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Politik

Presse in der Türkei: Unter ständiger Beobachtung

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Die Pressefreiheit wird in vielen Ländern der Welt eingeschränkt, in einigen Ländern sogar aktiv bekämpft. Das gilt auch immer häufiger für Demokratien. Laut “Reporter ohne Grenzen” sind die Entwicklungen in der Türkei alarmierend.

von DTJ

Journalisten machen Berichterstattung. Doch immer häufiger sind sie selbst Teil davon. Ein Reglement des Fußballverbands FIFA hat in der vergangenen Woche für Aufsehen gesorgt. Mal wieder ging es um Russland und die Fußballweltmeisterschaft 2018. Die jüngst veröffentlichten Akkreditierungsregeln für Journalisten sehen nämlich vor, dass Medienschaffende nur über Sportereignisse berichten und die Sportstätten nicht verlassen dürfen. Journalisten dürfen demnach lediglich Sehenswürdigkeiten in der Nähe der Stadien besuchen. Politische oder soziale Themen sind tabu! Das grenzt an Zensur. Leider ist das aktuell nur eines von vielen Beispielen, wie die Freiheit der Presse beschnitten wird.

Etwa 400 Journalisten und Medienschaffende sitzen aktuell rund um den Globus wegen ihrer Arbeit in Gefängnissen. Das geht aus den aktuellen Zahlen der international tätigen NGO “Reporter ohne Grenzen” hervor. Die renommierte NGO vergleicht in einer aktualisierten Rangliste Länder und ihre Pressefreiheit. Deutschland schafft es in der Liste lediglich auf Platz 16. Die höchsten Werte erreichen hingegen die skandinavischen Länder. RoG zufolge landet Norwegen zum wiederholten Male auf dem ersten Platz, gefolgt von Schweden (2), Finnland (3) und Dänemark (4). Auf dem fünften Platz kommen die von türkischen Spitzenpolitikern heftig angefeindeten Niederländer. Das erste nicht-europäische Land rangiert mit dem mittelamerikanischen Costa Rica auf Platz sechs.

Für Deutschland und seine Pressefreiheit ist das allerdings kein Warnsignal. Zum Vergleich: Staaten in der Größenordnung und von vergleichbarer internationaler Relevanz sind weit hinter der Bundesrepublik platziert. Spanien schafft es nach den Maßstäben von RoG lediglich auf Platz 29, Frankreich auf den 39. Rang, gefolgt von Großbritannien (40).

Pressefreiheit leidet unter Trump
Der Inbegriff der globalen Freiheit zu sein: Das beanspruchen traditionell die Vereinigten Staaten von Amerika für sich. Die USA werden allerdings seit Donald Trumps Amtsantritt in der RoG-Bewertung um zwei Plätze degradiert und landen auf Platz 43. Zahlreiche afrikanische , sowie südamerikanische Staaten belegen weit bessere Plätze als die USA.

Die Liste von RoG zählt insgesamt 180 Nationen. Den letzten Platz belegt – wenig überraschend – Nordkorea. Das erzsozialistische und weitestgehend isolierte Land unter Diktator Kim Jong-un dürfte das aber kaltlassen. Die Nordkoreaner trotzen in allen Belangen der übrigen Welt und spielen vollkommen nach den Regeln des Diktators. Sie akzeptieren keine internationalen Standards und nehmen anerkannte internationale NGOs gar nicht erst wahr. Außerdem hat Nordkorea keinerlei Interesse an internationalen Kooperationen. Kim Jong-un führt auch keinerlei Beitrittsgespräche mit transnationalen Verbänden und internationalen Strukturen.

Türkei näher an Nordkorea, als an Deutschland
Anders sieht es für die Republik Türkei aus. Sie will seit Jahrzehnten der Europäische Union (EU) beitreten,. Die Gespräche verzögern sich aber immer wieder. Diese Situation bewegt die Türkei zu offensiveren Gesprächen mit Russland und Putin, um alternativ in die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit aufgenommen zu werden. So oder so: Die Türkei ist – anders als Nordkorea keine offene Diktatur – zumindest bis zu den Wahlen 2019 eine parlamentarische Demokratie mit internationalen Ambitionen und Partnern. Jahrelang galt die Türkei weltweit als Musterbeispiel für ein demokratisches, aber islamisches Land. Seit knapp vier Jahren ist die Türkei allerdings in vielen Belangen ins Abseits gerutscht. Ein Blick in die RoG-Liste der internationalen Pressefreiheit zeigt: Die Türkei scheint auch im Bereich des freien und unabhängigen Journalismus sowie der freien Meinungsäußerung deutlich näher an den Verhältnissen von Nordkorea zu sein, als an Deutschland. Die Türkei schafft es mittlerweile nur noch auf Platz 155 und ist damit 139 Plätze schlechter platziert als Deutschland.

Der Gottesstaat Iran ist mit dem 165. Platz noch restriktiver als die Türkei in Sachen Pressefreiheit, gefolgt vom Jemen (166), Somalia (167) und Saudi-Arabien (168). Noch schlechter sind Syrien, das unter der Diktatur von Baschar al Assad in einer Spirale aus Bürgerkrieg und Terror feststeckt, und das kommunistische China platziert. So belegen die Chinesen Platz 176, Syrien 177.

Türkei: Wie konnte es soweit kommen?

In der Türkei sind nach offiziellen Zahlen 153 Journalisten inhaftiert. Darunter auch der deutsch-türkische Journalist und “Welt”-Reporter Deniz Yücel, sowie die in der Türkei bekannten Journalisten Ahmet Turan Alkan, Ahmet Altan, Mehmet Altan, Nazli Ilicak und noch mindestens 148 weitere. Das Stockholm Center of Freedom zählt in einer ausführlichen Auflistung mittlerweile 200 inhaftierte Journalisten in der Türkei. Eine detaillierte Ausarbeitung zeigt sämtliche Journalisten, die inhaftiert wurden und wo sie unter Arrest stehen (mehr Informationen dazu finden hier: http://stockholmcf.org/updated-list/). Neben RoG sieht auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) die Situation der Pressefreiheit in der Türkei kritisch. In einer Pressemitteilung verkündete der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall: Dass es sich bei der Türkei nicht um einen Rechtsstaat handle, sei an dem aktuellen Vorgehen der Istanbuler Staatsanwaltschaft zu beobachten. Gegen mehr als 30 Journalisten der inzwischen eingestellten Zeitung „Zaman“ fordert die Ermittlungsbehörde lebenslange Freiheitsstrafen. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen. Überall kann das nicht nachvollziehen: „Kritischer Journalismus gleich Terror – das ist die Formel, mit der das Erdogan-Regime gegen seine Kritiker vorgeht. Für uns gilt: Journalismus ist kein Verbrechen!“ Über die aktuellen Schikanen in der Türkei dürfe Berlin nicht zur Tagesordnung übergehen.

Auch das Auswärtige Amt erklärte in einer Einschätzung: In der Türkei gebe es „immer wieder gravierende Probleme für Berichterstattende. So wird die Pressefreiheit von Seiten der Politik immer wieder massiv angegriffen. Häufig sehen Journalisten sich mit Verfahren – sowohl im Bereich des Straf- als auch des Zivilrechts – konfrontiert. Immer wieder geraten Journalisten auch in Haft, wobei die Zahlen hier sehr unterschiedlich gesehen werden.“ Besonders durch das Vorgehen Recep Tayyip Erdogans gegen die Gülen-Bewegung sei die Pressefreiheit „massiv angegriffen“, so das Auswärtige Amt.

Nähere Informationen finden Sie hier:

· https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Presse/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2017/Rangliste_der_Pressefreiheit_2017_-_Reporter_ohne_Grenzen.pdf
· https://de.wikipedia.org/wiki/Pressefreiheit_in_der_Türkei
· http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tuerkei/Kultur-UndBildungspolitik_node.html
· http://stockholmcf.org/turkeys-press-freedom-woes-worse-than-you-think/