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Kultur/Religion

Roman: Eine Muslimin auf dem Weg zur Kanzlerin

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Deutschland im Kulturkampf: Der erste Roman des „Tagesschau“-Sprechers Constantin Schreiber befasst sich mit dem umstrittenen Thema der Identitätspolitik.

Der Auftakt ist ziemlich gruselig und erinnert ein bisschen an Goebbels berüchtigte Sportpalastrede von 1943, in der er zum totalen Krieg aufforderte. In Constantin Schreibers Buch „Die Kandidatin“ nimmt ein „junger Mann mit Vielfältigkeitsmerkmal“ auf einer Wahlkampfveranstaltung die Rhetorik des NS-Propagandaministers auf. „Wollt ihr absolute Diversität?“, schreit er in die Menge hinein und die Leute antworten begeistert „Ja“, nur ein paar alte weiße Männer und Frauen recken wütend die Fäuste in die Luft und warnen vor einer feindlichen Übernahme des Landes. Sie fürchten sich vor einer künftigen Bundeskanzlerin Sabah Hussein, die nicht nur Mitglied der Ökologischen Partei ist, sondern auch erklärte Feministin, Muslimin und ein Flüchtlingskind.

Der „Untergang des Abendlandes“ steht dräuend vor der Tür. Journalisten wollen Hussein diskreditieren, Rechtsradikale planen den bewaffneten Widerstand. Damit ist der Tenor gesetzt: In seinem ersten fiktionalen Werk fasst der „Tagesschau“-Sprecher, Fernsehjournalist und Autor Constantin Schreiber („Inside Islam„, „Kinder des Koran“) ein heißes Eisen an. Es geht um Identitätspolitik. Schreiber behandelt dieses hochaktuelle und umstrittene Thema in einer düsteren Zukunftsvision, genau genommen ist es eine Dystopie. Denn das Bild, das er von Deutschland im Jahr 2050 zeichnet, ist nicht wirklich erquicklich.

China als Schreck

Wirtschaftlich steht das Land unter der Fuchtel der Chinesen und seine Kultur vor dem Ausverkauf. Die berühmte Nofretete-Büste ist über den Umweg von Kairo schlussendlich in Peking gelandet: „In zweihundert Jahren wird das kulturelle Vermächtnis des Westens hier lebendig sein, wenn in Europa alles vergangen ist.“ Auch mit dem deutschen Gesundheits- und Sozialsystem steht es nicht zum Besten. Die Lebenserwartung wird von Algorithmen errechnet. Wer nicht genug Versicherungspunkte für eine aufwendige Behandlung hat, kommt in die „Endhalle“. Sozial Benachteiligte, die sich keine normalen Wohnungen leisten können, leben in Containern.

Das von der Ökologischen Partei regierte Land ist ganz durchdrungen von der Identitätspolitik. Es herrscht eine gesetzlich festgeschriebene Diversitätsquote, die Unternehmen dazu zwingt, genügend Menschen mit „Vielfältigkeitsmerkmalen“ einzustellen. An den Universitäten müssen sich Bewerber zur Untersuchung ihrer politischen Gesinnung einer computergesteuerten „peinlichen Analyse“ unterwerfen, was an die „peinliche Befragung“ im Mittelalter auf der Streckbank erinnert.

Hayali als Vorbild

Schreiber (41) treibt den „Diversitätswahn“ satirisch mit einigen Schmankerln auf die Spitze, etwa damit, dass James Bond jetzt eine „diverse Agentin ist, eine schwarze, lesbische Frau mit Behinderung“. Die Diversity-Hymne ist zur inoffiziellen Nationalhymne avanciert und der einfarbige Genderkaftan, „der jegliche Körperformen neutral verhüllt“, wird zum Statement einer „zeitgemäßen, nichtbinären“ Lebensweise. Einige Figuren des Romans sind offensichtlich von realen Vorbildern inspiriert, so weist die streitbare Journalistin Rania Hamami Züge der bekannten Fernsehjournalistin Dunja Hayali auf.

Der ziemlich einfach gestrickte Roman hat keine wirklichen Sympathieträger, das gilt selbst für die Hauptfigur, die nicht einmal als Attentatsopfer viel einnehmender wird. Es bleibt der Verdacht im Raum stehen, dass Sabah Hussein ihren kometenhaften Aufstieg weniger ihren Fähigkeiten als ihrem „Vielfältigkeitsmerkmal“ zu verdanken hat. Der Roman erinnert ein bisschen an „Unterwerfung“ des französischen Schriftstellers und Provokateurs Michel Houellebecq, ist allerdings viel schablonenhafter.

Schreiber greift tatsächlich schon existierende, vielleicht diskussionswürdige Ansätze in Politik und Gesellschaft auf und steigert sie ins Groteske. In der Beschreibung der absurden Auswüchse einer überdrehten Identitätspolitik zeigt er sich recht einfallsreich. Das kann man mit Humor nehmen, doch dürften sich auch viele an seiner harten Schwarz-Weiß-Zeichnung stoßen. Ohnehin gilt Schreiber in muslimischen Kreisen als mindestens diskussionswürdig.

dpa

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