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Politik

Medwedew: „Es besteht eine reale Gefahr für unsere Interessen“

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Aus dem ukrainischen Chaos, wie es die Russen nennen, hält sich die Führung in Moskau zumindest offiziell raus. Trotzdem gibt es für Kremlchef Putin eine rote Linie. Es geht um den alten Zankapfel Krim. (Foto: reuters)

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Medwedew redet mit Journalisten in Sotschi.
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In Scharen reisen Russen in diesen Krisenzeiten der Ukraine auf die Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Es sind aber nicht nur Touristen, die das milde Klima schätzen, sondern auch besorgte Emissäre Moskaus. In Russland herrscht die Sorge, dass die nationalistischen und Europa-nahen Kräfte in der Ukraine die Autonomie des seit Jahrhunderten umkämpften Eilands aufheben und damit den strategisch wichtigen Außenposten der legendären russischen Schwarzmeerflotte gefährden. Außerdem besteht die Bevölkerungsmehrheit der Krim aus Russen, für deren Sicherheit sich Moskau verantwortlich fühlt.

Die Krim hat aus diesen Gründen eine hohe Bedeutung in Russland. Kremlchef Wladimir Putin hat sich die dortige Marinebasis stets einiges kosten lassen. Mitten in der Krise in der Ukraine hat der Kremlchef Wladimir Putin zudem nun angeordnet, die Gefechtsbereitschaft der im Westen stationierten russischen Armee zu überprüfen. Auch die Luftlandekräfte sollten einbezogen werden, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge. Geprüft werden solle die Bereitschaft in Krisensituationen sowie bei militärischer Bedrohung, sagte Schoigu. Die Prüfung erfolge in zwei Etappen ab sofort bis zum 3. März. Im vergangenen Jahr hatte Putin mehrmals kurzfristig auch Manöver angeordnet.Wie groß die Bedeutung der Krim in Russland ist, zeigen auch Umfragen. Bis heute sieht die Mehrheit der Russen – 56 Prozent laut Umfragen – die Krim als ihr Territorium.

Zwar beteuern offizielle Stellen in Moskau, dass das russische Militär nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch nun keineswegs das Machtvakuum ausnutzen wolle, um sich die Krim einzuverleiben. Doch ein Satz von Regierungschef Dmitri Medwedew, der sich im russischen Schwarzmeerkurort Sotschi nicht weit von der Krim äußerte, schreckte viele Ukrainer auf: „Es besteht eine reale Gefahr für unsere Interessen – sowie für das Leben und Gesundheit unserer Landsleute.“ Droht ein Einmarsch russischer Truppen?

Medwedew: „Es besteht eine reale Gefahr für unsere Interessen“

Moskaus Militärdoktrin erlaubt einen solchen Schritt zum Schutz eigener Bürger im Ausland. Medwedew ließ diese Möglichkeit noch in seiner Zeit als Kremlchef schaffen – nach dem Südkaukasuskrieg 2008, als Georgien im Konflikt mit Russland die Kontrolle über seine abtrünnigen Territorien Südossetien und Abchasien verlor. Auf der Krim gelten heute rund 60 Prozent der Bewohner als Russen. Für die Ukraine insgesamt weisen die Statistiken sieben Millionen Russen aus – bei einer Gesamtbevölkerung von 45 Millionen.

In Moskau hat inzwischen eine heiße Debatte darüber begonnen, Ukrainer in vereinfachten Verfahren massenhaft mit russischen Pässen auszustatten. Es gehe um Hilfe für die Brüder und Schwestern im Nachbarland, heißt es etwa im Föderationsrat. Er sei auf der Krim, um Hilfsmaßnahmen auszuloten, sagte auch der Parlamentsabgeordnete Leonid Sluzki. In Moskau rief Putin den Nationalen Sicherheitsrat zusammen – mit den Chefs verschiedener Geheimdienste sowie des Verteidigungs-, des Innen- und des Außenministeriums.

Dass Moskau bereit ist, seine Interessen mit großer Ausdauer auch auf diplomatischer Ebene zu vertreten, zeigt das Beispiel Syrien. Dort unterhält Russland seine einzige Marinebasis im Mittelmeer und fürchtet, bei einem Sieg der syrischen Opposition diesen Stützpunkt zu verlieren. Russland gehört auch aus diesem Grund zu einem der wichtigsten Verbündeten des Assadregimes.

Erste Demonstrationen mit dem Aufruf, sich Russland anzuschließen

„Für die Befreiung der Krim wurde so viel Blut vergossen. Dort ankert unsere Schwarzmeerflotte“, sagte Valentina Matwijenko, Vorsitzende des Föderationsrats und Mitglied im nationalen Sicherheitsrat, dem Radiosender Echo Moskwy. Sie betonte zwar nach einem Krim-Besuch, dass Russland die Autonomie anerkenne und die Regierung dort noch in der Lage sei, ihre Interessen zu schützen. „Es werden aber Schritte einer Reaktion vorbereitet“, sagte sie über die Arbeit im Sicherheitsrat.

Eingreifen können die Russen nach ihren eigenen Gesetzen nur, wenn die Krim-Führung ausdrücklich um Schutz bittet. Die rote Linie, meinte Matwijenko, werde dann überschritten, wenn rechtsradikale Kräfte aus dem nationalistisch geprägten Westen der Ukraine mit Waffen in der Hand eine Diktatur auf der Krim errichten würden. „Das verzeiht uns niemand“, sagte Matwijenko.

Immerhin begannen nach dem Machtwechsel in Kiew nun in der Großstadt Sewastopol erste größere Demonstrationen mit dem Aufruf, sich Russland anzuschließen. Nicht wenige Krim-Bewohner sind der Meinung, dass im Reich Putins – im Gegensatz zum Chaos in der Ukraine – das Lebensniveau steige und mehr Stabilität und Ordnung herrsche.

Die Teilnehmer einer Kundgebung am Dienstagabend in Simferopol, Verwaltungszentrum der Krim, haben die russische Fahne über dem Gebäude des Obersten Rates der Autonomie gehisst, meldet die Nachrichtenagentur UNN.

Die russische Trikolore weht über dem Haupteingang, während auf dem Dach weiterhin die Flaggen der Ukraine und der Krim geblieben sind. Die Protestteilnehmer betrachten den Machtwechsel in Kiew als gesetzwidrig und fordern ein Referendum über den Status der Krim, heißt es in einer Meldung der Nachrichtenagentur UNIAN.

Neue Regierung legt Lunte an die Autonomierechte

Auch das Präsidium der Obersten Rada der Autonomen Krim-Republik äußerte sich nun besorgt über die Krise im Land, die weit entfernt sei von einer Lösung. Außerdem wachse von Nationalisten der Druck auf Russen und ihre Familien. Die Krim-Führung warnte ausdrücklich vor zunehmender „Konfrontation in der Gesellschaft“. Eine Bitte um Hilfe konnte Russland daraus zunächst allerdings nicht ablesen.

Allerdings werden die Provokationen und Repressalien seitens der neuen Führung in Kiew gegenüber der russischen Bevölkerung im Land immer stärker spürbar. Am Sonntag hatte die Oberste Rada beispielsweise mit überwiegender Stimmenmehrheit das Sprachengesetz von 2012 außer Kraft gesetzt. Laut Gesetz hatte das Russische in den Regionen, in denen es für mindestens zehn Prozent der Bevölkerung Muttersprache ist, den Status einer Regionalsprache. Es geht insgesamt um 13 der 27 Regionen der Ukraine, darunter um das Gebiet Donezk.

Auch soll der ukrainische Generalstabschef Juri Iljin seinen geplanten Besuch in der Hafenstadt Sewastopol auf der Krim nach Angaben der ukrainischen Marine „bis auf weiteres“ verschoben haben, nachdem ein Plan zum Einsatz des Militärs in der dortigen Region aufgeflogen sein soll.

Als Grund für die Entscheidung nannte ein Angehöriger des Stabs der ukrainischen Marine, der anonym bleiben wollte, in einem Gespräch mit RIA Novosti am Dienstag, dass Pläne Kiews, die prorussischen Stimmungen in der Stadt mit Hilfe der Armee zu unterbinden, in Sewastopol bekannt geworden waren. Den Angaben zufolge sollte Iljin bei seiner Visite unter anderem das Zusammenwirken zwischen Armee und Ortsbehörden erörtern, nachdem rund 30 000 Stadtbewohner am 23. Februar einen Bürger Russlands zum Oberbürgermeister gewählt hatten. Am 24. März bestätigten Abgeordnete des Stadtrates den russischen Unternehmer Alexej Tschalyj im Amt des Vorsitzenden des Exekutivkomitees von Sewastopol.

Die ebenfalls auf der Halbinsel lebende Minderheit der „Krimtataren“ fürchtet jedoch die Konsequenzen einer Abspaltung der Krim. (dpa/RIA Novosti/dtj)