über 40.000 Menschen ihr Leben durch den Konflikt der PKK mit dem türkischen Militär. Die kurdische Gruppe wird international als Terrororganisation eingestuft. Güvens Aussagen stehen in krassem Widerspruch zur Staatsräson des Landes, die es verbietet, Mitgefühl oder Anteilnahme mit Blick auf das Schicksal der kurdischen Kämpfer zu zeigen.