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Politik

Scharfe Kritik an Armenier-Resolution des Europäischen Parlaments

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Sowohl der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan als auch das Außenministerium in Ankara haben die jüngste Armenier-Resolution des EP scharf verurteilt. Die Türkei sehe den Geist des Hasses und des Revanchismus hinter der Entschließung.

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Tayyip Erdogan
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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat am Donnerstag im Rahmen seines Besuches in der kasachischen Hauptstadt Astana in scharfen Worten die vom Europäischen Parlament verabschiedete Resolution verurteilt, in der das 100-jährige Jubiläum des Beginns der Ereignisse von 1915/16 und des massenhaften Sterbens von Armeniern im Osmanischen Reich als Chance bezeichnet wird, den „armenischen Genozid“ anzuerkennen.

„Solche Entscheidungen stellen nichts anderes dar als einen Ausdruck der Feindseligkeit gegen die Türkei, und die Armenier werden dafür missbraucht“, erklärte Erdoğan. „Wir nehmen solche Entscheidungen nicht ernst.“ Gleichzeitig erneuerte er seine Aufforderung, Freundschaft mit Armeniern zu schließen. „Leute, überlasst die Geschichte den Historikern. Lasst uns gemeinsam eine neue Zukunft aufbauen im Lichte gemeinsamer Interessen und einer gemeinsamen Vergangenheit.“

Am 15. April hatte das Europäische Parlament mit breiter Mehrheit einen von allen Fraktionen eingebrachten Antrag angenommen, in dem es hieß, die Türkei und Armenien sollten das 100-Jahr-Jubiläum des „armenischen Genozids“ nutzen, um die diplomatischen Beziehungen zu erneuern, die Grenzen zu öffnen und den Weg zur wirtschaftlichen Integration zu ebnen. Die Abgeordneten betonten dabei, es wäre seitens der Türkei nötig, den „armenischen Genozid“ anzuerkennen, um den Weg hin zu einer „grundlegenden Versöhnung“ frei zu machen.

Außerdem wird die Türkei dazu aufgefordert, „in gutem Glauben“ eine Aufstellung jenes armenischen Kulturerbes vorzunehmen, das „im letzten Jahrhundert unter ihrer Jurisdiktion zerstört oder unbrauchbar gemacht worden ist“.

Bereits 1987 sprach das EP erstmals von einem „armenischen Genozid“

Erdoğan machte bereits vor der Abstimmung deutlich, dass die Türkei ein Votum dieser Art nicht beachten würde. Es handelt sich nicht um die erste Entschließung des Europäischen Parlaments, in dem die Rede von einem „Genozid“ im Zusammenhang mit den Ereignissen von 1915/16 ist. Das erste Votum dieser Art stammt aus dem Jahr 1987.

Die Europäische Kommission selbst wich in seiner Terminologie von der Einschätzung des Europäischen Parlaments ab. Die außenpolitische Sprecherin der EU, Maja Kocijancic, verwendete in ihrem täglichen Pressebriefing den Begriff „Tragödie“. Sie rief die Türkei und Armenien dazu auf, Schritte in Richtung Normalisierung zu unternehmen und unterstrich dabei die Notwendigkeit für Frieden und zusätzliche Aufarbeitung der Vergangenheit.

Das Parlament hatte es zuvor als „Schritt in die richtige Richtung“ begrüßt, dass Präsident Erdoğan und weitere türkische Politiker im Vorjahr eine Kondolenzbotschaft an die Armenier gerichtet und anerkannt hatten, dass es zu Gräueltaten gegen die osmanischen Armenier gekommen war.

Ankara: Im Umfeld des Krieges sind Türken und Armenier getötet worden

Auch die bulgarische Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Kristalina Georgieva, erklärte gegenüber dem Parlament, die EU „erkenne in vollem Umfang die Wichtigkeit des bevorstehenden Gedenkens ebenso wie die Divergenz der Auffassungen hinsichtlich dieser Tragödie“. Auch sie verwendete damit nicht den Begriff „Genozid“.

Gleichwohl machte sie deutlich, dass es, „unabhängig von den Worten, mit denen wir diese schrecklichen Ereignisse beschreiben“, keine Leugnung der furchtbaren Realität geben könne.

Armenien und die armenische Diaspora sprechen von 1,5 Millionen Armeniern, die von osmanischen Einheiten in einer Kampagne getötet worden wären, deren Ziel es gewesen wäre, die armenische Bevölkerung in der heutigen Osttürkei auszulöschen.

Die Türkei hingegen spricht davon, dass hunderttausende Menschen, sowohl Türken als auch Armenier, ihr Leben verloren hätten, als die osmanischen Kräfte und die Truppen des Russischen Zarenreiches um die Kontrolle in Ostanatolien kämpften.

Außenministerium sieht „religiösen und kulturellen Fanatismus“ in Europa

„Diese Resolution kann nicht nur mit einem Mangel an Wissen oder purer Ignoranz erklärt werden“, äußerte das türkische Außenministerium in einer schriftlichen Erklärung zum Votum des EU-Parlaments. „Leider sind es religiöser und kultureller Fanatismus sowie eine Indifferenz gegenüber dem Anderen, die dahinterstehen.“ Diese Ambitionen hätten sich in einem „absurden“ Resolutionstext manifestiert, die „wortwörtlich die anti-türkischen Klischees der armenischen Propaganda wiedergibt“.

„Mit dieser Resolution wiederholt das Europäische Parlament exakt den gleichen Fehler, den es schon in der Vergangenheit gemacht hatte, und zwar immer noch in einer Weise, die nicht mit dem Völkerrecht vereinbar ist und die Kompetenzen überschreitet“, heißt es weiter in der Erklärung des Ministeriums. „Diejenigen, die den Text angenommen haben, erinnern sich vielleicht daran, dass die EU auf den Pfeilern der Versöhnung und einer Kultur des Friedens errichtet worden war, sowie Prinzipien wie Demokratie, Menschenrechten und freier Marktwirtschaft.“

Nun aber, da Politiker, die für die Resolution stimmten, „Hass, Revanchismus und eine Kultur des Konflikts“ offenbart hätten, sehe sich das Ministerium gezwungen, darauf hinzuweisen, dass dieses Votum das Potenzial hätte, die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU zu beschädigen, ohne in irgendeiner Weise zu einer Lösung der Differenzen zwischen der Türkei und Armenien beizutragen.

Europa soll „vor der eigenen Türe kehren“

„Sollte das Europäische Parlament tatsächlich zum Aufbau einer gemeinsamen Zukunft der europäischen Völker beitragen, sollte sie begreifen, dass diese nicht dadurch erreicht werde, dass man unterschiedliche Religionen und Kulturen ausgrenzt“, heißt es weiter in dem Statement. „Was die Ereignisse von 1915 anbelangt, ist es offensichtlich, dass die Türkei ihren Beitrag zur Erinnerungskultur geleistet hat. Wir hoffen, dass auch Armenien so bald wie möglich diesen Grad an Reife erreicht.“

Die Mitglieder des Europäischen Parlaments sollten, so das Ministerium weiter, besser ihre eigene Vergangenheit durchleuchten und die Rolle Europas in den abscheulichsten Gräueltaten der Menschheitsgeschichte, beispielsweise im Ersten und Zweiten Weltkrieg, bevor man sich mit dem Thema „1915“ beschäftige.