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Kultur/Religion

Vatikankirche, mitfinanziert von den muslimischen Osmanen und orthodoxen Griechen

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Ihre Errichtung galt einst als Sakrileg, musste dafür doch ein Grabfeld bebaut werden. Doch am Ende sollte sich doch herausstellen, dass die Basilika Sankt Paul vor den Mauern tatsächlich das Grab des Apostels Paulus beherbergte.

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Wofür stehen Religionen? In der Gegenwart werden sie sehr oft für Konflikte und Kriege instrumentalisiert. Die Religion selbst, egal welche, wird von vielen als Hindernis für ein friedliches Zusammenleben gesehen. Je areligiöser man ist, desto weltoffener ist man, so die allgemeine Wahrnehmung. Viele Projekte in der Geschichte und Gegenwart legen aber ein Zeugnis darüber ab, dass Religionen nicht nur für das Zusammenleben stehen, sondern auch Projektbezogen zusammen arbeiten können. Das Projekt House of One in Berlin ist ein Beispiel aus der Gegenwart. Die Kirche Sankt Paul vor den Mauern in Rom ist ein Beispiel aus der Geschichte, bei dessen Errichtung auch muslimische Staaten mitgewirkt haben.

Nach dem Petersdom ist sie die größte Kirche Roms: Sankt Paul vor den Mauern. Es handelt sich bei ihr um eine päpstliche Basilika, eine bedeutungsvolle Kirche, deren Titel erst vom Papst höchstpersönlich verliehen werden muss. Unter ihr befindet sich das Grab des Apostels Paulus. Sie soll die Einheit der Kirche repräsentieren. Es ist eine Kirche mit einer interessanten Geschichte, die von Grund auf neu erbaut werden musste.

Das Jahr 1823, in dem die Kirche niedergebrannt war, breitete sich gerade der Säkularismus und Nationalismus in Europa aus, davon war auch Italien sehr stark betroffen. Die Existenz des Vatikans war durch die Entstehung des italienischen Nationalstaates grundsätzlich in Frage gestellt. Zeitweilig musste der Papst Pius IX den Vatikan verlassen. Erst mit den Verträgen im Jahre 1929 unter Mussolinis Herrschaft war der juristische Status des Vatikans geregelt worden.

Protestantische Niederlande, orthodoxes Griechenland und muslimische Osmanen finanzieren römisch-katholische Kirche

In dieser Umbruchszeit erlangte die Errichtung der Kirche eine symbolische Bedeutung. Der Vatikan machte einen weltweiten Aufruf für die Unterstützung des Wiederaufbaus der im Jahre 1823 niedergebrannten Kirche. Bei diesem Existenzkampf des Vatikans hatte jede Unterstützung nicht nur einen finanziellen Charakter, sondern galt auch als Solidaritätsbekundung mit dem Papsttum. Werden nur die katholisch-dominierten Länder dem Ruf des Papstes folgen oder auch andere?

Das Interessante hierbei ist – und dies macht viel von der Einheit dieser Kirche aus -, dass weltweit Katholiken und Nichtkatholiken dabei halfen, das Gotteshaus wieder aufzubauen. Neben protestantischen und orthodoxen Ländern auch muslimische. Die wunderschönen Alabaster-Säulen sind z.B. ein Geschenk Mohammad Ali Paschas aus der damaligen osmanischen Provinz Ägypten. Die Fenster sind ebenfalls ein Geschenk, nämlich von König Fu’ad I., ebenfalls aus Ägypten. Selbst der orthodoxe russische Zar Nikolaus beteiligte sich an dem Aufbau der Kirche und finanzierte den äußeren Bereich. Auch die Osmanen selbst beteiligten sich am Wiederaufbau. Zum Dank wurden die Namen der Länder, die den Wiederaufbau der Kirche unterstützt hatten, am Haupteingang eingraviert (siehe Titelbild).

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Benediktiner kämpften um ihr Nutzungsrecht

An der heutigen Stelle der Paulus-Basilika zog sich einst ein riesiges Gräberfeld den Tiber entlang, ein Stück außerhalb der damaligen Stadtgrenze von Rom. Der riesige Friedhof befand sich an jener Stelle, an der heute die Mönche leben. 320 ließ Kaiser Constantin das Gräberfeld einebnen, um über dem Grab des Paulus eine erste Kirche zu errichten. Den Friedhof zu zerstören war ein ungeheuerlicher Akt, denn sowohl den Römern als auch den frühen Christen galt es als undenkbar, ein Grab anzutasten. Auch in weiterer Folge wurde jedoch über Jahrhunderte hinweg die Information weitergegeben, dass sich das Grab des Apostel Paulus an dieser Stelle befunden habe, auch wenn es keinen Beweis gab.

Die Basilika ist heute eine exterritoriale Anlage des Vatikans. Die Benediktiner, die sie seit dem 8.Jhd. mehr als alle anderen christlichen Religionsträger mit dem Grab und der Kirche verbinden, dürfen die Kirche nur mit Erlaubnis des Vatikans für ihre Abtei nutzen. Doch die Gemeinschaft wurde im Laufe der Jahre zu klein, um die Aufgaben an diesem Ort noch bewältigen zu können und einflussreiche Kreise im Vatikan wollten die Gelegenheit nutzen, um die Benediktiner durch eine neue geistliche Gemeinschaft zu ersetzen. Die Benediktiner wollten dies nicht hinnehmen. Sie mobilisierten Benediktiner aus der ganzen Welt, die sich befristet in der Abtei aufhielten, meist für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Sie sollten als Mönche dort leben, während sich neue Kandidaten endgültig der Gemeinschaft anschlossen. Auch dieser Aspekt – Mönche unterschiedlichster Nationalitäten – ist ein Symbol für die Einheit der Kirche. Aufgrund der vielen Pilger, die diesen Ort besuchen, erschien eine rein italienische Gemeinschaft allerdings auch nutzlos und die international zusammengesetzte Mönchsgemeinschaft als vorteilhaft für das Betreuen von Gästen aus aller Welt.

Seit fast zweitausend Jahren steht an der gleichen Stelle auch ein Grablicht für Paulus, das niemals erlischt.

1823 gerät die Basilika bei Bauarbeiten in Brand. Während des Wiederaufbaus nutzen Archäologen die Gelegenheit, um intensiv nach dem Grab zu forschen, doch ohne Erfolg. Im Jahr 2003 unternahm der italienische Archäologe Professor Giorgio Filippi einen neuen Versuch. Und es gelang ihm tatsächlich, den Sarkophag des Paulus zu finden. Es war für katholische Gläubige aus aller Welt eine große Freude, das Grabmal des Apostels wieder berühren zu können.

Papst mit längstem Pontifikat weiht „neue“ Kirche ein

Die Paulus-Kirche in ihrer heutigen Gestalt entstand zwar erst nach dem Brand, entspricht aber genau dem Vorbild der antiken Kaiserbasilika aus dem Jahr 390. Die neue Kirche wurde 1854 von Pius IX, der mit 31 Jahren 6 Monaten und 25 Tagen das längste nachweisbares Pontifikat der Geschichte inne hatte, eingeweiht.

Über den Säulen der Kirche liegen Tondi, Rundbilder aller 266 Päpste, zusammen mit dem Heiligen Peter. Durch das Feuer sind die meisten Bilder durch das Feuer von 1823 beschädigt wurden und mussten restauriert werden, einige Inschriften gingen allerdings verloren. Es gibt nur noch wenige freie Tondi, an denen das Bild des neuen Papstes aufgehängt werden kann. Eine Legende besagt, dass die Welt enden wird, wenn kein Tondo mehr frei ist.