Film/Kultur/Religion
„Rollt“ bei ihm: Tan Çağlar in neuer TV-Hauptrolle zu sehen
Der Sport hat Tan Çağlar in einer schweren Phase zurück ins Leben gebracht. Danach hat seine Karriere an Fahrt aufgenommen. Die fiktive Sachsenklinik ist ein neuer Arbeitsplatz des vielseitigen Künstlers, der wegen einer Rückenmarkserkrankung im Rollstuhl sitzt.
Rollstuhlbasketballer, Motivations-Coach, Model auf der Berliner Fashion Week, Moderator, Autor und Comedian mit eigenem Bühnen-Programm: Tan Çağlar sucht immer wieder neue Herausforderungen. Vom kommenden Dienstag (10. August) an ist der Entertainer aus Hildesheim in einer weiteren Rolle zu sehen. Der 41-Jährige spielt Doktor Ilay Demir in der Arztserie „In aller Freundschaft“ (Das Erste, 21.00 Uhr). Die MDR-Produktion läuft bereits seit 1998 und lockt jede Woche rund fünf Millionen vor allem weibliche Fans vor den Bildschirm.
„Ich freue mich, dass mir diese Hauptrolle zugetraut wurde, obwohl ich auf keiner Schauspielschule war“, sagt der neue TV-Arzt bei einem Treffen in seinem Hildesheimer Lieblings-Café. „Als die Einladung zum Casting für eine Klinik-Serie kam, war mein erster Gedanke, dass ich vielleicht ein Unfallopfer spielen sollte.“ Wegen einer angeborenen Rückenmarkserkrankung ist der Künstler seit dem Alter von Mitte 20 auf den Rollstuhl angewiesen.
MDR lobt Çağlar in höchsten Tönen
Als Doktor Demir soll Tan Çağlar frischen Wind in die Sachsenklinik aus dem TV bringen. Er habe eine „tolle Bildschirmpräsenz“ und bereite sich akribisch auf jede Szene vor, heißt es vom MDR. Der Viszeralchirurg lässt sich von Autoritäten nicht aufhalten. Seine Selbstsicherheit kann in Arroganz umschlagen, und er fährt eine Protzerkarre, was Çağlar als Autofan begeistert: „Die Macherinnen und Macher waren bei der Gestaltung meiner Rolle glücklicherweise sehr offen. Und meinen Humor konnte ich auch einfließen lassen.“
Erst vor etwa sechs Jahren hat er den Schritt in die Unterhaltungsbranche gewagt. Einer seiner ersten Auftritte vor großem Publikum war als Gast in der Bühnenshow von Bülent Ceylan. Der Mannheimer Comedian sagt über den Kollegen: „Tan Çağlar ist ein sehr bodenständiger, ehrgeiziger und herzlicher Mensch.“
Tour trotz Pandemie
Soweit es die Pandemie erlaubt, will der Niedersachse die Tour mit seinem zweiten Comedy-Programm „Geht nicht? Gibt’s nicht!“ fortsetzen. Wird das nicht alles zu viel? „Es ist definitiv zu viel, aber es ist positiver Stress“, sagt Çağlar. Das direkte Feedback des Live-Publikums sei sein Ding. Für seine Auftritte und Engagements fährt er rund 50.000 Kilometer im Jahr, sein Wagen habe schon beträchtlich gelitten: „Bahnfahren ist für mich als Rollstuhlfahrer aber sehr zeitaufwendig, da man jede Fahrt umständlich anmelden muss.“
Bis zum Abitur und während seiner kaufmännischen Ausbildung beeinträchtigte ihn seine Krankheit noch nicht so sehr. Doch ab 2005 konnte er sich nicht mehr mit Krücken fortbewegen und musste sich dauerhaft mit dem Rollstuhl anfreunden. Als dies feststand, sei er in ein Loch gefallen und habe sich erst einmal verkrochen, erinnert sich der heute Vielbeschäftigte.
Rollstuhlbasketball als Motivationshilfe
Doch irgendwann entdeckte er beim Zappen im Fernsehen Rollstuhlbasketball und war fasziniert von den coolen, tätowierten Typen, die beim Kampf um den Ball wie Autoscooter aneinander krachten. Çağlar probierte den Sport aus und wurde rasch Profi bei Hannover United und später bei den Baskets 96 Rahden. Als „Cristiano Ronaldo des Rollstuhlbasketballs“ bezeichnete ihn ein Fachmagazin.
Rund vier Mal im Monat dreht Çağlar am Set der Sachsenklinik „In aller Freundschaft“ in Leipzig, seine Homebase bleibt aber Hildesheim, wo seine aus der Türkei eingewanderten Eltern seit den 70er Jahren leben. Als deutsche Tradition schaute Familie Çağlar früher sonntags gemeinsam den „Tatort“ im Ersten. „Kommissar Schimanski fand ich toll“, erinnert sich der Sohn.
Im November ist er selbst in einem Berliner „Tatort“ als Assistent zu sehen. „Ich bin da ein Computer-Nerd. Es ist wie Doktor Demir eine Anti-Klischee-Rolle“, freut sich der 41-Jährige. Gerne würde er auch mal einen Nicht-Rollstuhlfahrer spielen. „Wer sagt denn, dass eine Person in einem Film immer stehend und gehend zu sehen sein muss?“
dpa/dtj