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Politik

„Russland wünscht sich einen Sieg von Erdoğan“

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In Russland verfolgt man den Wahlkampf zu den Präsidentschaftswahlen in der Türkei gelassen. Jeder der drei Kandidaten steht auf seine Weise für eine positive Weiterentwicklung der türkisch-russischen Beziehungen, heißt es in Moskau. (Foto: cihan)

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Putin und Erdogan.
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Auch in russischen Medien macht man sich Gedanken darüber, wie sich die Präsidentschaftswahlen in der Türkei auf das in den letzten Jahren trotz einiger Meinungsverschiedenheiten – etwa im Zusammenhang mit dem Syrienkrieg – sehr entspannte türkisch-russische Verhältnis auswirken wird.

Fjodor Lukjanow, Chefredakteur des Magazins „Russia in Global Affairs“ und Leiter der russischen Denkfabrik „Beirat für Außen- und Verteidigungspolitik“, äußerte sich gegenüber der „Stimme Russlands“ sehr zuversichtlich dahingehend, dass die Beziehungen zwischen Russland und der Türkei positiv bleiben würden. In diesem Zusammenhang bringt er zum Ausdruck, dass ein Sieg des amtierenden Premierministers Recep Tayyip Erdoğan bei den Präsidentschaftswahlen im August durchaus im Interesse der Russischen Föderation wäre.

„Generell wurde das russisch-türkische Verhältnis unter Erdoğan deutlich ausgebaut“, betont Lukjanow. „Das geht aus meiner Sicht auf die konstruktiven und sachlichen Beziehungen zwischen Putin und Erdoğan zurück. In diesem Sinne hat Russland keine Gründe, einen Machtwechsel in der Türkei zu wünschen. Beide Länder sind derzeit miteinander wirtschaftlich fest verbunden. Im 20. Jahrhundert war die Türkei ein südlicher Vorposten der Nato-Eindämmungspolitik gegen Russland. Doch eine Rückkehr zu jenen Zeiten halte ich für nicht mehr möglich. Denn es gab seitdem zu viele Veränderungen. Für die Türkei wäre es ein Verstoß gegen ihre eigenen Interessen, wenn sie sich nun völlig an den USA orientieren würde.“

Allerdings wäre auch ein Sieg des aussichtsreichsten Herausforderers, Ekmeleddin İhsanoğlu, für die Russische Föderation nicht von Nachteil. So äußerte sich Walerij Kononow, Experte des Auswärtigen Ausschusses im Föderationsrat, dem russischen Oberhaus, und Mitglied des russisch-türkischen Geschäftsrates, wie folgt über den Kandidaten der größten türkischen Oppositionsparteien:

İhsanoğlu lud Russland ein, Mitglied in der OIC zu werden

„Aus meiner Sicht setzt sich Ekmeleddin İhsanoğlu für einen Ausbau der Beziehungen mit Russland ein. Ein Beleg dafür sind seine Russland-Besuche und seine partnerschaftlichen Beziehungen mit der russischen Teilrepublik Tatarstan. Herr İhsanoğlu hat Russland mehrmals eingeladen, Mitglied der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) zu werden. Das ist die frühere Organisation der Islamischen Konferenz. Russland hat dort einen Beobachterstatus. Generell bin ich davon überzeugt, dass sich das russisch-türkische Verhältnis mit hoher Wahrscheinlichkeit positiv fortentwickeln wird. Dies hängt kaum direkt vom Wahlergebnis ab. Es ist wahrscheinlich nicht mehr möglich, diese Beziehungen zu bremsen oder rückgängig zu machen, denn ihre gegenseitigen Vorteile sind offensichtlich. Unter anderem geht es um Großprojekte türkischer Baufirmen in Russland, deren Gesamtwert rund 40 Milliarden US-Dollar beträgt.“

Aber auch der – wenig wahrscheinliche – Fall, dass der prokurdische Kandidat Selahattin Demirtaş die Wahl für sich entscheiden kann, wäre aus Sicht des russischen Analysten Wadim Makarenko, Chefredakteur der Onlinezeitung Kurdistan.ru, für Russland nicht nachteilig.

Kurdenkonflikt: Moskau für „konfliktfreie und ruhige“ Föderalisierung  

„Selahattin Demirtaş ist eine einflussreiche Figur. Für die Kurden ist offenbar der Zeitpunkt gekommen, ihre realen Fähigkeiten auf der politischen Bühne der Türkei zu testen. Mit Demirtaş‘ Kandidatur beginnt eigentlich der Weg kurdischer Politiker in der Türkei. Natürlich möchten die Kurden, dass Russland ihre Interessen mehr unterstützen würde. Ich denke, Russlands Position auf diesem Gebiet ist flexibel genug. Derzeit ist die Türkei einer der wichtigsten Partner Russlands im Süden. Aus meiner Sicht ist Russland an einer stabilen und sich normal weiterentwickelnden Türkei ohne Binnenkonflikte sehr interessiert. Falls eine Föderalisierung der Türkei in Betracht kommt, wäre Russland an ihrem konfliktlosen und ruhigen Verlauf interessiert.“

Die russischen Experten rechnen, so die Stimme Russlands, nicht mit einem einfachen Sieg für einen der Kandidaten. Jeder von ihnen repräsentiere einen bestimmten Teil der türkischen Gesellschaft. Alle Kandidaten wollen aber, so der staatliche Radiosender, positive Beziehungen mit Russland, da sie wissen, dass diese in beiderseitigem Interesse liegen.