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Politik

Kehrtwende Putins in der Syrienpolitik?

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US-Präsident Barack Obama muss heute in St. Petersburg vor allem Russlands Präsident Vladimir Putin von der Notwendigkeit eines Militärschlages überzeugen. Dieser hatte gestern überraschend selbst eine Beteiligung nicht ausgeschlossen. (Foto: dpa)

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Barack Obama und Wladimir Putin werden beim G20-Gipfel in St. Petersburg in erster Linie über Syrien sprechen
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US-Präsident Barack Obama reist politisch gestärkt zu den heiklen Syrien-Gesprächen am Rande des G20-Gipfels in Russland. In Washington stimmte der Ausschuss für Auswärtige Beziehungen des Senats am Mittwoch mit knapper Mehrheit für einen begrenzten Militäreinsatz in Syrien.

Dies gilt als ein gutes Zeichen für Obama, dass er die erwünschte Unterstützung des Kongresses für eine Intervention erhält. Auch einige oppositionelle Republikaner wollten für einen solchen Einsatz stimmen. Einige andere, wie etwa der Senator von Florida und Hoffnungsträger der Partei, Marco Rubio, machen ihre Zustimmung von einer überzeugenden Exit-Strategie Obamas abhängig. Ihre Befürchtung ist, dass eine Offensive, die lediglich dem Zweck diene, dem Regime die Grenzen aufzuzeigen, am Ende den Bürgerkrieg erst recht befeuern könnte. Eine Minderheit ist kategorisch gegen ein Eingreifen, bei ihnen handelt es sich meist um islamfeindliche Kongressabgeordnete. Die USA beabsichtigen, das syrische Regime für dessen mutmaßlichen Giftgas-Einsatz mit mehr als 1400 Toten vor zwei Wochen zu bestrafen.

Bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der weltgrößten Volkswirtschaften (G20) am Donnerstag und Freitag in St. Petersburg stehen offiziell globale ökonomische Probleme im Mittelpunkt. Dabei soll es unter anderem um Banken-Kontrolle, Kampf gegen Steueroasen und aktive Wachstumspolitik gehen. Es wird aber erwartet, dass auch der Streit um das internationale Vorgehen in der Syrien-Frage das Treffen bestimmt.

Hagel: „Nicht nur Nadelstich“

In Stockholm forderten Staats- und Regierungschefs von fünf nordeuropäischen Ländern am Mittwochabend gemeinsam mit Obama eine „starke Reaktion“ auf die jüngsten Vorgänge in Syrien. „Diejenigen, die für den Einsatz chemischer Waffen verantwortlich sind, müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Obama hatte auf dem Weg nach St. Petersburg in Schweden Station gemacht.

Die geplante Militäroperation gegen Syrien wird nach Worten von Pentagon-Chef Chuck Hagel kein Nadelstich sein. So zitiert „RIA Novosti“ den Verteidigungsminister.

„Diese Operation wird die militärischen Möglichkeiten der syrischen Behörden spürbar einengen“, erklärte Hagel am Mittwoch bei einer Syrien-Anhörung um US-Kongress. „Präsident (Barack) Obama sagte, das werde kein Nadelstich sein. Das sind seine Worte. Das wird tatsächlich ein schwerer Schlag sein.”

Hagel zufolge bezeichnen die USA die Wahrscheinlichkeit, dass das syrische Regime wieder Kampfstoffe einsetzt, als „sehr hoch”, wenn Präsident Baschar al-Assad nicht gestoppt wird. Einer ähnlichen Meinung ist auch US-Außenminister John Kerry.

Merkel verzichtet auf „Goslar 2.0“

Vor dem Gipfeltreffen überzogen einander Washington und Moskau mit Vorwürfen. Obama warf Russland beim Ringen um eine gemeinsame Haltung in der Syrien-Frage Versagen vor. Gipfel-Gastgeber Putin nannte vorgelegte Beweise der USA für eine Schuld des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad am mutmaßlichen Giftgas-Einsatz Unfug. Überraschend hatte der russische Präsident gestern erklärt, selbst eine Beteiligung an einem Einsatz gegen Syrien teilzunehmen – sollte aus seiner Sicht die Verantwortung des Regimes für den Chemiewaffeneinsatz erwiesen sein.

Mit entsprechend geringen Erwartungen auf einen diplomatischen Erfolg fährt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach St. Petersburg. „Selbst wenn es nahezu keine Hoffnung gibt, muss man es immer wieder versuchen, so verstehe ich jedenfalls meine Aufgabe“, sagte sie am Mittwochabend bei einem Wahlkampftermin in Gießen. Auf diese Weise verzichtete sie immerhin auf eine wahlkampftaktische Profilierung auf Kosten der USA, wie sie dem angeschlagenen Kanzler Gerhard Schröder 2002 im Wahlkampf geholfen hatte, als er vom Marktplatz in Goslar aus dem US-Präsidenten George W. Bush übermittelte, Deutschland werde einen Krieg im Irak nicht unterstützen.

Im Syrien-Konflikt steht nach Auffassung von Obama die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft auf dem Spiel. Die vielfach zitierte „rote Linie“, die nicht überschritten werden dürfe, sei gar nicht von ihm, sondern von der Welt gezogen worden, sagte Obama in Stockholm. Putin warf er Versagen vor: „Das internationale Handeln wäre sehr viel effizienter, wenn Russland das Thema anders angehen würde.“ Bislang blockieren die Veto-Mächte Russland und China im Sicherheitsrat jedes Vorgehen gegen Assad.

Nach G20-Gipfel entscheidet das Repräsentantenhaus

Obama hat die Entscheidung über eine Militäraktion auf die Zeit nach dem G20-Gipfel vertagt. Er sucht Unterstützung beim Kongress. Dort haben sich nun mehr und mehr Abgeordnete auf seine Seite geschlagen. Der Ausschuss für Auswärtige Beziehungen des Senats stimmte am Mittwoch mit zehn zu sieben Stimmen bei einer Enthaltung für eine Resolution des Weißen Hauses, die einen Einsatz von vorerst höchstens 60 Tagen vorsieht. Der Senat wie auch das Repräsentantenhaus müssen aber noch zustimmen.

In St. Petersburg will Obama nach Angaben von Diplomaten mit Chinas Präsident Xi Jinping, Japans Premier Shinzo Abe und Frankreichs Präsident François Hollande jeweils allein beraten. Ob Obama und Putin, die grundsätzlich ein schlechtes Verhältnis haben, zu einem Einzelgespräch zusammenkommen, war offen.

Putin bezeichnete die Giftgasvorwürfe erneut als „Unsinn”. „Chemiewaffen sind für eine Armee immer das letzte Mittel in der Not, aber in Syrien ist das Militär doch derzeit im Aufwind“, sagte er. Sollte es Beweise geben, werde Russland angemessen reagieren. Das Beispiel des irakischen Diktators Saddam Hussein, der 1988 die Stadt Halabja im nordirakischen Kurdengebiet mit Chemiewaffen angreifen ließ, unterstreicht jedoch, dass säkular-nationalistische Diktatoren des Nahen Ostens nicht immer auf das Eintreten militärischer Unterlegenheit warten, bis sie zu verbotenen Waffen greifen. (dpa/dtj)