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Politik

Pressefreiheit in der Türkei: Ermittlungen gegen Cengiz Çandar, Haftbefehl gegen Ekrem Dumanlı

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Die Einschüchterungsversuche gegen unabhängige Journalisten in der Türkei geht unvermindert weiter. Es vergeht kaum ein Tag, an dem keine neuen Ermittlungen eingeleitet werden. Hier die neuesten Fälle.

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In der Türkei reißt die Serie der Anzeigen und Ermittlungen gegen regierungskritische Journalisten nicht ab. Nun hat es erneut einen der renommiertesten Journalisten und Kolumnisten des Landes erwischt: Gegen Cengiz Çandar wurden wegen ‚Beleidigung des Staatspräsidenten‘ gleich zwei Ermittlungen eingeleitet. Er soll in seinen Kolumnen in der Zeitung Radikal, deren Printausgabe mittlerweile eingestellt worden ist und die nur noch online erscheint, Recep Tayyip Erdoğan beleidigt haben. Die kritisierten Kolumnen erschienen in der Zeit vom 26. Juli 2015 bis 19. August 2015.

Auch Ertuğrul Özkök, ehemaliger Chefredakteur der Zeitung Hürriyet und nun als Kolumnist tätig, ist ins Visier der Justiz geraten. Er soll in einer Kolumne namens ’Utan Ey Büyük Adam’ (‚Schäme dich du Großer Mann‘), die am 3. September 2015 veröffentlicht wurde, ebenfalls Staatspräsident Erdoğan beleidigt haben. Özkök, der den Artikel nach der Veröffentlichung des Bildes von Aylan Kurdi, dem in der Ägais ertrunkenen syrischen Flüchtlingsjungen, verfasst hat, bestreitet, damit den türkischen Staatspräsidenten gemeint zu haben. Ihm soll der Prozess gemacht werden, für die Kolumne werden sage und schreibe zwischen einem und vier Jahren Haft  gefordert.

Auch dem bekannten türkische Schriftsteller Ahmet Altan geht es ähnlich, gegen ihn laufen aufgrund eines Interviews bei Samanyolu TV zwei Ermittlungen wegen Beleidigung des Staatspräsidenten. Er soll morgen bei der Staatsanwaltschaft in Istanbul aussagen.

Haftbefehl gegen ehemaligen Zaman-Chefredakteur

Gegen den ehemaligen Chefredakteur der Zeitung Zaman und Kolumnisten Ekrem Dumanlı wurde Haftbefehl erlassen. Wie es in Pressemeldungen hieß, stehe dies in Zusammenhang mit der Terrororganisation ’Tevhid Selam’. In der Begründung des Haftbefehls wird ’Beseitigung und Verhinderung der Arbeit der Regierung der  Republik Türkei’ sowie die ’Gründung einer bewaffneten Terrororganisation’ vorgeworfen.

Tevhid Selam ist eine Organisation, die die Gründung eines islamischen Staats anstrebt. Sie geht auf die Ideen des iranischen Politikers und Denkers Musa el-Sadr zurück. Al-Sadr ist zugleich einer der Gründer der Hizbollah. Die Organisation wird für die Morde an türkischen Intellektuellen wie Uğur Mumcu, Bahriye Üçok und Ahmet Taner Kışlalı verantwortlich gemacht. 2007 wurde sie in die Liste der Terrororganisationen aufgenommen.

2011 wurden neue Ermittlungen in Verbindung mit dieser Organisation aufgenommen. Ihren Mitgliedern wurde Spionage zugunsten des Irans vorgeworfen. 2014 jedoch wurde die Ermittlungen ohne Ergebnis eingestellt. Wie der Name von Ekrem Dumanlı dieser Organisation in Verbindung gebracht wird, bleibt ein Geheimnis, das die Behörden bisher nicht beantwortet haben.

Gegen Dumanlı wurde auch wegen der Ermittlungen im Fall Tahşiyeciler ermittelt. Hierbei handelt es sich um eine religiöse Gruppe, gegen die die Polizei 2009 und 2010 ermittelte. Nach der Korruptionsaffäre vom Dezember 2013 versuchte die AKP-Regierung, diese Gruppe als Opfer der Hizmet-Bewegung darzustellen. Anscheinend konnte in der Sache nichts Belastbares gegen Dumanlı gefunden werden, weswegen in dieser Causa kein Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde.

Dennoch wurde vergangene Woche in regierungstreuen Medien berichtet, dass gegen Dumanlı vor zwei Monaten ein Haftbefehl erlassen worden sei. Er und seine Anwälte erwiderten darauf, dass sie davon nichts wüssten und die Staatsanwaltschaft anscheinend die regierungstreuen Medien eher informiere als die Betroffenen.

Die EU-Kommission hat das Vorgehen gegen Dumanlı kritisiert. Maja Kocijancic, Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Frederica Mogherini, sagte der Nachrichtenagentur Cihan, dass es „ernsthafte Bedenken bezüglich der Situation der Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei“ gebe und dass die Europäische Kommission auch die Durchsuchung der Zeitung Zaman am 12. November „mit Sorge beobachtet“ habe.