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Politik

PKK im Iran, dem Irak und Deutschland – Geschichte, Organisation und Wirken

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Die PKK operiert auch im Iran und dem Irak durch Schwesterorganisationen. Sie gilt laut Verfassungsschutz als die „mit Abstand mitgliederstärkste nichtislamistische extremistische Ausländerorganisation“ in Deutschland. Teil 3 der PKK-Analyse. (Foto: rtr)

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Teil 3

Gewaltsame Ausschreitungen zwischen Kurden und mutmaßlichen Unterstützern des sog. „Islamischen Staates“ in Celle und Hamburg, Präsenz von PKK-Gruppierungen auf riesigen Solidaritätsdemonstrationen für die belagerte Stadt Kobani, kurdische Mitglieder von deutschen und niederländischen Motorradklubs reisen in den Irak und nach Syrien, um dort zu kämpfen: Dies sind nur einige Vorkommnisse der letzten Tage, die zeigen, wie sich der Krieg im Irak und in Syrien auf Deutschland und besonders die hier lebenden Kurden auswirkt.

Die tragischen Ereignisse in der Region Shingal, wo Zehntausende Jesiden von heranrückenden Verbänden der Terrororganisation IS brutal überfallen und in die Berge getrieben, getötet oder versklavt wurden und der erbitterte Kampf der syrischen Kurden um die Stadt Kobani werden von vielen Kurden in Deutschland mit großer Anteilnahme verfolgt. Bei vielen älteren Kurden rufen die blutigen Entwicklungen und das Leid alte Erinnerungen von früheren Verfolgungswellen wach. So ist es kaum verwunderlich, dass auf den etlichen kurdischen Demonstrationen, die in den vergangenen Tagen in deutschen Städten abgehalten wurden, der Ruf nach Hilfe und die Forderung nach Waffen für die Kurden geäußert wurde. Doch auffallend ist, dass diese Forderungen meist von PKK nahen Gruppierungen, die auf den Demonstrationen lautstark präsent sind, vorgetragen wird und oft mit dem Apell, die PKK von der Terrorliste in Deutschland zu streichen, einhergeht.

Im folgenden Text soll kurz analysiert werden, wie stark die PKK bzw. mit ihr verbundene Organisationen in Deutschland, aber auch in anderen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens sind.

PJAK: PKK Schwesterorganisation im Iran

Die PKK verfügt seit 2004 auch im Iran, wo etwa 10% der Bevölkerung Kurden sind, offiziell über eine Schwesterorganisation, die sog. „Partei für ein Freies Leben in Kurdistan“ (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê, kurz PJAK). Sie ist Teil der PKK-Dachorganisation KCK.

Die PJAK ist in mehrere Unterabteilungen gegliedert, die sich in ihrem jeweiligen Aufgabengebiet voneinander unterscheiden. Der militärische Arm der PJAK ist als „Ostkurdistankräfte“ (Hezên Rojhilatê Kurdistan, HRK) bekannt und kämpft mindestens seit 2004 gegen iranische Sicherheitskräfte in den nordwestlichen Provinzen des Irans. Schätzungen über die Kampfstärke der HRK gehen auseinander und reichen von 1.000 bis 3.000 aktiver Kämpfer, darunter auch Frauen. Außerdem verfügt die PJAK über eine speziell für Frauen geschaffene Abteilung, die „Union der Frauen Ostkurdistans“ (Yekitîya Jinên Rojhilatê Kurdistan, YJRK), eine Jugendabteilung, die „Union der Jugendlichen Ostkurdistans“ (Yekitîya Ciwanên Rojhilatê Kurdistan, YCRK) und eine auf Presse- bzw. Propagandaarbeit speizialisierte Abteilung, die „Union der Demokratischen Presse“ (Yekitîya Ragihandina Demokratîk, YRD).

Irak: YPG hat Rückhalt in Shingal

Die PKK und besonders ihr militärischer Arm nutzt die unzugänglichen Kandil-Berge im äußersten Nordosten des Iraks nahe der Grenze zum Iran als Hauptrückzugsort und verfügt dort über mehrere Basen. Doch auch außerhalb dieses Gebiets ist die PKK im Irak aktiv. So gilt die 2002 gegründete sog. „Partei für eine politische Lösung in Kurdistan“ (Partî Çareserî Dîmukratî Kurdistan, kurz PÇDK), die ebenfalls Teil der PKK-Dachorganisation KCK ist, als Schwesterorganisation der PKK im Irak. Bei den Parlamentswahlen in der Autonomen Region Kurdistan im September 2013 erhielt die PÇDK jedoch nur einige Tausend Stimmen.

In diesem Kontext ist anzumerken, dass die PKK durch den militärischen Arm ihrer syrischen Schwesterorganisation „Partei der Demokratischen Union“ (Partiya Yekitîya Demokrat, kurz PYD) seit einigen Monaten in der Region Shingal aktiv ist. Dort hatten sich irakisch-kurdische Peschmerga-Einheiten zurückgezogen, als IS-Verbände auf die von Jesiden bewohnte Region vorrückten. In Folge des ungebremsten Vormarsches des IS wurden Hunderte Jesiden getötet oder gefangengenommen und Tausende flohen verzweifelt auf den Gebirgszug Dschabal Sindschar. Dort waren die Flüchtlinge jedoch ohne Wasser und Nahrung tagelang von IS-Einheiten eingekesselt.

Erst die aus Syrien herangeeilten kurdischen Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel, YPG) errichteten einen Fluchtkorridor. Seitdem verfügt die PKK-nahe YPG unter der jesidischen Bevölkerung über einen großen Rückhalt. Die PKK präsentiert sich außerdem zunehmend als politische Alternative zum übermächtigen Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan (KRG) im Irak, Masud Barzani. So formten mehrere jesidische Männer als Reaktion auf den Rückzug der Peschmerga die Miliz Yekîneyên Berxwedana Şingal (YBŞ). Einige Einheiten der YBŞ wurden Berichten von führenden Mitgliedern der Gruppe zufolge von YPG-Kämpfern trainiert und teilweise ausgebildet. Ihr wichtigstes Trainingscamp heißt laut Angaben von „ezidipress“ „Derwêşê Evdî“. Auch in Deutschland solidarisierten sich viele Angehörige der jesidischen Gemeinschaft nach den Ereignissen in Shingal mit der YPG bzw. der PKK.

Situation in Deutschland

Die PKK unterliegt seit dem 22. November 1993 in Deutschland einem Betätigungsverbot und die Europäische Union führt sie seit 2002 als terroristische Organisation. Dem Verfassungsschutzbericht 2013 zufolge bilden rund 13.000 der in Deutschland lebenden Kurden die „Kernanhängerschaft“ der PKK, wodurch sie vom Verfassungsschutz als die „mit Abstand die mitgliederstärkste nichtislamistische extremistische Ausländerorganisation“ in Deutschland eingeschätzt wird. Regelmäßig finden Prozesse gegen mutmaßliche PKK-Funktionäre statt, wie auch im Februar 2014.

Der Schwerpunkt der PKK-Aktivitäten in Deutschland ist dem Bericht nach die „logistische und finanzielle Unterstützung der Gesamtorganisation“ und in geringerem Maße die Rekrutierung „jugendlicher Kader für den Guerillakampf in der Türkei“ sowie die Organisation von Veranstaltungen und Demonstrationen. Die PKK habe allein im Jahr 2013 etwa 9 Millionen Euro Spenden in Deutschland sammeln können. Seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien intensiviert die Gruppe ihre Solidaritätsaktionen für die syrischen Kurden und die PYD bzw. die YPG.

Trotz vereinzelter Gewaltaktionen, etwa gegen nationalistische türkische Gruppen, hält sich die PKK und die mit ihr verbundenen Gruppierungen laut Verfassungsschutz „aus taktischen Gründen“ zurück, wobei sie jedoch „ihrer Grundhaltung militanten Aktionsformen verpflichtet“ bleibe.

Durch die „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ betreibt die PKK in Deutschland Öffentlichkeitsarbeit und wirbt für eine Aufhebung des bestehenden Betätigungsverbots in Deutschland. Außerdem versucht die PKK sich als „einzig legitime Vertreterin und Ansprechpartnerin in der Kurdenfrage“ zu etablieren.

In den vergangenen Tagen wird der Umgang mit der PKK von deutschen Politikern kontrovers diskutiert. Dabei nimmt die Partei „Die Linke“ eine herausragende Rolle ein. Zwar hat der deutsche Bundesinnenminister Thomas de Maizière vor wenigen Tagen in einem Interview mit der ARD eine Aufhebung des in der EU geltenden Verbots dieser Organisation kategorisch ausgeschlossen. Doch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) deutete kurz darauf Überlegungen über eine Bewaffnung der PKK an. Auch die USA arbeiten seit einigen Tagen direkt mit der YPG zusammen, um Luftschläge gegen IS-Ziele in Kobani zu koordinieren. Es bleibt daher nicht ausgeschlossen, dass die Entwicklung in Syrien, der Türkei und dem Irak sich direkt auf das Verbot der PKK in Deutschland auswirken. Der Verfassungsschutz warnte in der vergangenen Woche vor neuen gewaltsamen Zusammenstößen zwischen PKK-Anhängern und anderen Gruppierungen in Deutschland. Sollten sich Aktionen wie in Celle oder Hamburg wiederholen, so wäre eine Diskussion über die PKK (zumindest in Deutschland) schnell vom Tisch.

Hier Teil 2 und Teil 1