Connect with us

Politik

Georgien vor erstem demokratischem Wechsel

Spread the love

Georgien vor der Wahl: Die Südkaukasusrepublik entscheidet kommenden Sonntag über einen Nachfolger für Michail Saakaschwili. Der gefallene Held muss Platz machen. (Foto: cihan)

Published

on

Georgiens Staatschef Michail Saakaschwili am 13.10.2013 in der westtürkischen Stadt Kocaeli.
Spread the love

Erstmals steht Georgien vor einem demokratischen Wechsel an der Staatsspitze. Die Wahl am kommenden Sonntag markiert das Ende einer politischen Ära: Nach knapp zehn Jahren tritt Präsident Michail Saakaschwili (Foto) in der Ex-Sowjetrepublik Georgien gezwungenermaßen ab. Einst als gefeierter Held mit der Rosenrevolution 2003 an die Macht gekommen, hatte der westlich geprägte Saakaschwili Hoffnungen auf einen demokratischen Wandel genährt. Nun werfen Kritiker dem 45-Jährigen immer autoritärere Züge und Selbstverliebtheit vor.

Am kommenden Sonntag (27. Oktober) entscheiden rund 3,5 Millionen Wahlberechtigte über die Nachfolge des charismatischen Politikers. Nach zwei Amtszeiten darf Saakaschwili gemäß der Verfassung nicht mehr im Land am Schwarzen Meer kandidieren.

Gerade nach dem verlorenen blutigen Südkaukasuskrieg gegen Russland 2008, für den selbst die EU Saakaschwili verantwortlich macht, fing sein Stern an zu sinken. So richtig begann die Operation Machtwechsel aber vor einem Jahr, als Saakaschwilis Partei die Parlamentswahl überraschend gegen den superreichen Herausforderer Bidsina Iwanischwili und dessen Allianz „Georgischer Traum“ verlor.

Kandidat Margwelaschwili: „Es wird keine Stichwahl geben“

Als aussichtsreichster Kandidat unter den 23 Bewerbern für die Saakaschwili-Nachfolge gilt der bisherige Bildungsminister Georgi Margwelaschwili, ein enger Vertrauter Iwanischwilis. Umfragen sehen ihn bei rund 55 Prozent der Stimmen. Damit liegt der 44-Jährige klar vor Saakaschwilis Kandidaten, dem früheren Parlamentspräsidenten David Bakradse. Ein weiterer bekannter Name im Rennen ist Nino Burdschanadse, ebenfalls Ex-Parlamentspräsidentin.

„Es wird keine Stichwahl geben“, sagt Margwelaschwili selbstbewusst. Kritiker warnen aber vor neuem Politgeschacher und Kungelei, falls Staatschef und Ministerpräsident aus derselben Partei stammen.

Der neue Präsident aber wird vor allem Repräsentant sein wie in Deutschland. Eine Verfassungsänderung überträgt nach der Wahl wichtige Befugnisse des Staatschefs auf den Ministerpräsidenten. Milliardär Iwanischwili wird dann zum Politiker mit der größten Machtfülle – wenn wohl auch nur für kurze Zeit. Als durchaus kurios mutet an, dass der 57-Jährige sich noch vor Jahresende zurückziehen will, da er seine Aufgabe als erfüllt ansieht. Einen Nachfolger habe er schon im Auge, meint Iwanischwili. Namen verrät er nicht.

Von Europäischer Union und NATO betreut, hat der reichste Mann des Landes am Westkurs festgehalten. Zugleich aber sucht er eine Annäherung an den großen Nachbarn Russland – unter Saakaschwili das Feindbild Nummer Eins. Eine Einigung über die von Tiflis abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien, deren Unabhängigkeit Moskau nach dem Südkaukasuskrieg trotz internationaler Kritik anerkannt hatte, scheint zwar kaum möglich. Aber es gibt Ansätze, zumindest den Handel wieder in Schwung zu bringen.

Hoffnung auf politische Entspannung

In der Innenpolitik lobt EU-Sonderbeauftragter Thomas Hammarberg Reformen, er mahnt aber auch weitere Verbesserungen in dem Land von der Größe Bayerns an. So prangert die Opposition immer wieder „Racheurteile“ gegen Vertraute Saakaschwilis an. Dem scheidenden Präsidenten selbst hat Iwanischwili zugesichert, ihn in Ruhe zu lassen. Zunächst einmal, so heißt es in Tiflis, will Saakaschwili in die USA gehen, wo er einst studierte, und dort Vorlesungen halten.

In Georgien wird darauf gesetzt, dass sich die oft aufgeheizte Lage durch den ersten demokratischen Wechsel an der Staatsspitze entspannt. „Seit der Unabhängigkeit 1991 regierten stets starke Persönlichkeiten. Aber sobald die weg waren, wurde es chaotisch“, meint Justizministerin Tea Zulukiani. „Wir brauchen keine Personen, wir brauchen Institutionen.“

Georgien hatte seit Erlangung der Unabhängigkeit stets Persönlichkeiten an der Spitze, die früher oder später durch autoritäre Tendenzen Spaltung bewirkten und zum Teil bürgerkriegsähnliche Zustände geschaffen hatten. Einer davon war der antirussische, nationalistische Anthroposoph Swiad Gamsachurdia, der bis 1993 regierte und nach einem Militärputsch unter ungeklärten Umständen ums Leben kam. Auf ihn folgte der postkommunistische frühere Außenminister Eduard Schewardnadse, der 2003 im Zuge der Rosenrevolution zwar den Ausnahmezustand ausgerufen hatte, aber dann doch aus freien Stücken einer Neuordnung Platz machte.

Georgien ist neben Aserbaidschan ein wichtiger Partner der Türkei in der Kaukasusregion.