Connect with us

Gesellschaft

Religiöse Minderheiten in aller Welt: Nicht Gesetze, sondern Gesinnungen ändern

Spread the love

Das Recht auf Religionsfreiheit wird in den meisten Ländern missachtet. Parlamentarier aus aller Welt berieten jetzt über einen besseren Schutz.

Published

on

Spread the love

Die Religionsfreiheit gerät weltweit zunehmend unter Druck; selbst auf UN-Ebene wird es schwerer, mit diesem Anliegen durchzudringen. So lautete die ernüchternde Bilanz von Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) am Mittwoch zum Abschluss der Konferenz des „International Panel of Parliamentarians for Freedom of Religion or Belief“. Rund 110 Parlamentarier aller großen Religionen aus knapp 80 Ländern hatten sich drei Tage über Möglichkeiten ausgetauscht, das Recht auf Religionsfreiheit weltweit zu stärken. Die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, machte in ihrer Gastrede deutlich, wie sehr dieses Grundrecht auch Deutschland in Pflicht nimmt, nicht zuletzt beim Umgang mit der Vollverschleierung.

Grundlage des Netzwerks ist das uneingeschränkte Bekenntnis zum Artikel 18 der UN- Menschenrechtscharta. Der pakistanischstämmige norwegischen Abgeordnete der Liberalen, Abid Q. Raja, nannte dabei gleichsam als Lackmustest das „Recht auf Konversion“. In vielen muslimischen Staaten steht immer noch offiziell die Todesstrafe auf den sogenannten Glaubensabfall. Eine Gesetzesänderung reicht allerdings nicht aus, wie die pakistanische Christin Asiya Nazir, mit Blick auf den umstrittenen Blasphemie-Paragraphen in ihrem Land betonte. Notwendig sei eine Gesinnungsänderung, da radikale Gruppen ansonsten das Recht in die eigene Hand nähmen.

Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer erinnerte an das Wüten von Fundamentalisten wie der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ im Nahen Osten, die mit unvorstellbarer Brutalität gegen Andersgläubige vorgingen. So sei inzwischen in Mutterländern des Christentums erstmals seit 2000 Jahren die Präsenz der Christen gefährdet. Die kurdische Parlamentsabgeordnete aus dem Irak, Vian Dakhil, berichtete über das Los der von Völkermord bedrohten Jesiden und der ehemalige Parlamentarier aus Myanmar, U Shwe Maung, über die systematische Unterdrückung von Muslimen im früheren Birma. Er sprach von der „schlimmsten Verfolgung“ in der jüngeren Geschichte des Landes.

Flüchtlinge bei religiös bedingten Konflikten nicht einfach trennen

Für Kauder besteht die Stärke des vor zwei Jahren in Oslo gegründeten „losen Netzwerks“ von Parlamentariern gerade in der Internationalität. Selbst Diktatoren lasse es nicht gleichgültig, wenn ihre Regierung vor aller Welt der Missachtung von Religionsfreiheit bezichtigt werde. So will die Konferenz mit Briefen an mehrere Regierungen wie in Myanmar oder im Sudan die Achtung der Religionsfreiheit anmahnen. Eine Delegationsreise soll dann der Forderung Nachdruck verleihen. Das Netzwerk kann nach Kauders Worten bereits Erfolge vorweisen: beispielsweise im indischen Bundesstaat Orissa, wo es zu brutalen Christenverfolgungen kam. Der oberste Gerichtshof habe die Regierung inzwischen zur Entschädigung der Christen verpflichtet. Schwer sei hingegen eine Einflussnahme auf China, räumte er ein.

Auch Deutschland war Thema des Treffens. Asya Mazir empfahl eine bessere Integrationspolitik, gerade um Konflikte wie in ihrem Land zu vermeiden. Kauder griff den Hinweis zustimmend auf: Von der gegenseitigen Akzeptanz anderer Religionen hänge ab, „dass wir in einer Gesellschaft friedlich miteinander leben können“. Das bedeute etwa, Flüchtlinge bei religiös bedingten Konflikten in Unterkünften nicht einfach zu trennen, sondern den Respekt gegenüber anderen Überzeugungen durchzusetzen. Nachholbedarf bei der Vermittlung von Grundwerten sah Merkel besonders im Verhältnis zu den Juden. Leider seien unter den Flüchtlingen teilweise Antisemitismus und der Hass auf Israel verbreitet.

Eine Einschränkung der Religionsfreiheit ist für Merkel allein in den engen Grenzen der Verfassung möglich. So sprach sie sich bei der Diskussion um ein Verbot der Vollverschleierung lediglich für „präzise Handlungsvorgaben“ etwa im öffentlichen Dienst oder vor Gericht aus – auch wenn sie Nikab oder Burka für ein „großes Hindernis bei der Integration“ halte. Die logische Konsequenz der Religionsfreiheit sei „gelebte Vielfalt“. Sie könne „nur davor warnen, mit vermeintlich einfachen Lösungen das Rad zurückzudrehen“, mahnte die Kanzlerin und erinnerte an die leidvollen Erfahrungen konfessioneller Auseinandersetzungen in der deutschen Geschichte.