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Gesellschaft

Ramadanfest: Das „Weihnachten des Islam“

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Das Ende des Fastenmonats steht für die islamische Community in aller Welt noch einmal für drei Tage im Zeichen des Gebets, der Geselligkeit und der Dankbarkeit. Für viele Muslime ist das Ramadanfest das größte Familienfest des Jahres. (Foto: ap)

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Ramadanfest: Das „Weihnachten des Islam“
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Der Ramadan nähert sich dem Ende. 30 Tage des Fastens, der Spiritualität und des Zusammenseins gehen zu Ende. Man verabschiedet sich von ihm mit einem weinenden und einem lachenden Auge, denn der krönende Abschluss erwartet uns noch: das Ramadanfest – oder auch Zuckerfest.

Das Ramadanfest, im Arabischen „Eid-al-Fitr” und im Türkischen Ramazan Bayramı, ist ein dreitägiges Fest, das im Anschluss an den Ramadan gefeiert wird. Fälschlicherweise hatte sich der Begriff „Zuckerfest” aus traditionellen Gründen eingebürgert, denn zu diesem Fest werden besonders viele Süßigkeiten verspeist und einige von ihnen werden ausschließlich für die beiden großen islamischen Feste vorbereitet, zum Ramadan- und zum Opferfest.

Das Ramadanfest ist von der Bedeutung im Islam her mit Weihnachten zu vergleichen, wohingegen das Opferfest mit dem aus religiöser Sicht „größeren oder wichtigeren” Fest, also Ostern, verglichen werden kann. Allerdings scheint die Freude auf das Ramadanfest größer zu sein, denn nach einem Monat voller Spiritualität und Geduld wirkt das Fest wie eine doppelte Belohnung.

Traditionell beginnt der erste Tag des Ramadanfests damit, dass die Familie früh aufsteht und sowohl zu Hause als auch in der Moschee den „Takbir”, die Lobpreisung Allahs und seines Propheten, ausruft.

Normalerweise gehen nur die Männer in die Moschee, natürlich sind die Frauen aber auch herzlich eingeladen. Das Bayram-Gebet ist ein zusätzliches zu den fünf täglichen Pflichtgebeten, allerdings wird dieses nur am ersten Tag des Festes verrichtet. Im Anschluss zum Gebet gibt es eine „Khutba”, eine Predigt des Imams. Diese handelt jedes Mal von anderen Themen; oft sind es Erzählungen zum Propheten, um die Menschen zu belehren.

Vor allem in Deutschland ist es zur Tradition geworden, nach dem Gebet in der Moschee Familienfeste und Veranstaltungen für Kinder zu organisieren, um diesen eine Freude zu bereiten. Nach dem Gebet und der Predigt werden Süßigkeiten verteilt und Geschenke an die Kinder, oder es wird ein kleines Programm gestaltet.

Ma’amoul backen wie Plätzchen vor Weihnachten

Nach dem Moscheebesuch geht man entweder zu sich nach Hause und empfängt Gäste oder man besucht die Verwandten. Oft wird der Älteste in der Familie zuerst besucht. Man sitzt zusammen, frühstückt oder unterhält sich fröhlich. Anders als zu Weihnachten gibt es keine Geschenke, sondern meist Geld vom Familienoberhaupt. Aus Tradition küsst man die rechte Hand der älteren Verwandten, z.B. Großvater, Vater, Onkel, Großmutter, Mutter oder Tanten, dreimal und hält sie sich an die Stirn.

Wie oben erwähnt, sind zum Ramadanfest dann beim Beisammensein die Tische mit den verschiedensten orientalischen Leckereien gedeckt. In der Türkei ist dies vor allem Baklava, wohingegen in arabischen Ländern vor allem Ma’amoul beliebt ist, ein Grießgebäck mit Walnuss-, Pistazien- oder Datellfüllung. Abschließend wird das Gebäck mit Puderzucker bestäubt. Oft wird es an den letzten Tagen des Ramadan gemeinsam vorbereitet. Dies erinnert mich persönlich immer an das Plätzchenbacken vor Weihnachten. Natürlich kann das Gebäck auch in jeder Bäckerei – in Deutschland in arabischen Bäckereien – einige Tage vor dem Fest gekauft werden.

Nach den Besuchen wird das Fest bei jeder Familie individuell organisiert. Oft ist man bei Verwandten zum Essen eingeladen oder lädt zu sich ein. Andere gehen auch gemeinsam in ein Restaurant. Abends besucht man einander weiter und verzehrt die Leckereien. An den darauf folgenden zwei Tagen und auch in der Woche darauf geht das Besuchsprogramm nach Belieben weiter. Nachdem man die ganze Familie besucht hat, kommen Bekannte und Freunde an die Reihe. In der Türkei und in den arabischen Ländern hat man an allen drei Tagen frei. Allerdings haben Bekleidungsgeschäfte sowie Supermärkte, Konfiserien, Patisserien und Restaurants geöffnet.

Allein das Laufen durch die Straßen bereitet einem Freude im Herzen, denn alles ist dekoriert, die Leute sind gut gelaunt und gratulieren einem zum Fest. Interessanter Weise verbindet niemand Stress mit den Vorbereitungen auf das Fest, sondern man tut dies mit einem Lächeln auf dem Gesicht und im Herzen.

Der erste Schluck Kaffee am Morgen des Ramadanfests

In Deutschland ist es für die hierlebenden Muslime natürlich etwas schwerer, das Fest genau nach traditioneller Art zu feiern, da viele ihre Familien nicht in Deutschland haben. Somit feiern die Familien, vor allem türkische und arabische Muslime, ihr Fest ganz individuell und vielleicht nach einer eigenen Familientradition.

Meine Familie beginnt am Vorabend des Ramadanfests jedenfalls ganz aufgeregt mit den Vorbereitungen. Wir backen zusammen Ma’amoul. Am nächsten Morgen stehen wir alle mit einem Strahlen im Gesicht früh auf, umarmen und küssen einander zum Fest, genießen es, den Kaffee am Morgen wieder trinken zu dürfen, lauschen dem Takbir im Fernsehen und spüren die Gänsehaut auf den Armen. Anschließend bereiten wir uns darauf vor, gemeinsam in die Moschee zu gehen. Alle tragen dazu neue, schicke Kleidung. Dort treffen wir viele Freunde und rufen gemeinsam das Takbir aus. Anschließend beten wir und lauschen der Predigt.

Als wir jünger waren, verbrachten wir den ganzen Vormittag in der Moschee, um uns an den Veranstaltungen und Aktionen für die Kinder zu beteiligen. Da wir nun aber aus dem Kindesalter raus sind, gehen wir gemeinsam mit Freunden und anderen Familien frühstücken. Anschließend gehen wir, wenn die Jahreszeit passend ist – der Ramadan und sein Fest wandern aufgrund des Mondkalenders durch das Jahr, da dieser 11 Tage kürzer ist als der Sonnenkalender – im Park spazieren und unterhalten uns. Danach geht jede Familie nach Hause. Meine Eltern greifen sofort zum Telefonhörer, um den Verwandten im Heimatland zum Fest zu gratulieren. Wir Geschwister dekorieren in dieser Zeit den Tisch mit selbstgebackenen oder gekauften Süßigkeiten.

Nachdem die Gespräche beendet sind, setzen wir uns als Familie zusammen und machen Erinnerungsfotos. Dann ist es Zeit für die „Bescherung”. Mein Vater schenkt erst unserer Mutter und dann uns Kindern der Reihe nach Geld. Der Vater der Familie erhält meistens nichts, doch er ist nicht traurig darüber, sondern glücklich, seiner Familie eine Freude bereiten zu können und genießt das Beisammensein. Anschließend treffen wir uns zum Mittagessen mit Freunden in Restaurants.

Fest der Liebe

Natürlich scheint es, als wäre man die ganze Zeit am Essen und teilweise ist es auch so. Und viele denken sich: Hat man im Ramadan denn nicht schon genug gegessen? Doch man muss beachten, dass die Gastgeber sich viel Mühe machen und gekränkt sind, wenn man nicht von dem Essen kostet, denn wer wäre da nicht gekränkt? Und bei einer großen Familie kann es dann schon mal vorkommen, dass man mehrmals am Tag essen muss, um die Gefühle der Gastgeber nicht zu verletzen.

Am Abend gehen dann alle glücklich nach Hause und man bereitet sich auf den nächsten Arbeitstag vor. In Deutschland dürfen sich Muslime am ersten Tag des Ramadanfests frei nehmen. Besonders toll ist es daher, wenn der erste Tag des Festes auf einen Freitag fällt, da man dann die drei Tage voll auskosten kann.

Morgen ist es wieder so weit. Ich freue mich wie ein kleines Kind auf das Fest. Ich erinnere mich daran, wie ich mit 5 Jahren die ganze Nacht nicht schlafen konnte und ständig auf die Uhr starrte, bis meine Mutter mich weckte und ich die Geschenke im Wohnzimmer aufmachen durfte. Als wir jünger waren, schenkten uns unsere Eltern anstelle von Geld Geschenke, die wir uns wünschten, da wir zu jung waren, um uns selbst etwas von dem Geld zu kaufen. Dies war eine Familientradition, die ich stets mit meiner Kindheit in Verbindung bringe, denn es war mein persönliches Weihnachten. Das Ramadanfest ist für mich das Fest der Liebe. Nac
hdem man einen Monat lang die Chance hatte, sich zu sammeln und den Weg zu Gott entweder zurückzufinden oder zu intensivieren, verbringt man drei wundervolle Tage mit den Liebsten und wird belohnt für den gesegneten Monat, den man durchgehalten hat. Doch „durchgehalten” ist hier das falsche Wort, denn ich habe ihn genossen und bin sehr traurig darüber, dass dieser Monat vorüber ist. Ich gebe zu, dass es ab und an sehr schwierig war, vor allem bei heißem Wetter, ohne Getränk auszukommen, doch ich freute mich umso mehr auf das kalte Wasser, dass ich zum Sonnenuntergang trinken durfte und dankte Gott mehrmals dafür. Vor einigen Tagen hatte ich so einen Durst und sagte zu meiner Mutter: „Ich verstehe jetzt, warum wir einen Monat lang fasten müssen und nicht nur zwei Wochen. Theoretisch könnte ich jetzt mein Fasten abbrechen und zum Wasserhahn oder zum Kühlschrank gehen und mich an Mengen an Wasser bedienen. Aber was machen Menschen, die wochen-, sogar monatelang kein Wasser haben und sich nicht einfach so an dem Wasser bedienen können? Ich danke Gott dafür, dass er mir so ein Leben geschenkt hat, bei dem ich mich nicht darum sorgen muss, woher ich mein Trinken oder mein Essen bekomme.”

Fest des Beisammenseins, der Anbetung und der Dankbarkeit

Und auch dies ist der wahre Sinn des Ramadans und seines Fests. Aus traditionellen Gründen kamen bestimmte Abläufe zusammen, genau wie Weihnachten oft zum Zweck der Kommerzialisierung missbraucht und oft vergessen wird, dass es das Fest der Familie und nicht das Fest der Geschenke ist. Und genauso sind der Ramadan und das „Zuckerfest” nicht das Fest des Essens, sondern des Beisammenseins, der Anbetung und der Dankbarkeit.

Ich wünsche allen Muslimen, dass ihr Fasten angenommen wurde. Außerdem wünsche ich allen Brüdern und Schwestern drei gesegnete Festtage mit den Liebsten und dass wir, obwohl der Ramadan vorbei ist, nicht vergessen, dass wir Gott Tag und Nacht danken sollten für das, was wir haben.

Wie wäre es, wenn Sie Freunde aus anderen Kulturen zu den Festen einladen, um den Sinn dieses Festes zu erklären und sie an der Stimmung teilhaben zu lassen? Ob mit der Familie oder mit Freunden: Wir sollten dankbar sein, das Fest mit Menschen, die wir lieben, verbringen zu dürfen, denn in anderen Ländern, wie Syrien, ist dieses Fest nicht mehr das Fest der Liebe, sondern der Trauer…