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Geschichte

Raki und Bauchtanz am Rhein

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Die deutsch-türkischen Beziehungen sind zerrüttet. Aber die Bewunderung für den jeweils anderen hielt zu Beginn der Gründung beider Republiken an. So gab es eine Nostalgie bei den deutschen Rückkehrern aus dem Orient, die sie in der alten Heimat lange zu pflegen versuchten. Erinnerungen, Eindrücke, und Gedanken an Orte, an die sie nicht zurückkehren konnten.  

von Berk Günes

Nach dem Ersten Weltkrieg legte der Versailler Vertrag 1918 für Jahre die deutsch-türkischen Beziehungen auf Eis. Erst nach dem Lausanner Vertrag von 1923 waren offizielle Beziehungen wieder möglich. Außerhalb der Politik existierten aber Kreise, in denen die Freundschaft zur Türkei und das Interesse am Orient, unmittelbar nach dem Krieg, nicht abebbten und in den übrigen Jahren der Weimarer Republik fortlebten. In diesen wurde die Erinnerung an die „freundschaftlichen Bande“ von früher wachgehalten. Es bestand sogar eine gewisse Sehnsucht nach dieser Zeit und man forderte ein größeres wirtschaftliches und politisches Engagement von der Regierung in der Türkei. Zu diesen ‚orientaffinen’ Kreisen gehörten insbesondere Militärs und Zivilisten, die im Orient gedient oder gelebt hatten und die Zeit der „Waffenbrüderschaft“ selbst miterlebten. Sie nannte sich „Asienkämpfer“, abgeleitet von den deutschen Einheiten im Orient, den „Asienkorps“  und organisierten sich im zivilen Leben nach der erzwungenen Rückkehr aus dem Orient. Dafür schlossen sie sich in Vereinen, wie der Deutsch-Türkischen Vereinigung (DTV) oder auch dem Verein „Bund deutscher Asienkämpfer“, zusammen.  

BDAK – Bund deutscher Asienkämpfer

Bei dem BDAK handelte es sich um eine Vereinigung von Exildeutschen in der Weimarer Republik, mit der Ambition alle Deutschen und Österreicher aus allen Teilen des Reiches, die im Ersten Weltkrieg im Orient gedient oder gelebt hatten, erreichen und vereinen zu wollen. Innerhalb weniger Jahre bildeten sich deutschlandweit Orts- und Bezirksgruppen, in denen mehrere tausend ehemalig stationierte Militärs und Zivilisten zusammenfanden. Bis Juni 1921 wurden 26 Orts- und Bezirksgruppen, u.a. in Berlin, Braunschweig, Bremen, Breslau, Danzig, Dortmund, Dresden, Essen, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Jena, Karlsruhe, Kiel, Köln, Königsberg, Leipzig, Mannheim/Ludwigshafen, München, Münster, Nürnberg, Stettin, Stuttgart und Weinheim gegründet. Eine weitere Bezirksgruppe namens Württemberg existierte in Stuttgart und eine weitere Ortsgruppe gab es in Stockholm. Die Vereinszentrale in Berlin übernahm die interne Kommunikation. Die Zahl der Orts- und Bezirksgruppen wuchs bis Ende der 1920er Jahre auf über 40 an. Die Mitgliederzahlen lassen sich auf 2500 Mitglieder beziffern. Die Forschung geht davon aus, dass es nach 1918 etwa 15.000 Deutsche aus dem Orient gegeben hat.. Ausgehend von dieser Tatsache, hätten sich etwa 1/5 in dem Verein zusammengefunden. Die Vorsitzenden waren hochdekorierte Militärs aus dem Ersten Weltkrieg, die im ebenfalls Orient gedient hatten. Das änderte sich in den Jahren des Bestehens des Vereins nicht. Viele andere Mitglieder standen aber nicht mehr im aktiven Dienst, sondern hatten den Dienst quittiert und waren in das zivile Leben zurückgekehrt. Der Verein erfuhr auch aus politischen Kreisen Unterstützung. So schickte Kaiser Wilhelm II. persönlich aus seinem Exil in den Niederlanden zum zehnten Jahrestages des Vereins ein Brieftelegramm, worin er dem Bund zu seinem Bestehen gratulierte.  Das Schreiben wurde selbstverständlich auf dem Titelblatt abgedruckt. Auch Hindenburg gratulierte mit der Zusendung eines eigenen signierten Fotos. Franz von Papen, der im Ersten Weltkrieg selbst im Osmanischen Reich gedient hatte und 1939 bis 1944 die deutsche Botschaft in Ankara übernahm, besuchte einige Jahre später im November 1932 als Reichskanzler einen Vortrag des Vereins in Berlin. 

Experten für den Orient

Der BDAK versuchte sich als „Gruppe von Experten für den Orient“ zu positionieren. Der Verein zeichnete sich durch die Kontakte seiner Mitglieder zu deutschen und türkischen Politikern und Militärs und den Fundus an Erfahrungen zum Orient aus. Das erklärte Ziel des BDAK war es, die Verbindung „zwischen den zahlreichen Deutschen, die vor und während des Krieges in Asien gearbeitet und gekämpft“ hatten, herzustellen und die nun „über das ganze Deutsche Reich verstreut“ lebten. Der Bund war aus der Kriegskameradschaft im Orient hervorgegangen. Eine weitere wichtige Aufgabe neben der Kameradschaft war eine „Hebung des Interesses für den Orient und die Anbahnung wirtschaftlicher Beziehungen zu ihm“. Lange blieb der Verein ein Exklusiv-Club für Veteranen und deren Angehörigen. Orts- und Generalversammlungen wurden zu kleinen Orient-Partys, mit Produkten aus dem Orient wie Raki, Tabak und sogar Frauen, die voll verkleidet im Bauchtänzer-Kostüm auftraten und Nächte wie in 1001er Nacht zelebrierten. Die Nostalgie und die Erinnerungen an den Orient wurden quasi in der deutschen Provinz wachgehalten. Erst später durften alle Angehörigen der im Krieg „verbündeten Nationen“ und Personen, die für den Orient ein „besonderes Interesse“ hätten, in den Bund aufgenommen werden können. 

Die Vereinszeitschrift „Mitteilungen des Bundes der Asienkämpfer“

Neben der Kameradschaftspflege wurden die Erinnerungen an das frühere Leben und den Orient selbst mit der eigenen Vereinszeitschrift, den „Mitteilungen des Bundes der Asienkämpfer“ , wachgehalten. Die Zeitschrift erschienen monatlich wurde von dem Verein im eigenen Verlag selbst herausgegeben. Die Mitteilungen an sich waren primär für die Vereinsmitglieder bestimmt und bilden sehr gut das aktive Vereinsleben ab. 

Die Mitteilungen enthalten neben den Berichten der Bezirks- und Ortsgruppen, vielfältige Themenbereiche. Diese untergliedern sich u.a. in die Liste von Mitgliedern, Personalnachrichten, Informationen über Vorträge und Veranstaltungen, Berichte der Bezirksgruppen, diverse Informationen über orientalische Länder und bis zum fernen Osten, Stellenvermittlungen, Lektürevorschläge, Werbung für Orientwaren (auch aus eigener Herstellung), wie z.B. Raki oder Zigaretten, Protokolle über die Generalvollversammlungen, später auch Bilder aus eigenen Archiven und Erinnerungen. Die Beilage informiert über aktuelle Entwicklungen im Orient und hat auf der ersten Seite einen längeren, interessanten Artikel abgedruckt, der die politische Haltung des Vereins widerspiegelt. Am Ende ist eine Liste zu der Orientliteratur angegeben. Der Erlös aus dem Verkauf, der in der Rubrik „Orientliteratur“ angebotenen Bücher, floss in die Bundeskasse, woraus man „manch notleidenden Kameraden“ unterstütze. Ab dem zehnten Heft wurde auch vermehrt Werbung für orientalische Güter geschaltet. Es umfasst etwa vier Seiten mit Fotos aus antiken Stätten in Kleinasien, Städtevorstellungen und auch Porträts von Einheimischen. Der Fokus lag mehr auf der Darstellung der Kultur und des Lebens im Orient. 

Das Ende

Das Selbstverständnis des BDAK als nostalgischer Kultur- und Erinnerungsverein, der die Vergangenheit verklärend beschwor, kam mehr und mehr zum Tragen. Der BDAK war sicher die größte Interessens- und Erinnerungsgemeinschaft für den Orient, die in den Anfangsjahren der Weimarer Republik einen anachronistischen, politischen Standpunkt vertrat und dadurch auf einen gewissen ‚verlorenen Posten’ gerückt wurde. Durch die relative Stabilisierung der Weimarer Innen- und Außenpolitik sowie durch die relative Regulierung der deutsch-türkischen Beziehungen in Form von Verträgen u.ä., nahm auch der scharfe politische Ton der Mitteilungen ab, bis sie letztlich fast ganz verschwand. Es gibt aber keine Evidenz dafür, dass die Existenz und auch die Haltung des Vereins offiziell von der Weimarer Regierung, als ‚Politikum’ angesehen wurden.

Das Ende des BDAK wurde mit der nationalsozialistischen Diktatur besiegelt. Der Verein erfuhr im Zuge der nationalsozialistischen Gleichschaltung 1938 eine erzwungene Selbstauflösung, durch Überführung des Vereins in den NS- Reichskyffhäuserbund. Ab Mitte 1938 erschien auch die „Orientrundschau“, wie die Mitteilungen alsbald umbenannt wurden, nicht mehr und der BDAK erlosch. 

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen:

Mitteilungen des Bundes der Asienkämpfer, Jg.1 (1919) – 12 (1931), hrsg. von: Bund deutscher Asienkämpfer, Berlin.

Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Berlin: PAAA, R23264-23274, R30647-R30650, R78484-78490, R78540, R78570, R78576, R78583, R 78591-78592, R78595-78596, R78606, R78631, R78634, R80582, R95606-95607, R244014, R246231, R247397, R247401, R247403, R247477, R287401, R287402.

Literatur:

Krüger, Peter, Die Außenpolitik der Republik von Weimar, Darmstadt 1993.

Mangold-Will, Sabine, Begrenzte Freundschaft, Deutschland und die Türkei 1918-1933, Göttingen 2013.

Riedler, Florian, Nationalismus und internationale Sensibilität: Transnationale Akteure und die deutsch-türkischen Beziehungen der Zwischenkriegszeit, in: Aufbruch ins postkoloniale Zeitalter, Globalisierung und die außereuropäische Welt in der 1920er und 1930er Jahren, hrsg. von: Sönke, Kunkel; Christoph, Meyer, Frankfurt a.M. 2012, S. 251-274.