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Politik

Prozessbeginn: Dinks Familie spielt das Spiel nicht mehr mit

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Nachdem der Oberste Appellationsgerichtshof die Neuverhandlung des Mordes an Hrant Dink angeordnet hat, wird Kritik an Ermittlungspannen laut. Es hätte schon früh Hinweise auf terroristische Strukturen hinter dem Mord gegeben. (Foto:cihan)

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In einem Schreiben an die Presse äußerte Dinks Familie am Dienstag, sie werde nicht am Prozess teilnehmen, um zu vermeiden, weiterhin Teil eines Spiels des Staatsapparates zu sein.
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Am Dienstag begann vor dem 14. Hohen Strafgerichtshof in Istanbul die Neuauflage des Prozesses im Zusammenhang mit dem Mord an dem berühmten türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink im Januar 2007. Der Oberste Appellationsgerichtshof hatte das Ersturteil des Istanbuler Gerichts aufgehoben. Dinks Familie beklagte sich daraufhin über das Justizsystem und kündigte an, den Anhörungen nicht beiwohnen zu wollen.

In einem Schreiben an die Presse äußerte Dinks Familie am Dienstag, sie wolle es so vermeiden, weiterhin Teil eines Spiels zu sein, das der Staatsapparat spiele.

Dink, der langjährige Herausgeber des türkisch-armenischen Wochenmagazins Agos, wurde am 19. Januar 2007 am helllichten Tag durch den ultranationalistischen Teenager Ogün Samast, der Kontakte zu dem ultranationalistischen Terrornetzwerk Ergenekon haben soll, vor dem Verlagsgebäude erschossen.

Die Familie Dinks beschuldigte die türkische Justiz, die Sicherheitsbehörden, die „zivile und bewaffnete Beamtenschaft“ und die politischen Institutionen, man hätte während der letzten sechs Jahre mit ihnen „ein Spiel getrieben“, und wittert hinter „dieser Koalition“ die kriminelle Organisation, die den Mord geplant und dann vertuscht habe.

In der Erklärung hieß es unter anderem, dass die Familie Dinks bereits zu Beginn der Ermittlungen die Einvernahme einer Reihe von Personen verlangt habe. Diesem Begehren sei nicht nachgekommen worden. Später wurden die Betreffenden jedoch im Ergenekon-Prozess verurteile – einer klandestinen, terroristischen Bande, deren Ziel es war, die Regierung zu stürzen.

Gericht wehrte sich lange gegen den Gedanken an eine organisierte Tat

Samast, dem vor dem Jugendgerichtshof der Prozess gemacht wurde, weil er zur Tatzeit noch minderjährig war, wurde zu fast 23 Jahren Haft verurteilt. Am 17. Januar 2012 wurde durch den 14. Hohen Strafgerichtshof in Istanbul ein weiterer Angeklagter in dem Fall, Yasin Hayal, zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, weil er Samast zu seiner Tat angestiftet habe. Erhan Tuncel, der als Informant für die Polizeidirektion in Trabzon arbeitete, wurde für nicht schuldig befunden und freigesprochen.

Der Ankläger im ersten Prozess ging davon aus, dass der Mord von der Terrorgruppe Ergenekon geplant und ausgeführt wurde, das Gericht jedoch verneinte eine organisierte kriminelle Aktivität hinter dem Mord. Dem widersprach der Oberstaatsanwalt am Obersten Appellationsgerichtshof und ordnete eine neue Untersuchung an.

Die Neunte Kammer des Obersten Appellationsgerichtshofs kam im Mai zu dem Ergebnis, es würde zwar eine Organisation mit involviert sein, aber ging von einem schlichten Verbrechersyndikat aus, nicht von einer Beteiligung Ergenekons am Mord.

Dinks Anwälte richteten eine Petition an das höchste Berufungsgericht und argumentierten, das Urteil der unteren Instanz verletze das türkische Strafgesetz, indem es zwar die Existenz einer kriminellen Organisation feststellt, aber nicht weiterermittelt, bzw. durch das Ignorieren von Beweisen für eine terroristische Organisation hinter dem Taten.

Das Urteil des Erstgerichts sorgte auch für Empörung in der Öffentlichkeit. Zivilgesellschaftliche Gruppen und Politiker organisierten Protestmärsche mit mehreren tausend Teilnehmern durch Istanbul.