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Wirtschaft

Regierung vs. Rating-Agenturen: Türkische Wirtschaft auf Ramschniveau?

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Nach Standard & Poor’s sieht nun auch Moody’s die Türkei nur noch auf Ramschniveau. Die Regierung in Ankara kritisiert, die Ratingagenturen fällten kein unabhängiges Urteil – sichert aber Reformen zu. Es gibt auch gewichtige Stimmen in der Türkei, die das Moody’s-Urteil teilen.

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Der Konflikt der türkischen Regierung mit den internationalen Rating-Agenturen geht in die nächste Runde. Nach Standard & Poor’s hat auch die US-Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit der Türkei auf das sogenannte „Ramschniveau“ herabgestuft. Das hat die AKP-Regierung unter Premierminister Binali Yıldırım nicht auf sich sitzen lassen und erneut zu einem rhetorischen Vergeltungsschlag ausgeholt.

Als Begründung für die Herabstufung nannte Moody’s unter anderem das langsame Wirtschaftswachstum des Landes. Das Klima für Investitionen sei weiterhin schlecht. Zudem bestehe ein erhöhtes Risiko, dass sich ausländisches Kapital zurückziehen könne und die Rücklagen des Landes schnell reduziert würden. Auch die Gefahr einer Zahlungsbilanzkrise habe sich erhöht. Besorgt sei Moody’s zudem um die Stärke der türkischen Institutionen.

Ministerpräsident Yıldırım kritisierte die Herabstufung. Die Regierung glaube nicht, dass solche Bewertungen der Ratingagenturen auf einer neutralen Grundlage beruhten, sagte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansı (AA) in Istanbul. Stattdessen gehe es darum, die türkische Wirtschaft in ein schlechtes Licht zu rücken.

Sein Sprecher Numan Kurtulmuş ging Anadolu zufolge noch genauer auf die Herabstufung ein: „Ich will nicht um den heißen Brei herumreden, ich sage es ganz klar: Die von Moody’s durchgeführte Bewertung ist eine durch und durch politische.“ Er beschuldigte die Rating-Agentur, ihre Analysten hätten noch am 21. September ein weitaus positiveres Bild von der Türkei gezeichnet, und fragte, wie dieser „Perspektivwechsel“ zustande gekommen sei.

Allerdings trifft die Einschätzung von Moody’s jenseits der Regierung auch innerhalb der Türkei auf Verständnis. Der Finanzexperte und Wirtschaftsjournalist Cenk Sidar warnt die Regierung davor, „erneut äußere Mächte und die Opposition“ für wirtschaftliche Fehlentwicklungen verantwortlich zu machen, wie sie es bei innen- und außenpolitischen Konflikten bereits tut. „Dieses Spiel funktioniert in der Wirtschaft nicht.“ Die Regierung habe durch falsche Wirtschaftspolitik in den vergangenen Jahren selbst die Voraussetzungen für eine Krise geschaffen. Er verweist auf die enge Bindung von Wirtschaft und Politik in entwickelten Ländern und betont, dass „es im 21. Jahrhundert nicht möglich ist, mit einem autoritären, verschlossenen und repressiven System nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu ermöglichen.“

Auch der bekannte türkische Kolumnist Hasan Cemal teilt die Einschätzung der Rating-Agentur und verweist auf die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit und Eigentumssicherheit für ein sicheres Investitionsklima. „Nun, in einem Land, in dem der Präsident sich selbst zu Staatsanwalt und Richter erklärt, um eine Fatwa auszusprechen, wonach Reza Zarrab unschuldig ist, kann man da ernsthaft von Unabhängigkeit der Justiz sprechen?“, spitzt er Sidars These zu.

Mit ihrer Einschätzung folgt die Ratingagentur den Kollegen von Standard & Poor’s (S&P), die die Türkei bereits nach dem Putschversuch im Juli heruntergestuft hatten. Die Agentur Fitch ist derzeit der einzige größere Bonitätswächter, der die Türkei noch über dem Ramschniveau hält. Tatsächlich betonen Analysten und Wirtschaftsinstitute seit längerem, dass die türkische Wirtschaft auf wackeligen Füßen steht. Insbesondere die hohe Privatverschuldung, das Handelsbilanzdefizit und die schrumpfenden Devisenreserven sorgen dafür, dass viele einen baldigen Wirtschaftseinbruch befürchten.

Bewertungsstufen von Moody's mit Länderbeispielen

(mit Material von dpa)