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Politik

Schiebt die Türkei völkerrechtswidrig syrische Flüchtlinge ab?

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Amnesty International beschuldigt die Türkei, völkerrechtswidrig syrische Flüchtlinge abzuschieben. Das türkische Außenministerium dementiert und reicht die Kritik an die EU weiter.

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Flüchtlinge
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Die Türkei hat Berichte über die zwangsweise Rückführung von syrischen Flüchtlingen abgestritten. In einer schriftlichen Erklärung des türkischen Außenministeriums wurde beteuert, dass die Türkei seit mehr als fünf Jahren gegenüber syrischen Flüchtlingen eine „Politik der offenen Tür“ verfolge. „Dass Syrer dazu ermutigt werden, freiwillig in ihr Land zurückzukehren, oder dazu gezwungen werden, ist nicht der Fall“, heißt es in der Erklärung. Mit mittlerweile 2,7 Millionen Syrern sei die Türkei weltweit das Land mit den höchsten Flüchtlingszahlen.

Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) hatte der Türkei vorgeworfen, seit Mitte Januar syrische Flüchtlinge mit Bussen in das Bürgerkriegsland zurückzuschicken. Fast täglich würden Flüchtlingsgruppen von bis zu 100 Menschen zwangsweise zurück nach Syrien gebracht, auch Frauen und Kinder. „In einem Fall hat Ankara drei kleine Kinder ohne ihre Eltern nach Syrien abgeschoben, in einem anderen Fall wurde eine Frau, die im achten Monat schwanger war, zur Rückkehr nach Syrien gezwungen. Dieses menschenverachtende Verhalten der Türkei ist ein klarer Völkerrechtsbruch und muss sofort beendet werden“, sagt Marie Lucas, Türkei-Expertin bei Amnesty International in Deutschland.

„Die Türkei ist kein sicherer Drittstaat für Flüchtlinge“

Seit Montag wird das Flüchtlingsabkommen zwischen der Türkei und der EU umgesetzt: Griechenland schickt Flüchtlinge aus der Ägäis in die Türkei zurück, während die EU in gleicher Zahl Flüchtlinge aus der Türkei aufnimmt. Im Abkommen mit der EU hat sich die Türkei aber auch zur Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet und fungiert als sogenannter sicherer Drittstaat. Die Bürgerkriegsflüchtlinge haben einen völkerrechtlich verankerte Schutzanspruch und sollen in der Türkei bleiben dürfen. Viele internationale Beobachter bezweifeln jedoch, dass die Türkei sich an die Abmachung hält.

Schon seit Monaten wirft die Menschenrechtsorganisation der Türkei vor, Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak und Syrien auf dem Weg an die Ägäisküste abzufangen und gegen ihren Willen in ein von der EU finanziertes Abschiebelager nahe Erzurum zu bringen. Von dort aus würden sie in ihre Herkunftsländer abgeschoben, ohne vorher einen Rechtsbeistand oder ein geregeltes Asylantragsverfahren zu erhalten. Die Nachforschungen von Amnesty International hätten gezeigt, „dass die Türkei kein sicherer Drittstaat für Flüchtlinge ist, auf den sich die EU verlassen darf.“

Dem türkischen Außenministerium zufolge stimmen diese Informationen mit der Wahrheit nicht überein. Demnach gebe es in der Türkei in zehn Provinzen 26 Flüchtlingscamps. In diesen Camps biete die Türkei den Flüchtlingen kostenlos Nahrung, Bildung, ärztliche Versorgung und andere soziale und berufliche Bildungsmöglichkeiten an. Darüber hinaus genössen die syrischen Flüchtlinge auch außerhalb der Lager kostenlose ärztliche Versorgung sowie Bildungsmöglichkeiten. Ferner habe die Türkei den Flüchtlingen am 15. Januar dieses Jahres Arbeitserlaubnis erteilt.

De Maizière: Modell Türkei ist Beispiel für andere Länder

Auch der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht in dem Pakt mit der Türkei ein Erfolgsmodell, von dem er sich sogar vorstellen kann, es auf nordafrikanische Staaten auszuweiten. Angesichts des zu erwartenden Andrangs von Flüchtlingen aus Nordafrika gelte es, mit den dortigen Staaten über ähnliche Modelle der Rückführung von Migranten und humanitäre Kontingente zu reden, sagte de Maizière am Dienstag in Wien nach einem Treffen mit Kollegen aus Österreich, der Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein.

„Die Methode ist richtig“, meinte de Maizière mit Blick auf das Ziel, das Geschäft der Schlepper künftig strukturell zu durchkreuzen. Allerdings werde das nicht einfach. „Das wird ungleich komplizierter werden als mit der Türkei, und da ist es schon kompliziert genug“, sagte der Minister.

In der Erklärung des Außenministeriums hat sich die türkische Regierung aber auch einen Seitenhieb an die europäischen Länder nicht verkniffen: „Während unser Land für die syrischen Flüchtlinge jede Art von Hilfe zu gewähren sich bemüht, beobachten wir es mit Trauer, dass diejenigen Länder, die vor diesen Flüchtlingen ihre Grenzen mit Stacheldrahtzäunen absichern, solche Meldungen intensiv an ihre Öffentlichkeit heraustragen.“

Auch Amnesty International kritisierte die Europäische Union, jedoch für ihre unkritische Zusammenarbeit mit der Türkei: „Die EU-Mitgliedsstaaten müssen die Türkei jetzt dazu auffordern, Flüchtlingen den Schutz zu gewähren, der ihnen zusteht, und Menschenrechtsverletzungen sofort zu beenden. Bis dahin darf die EU Schutzbedürftige nicht bedenkenlos in die Türkei abschieben in der falschen Annahme, die Türkei sei für diese sicher“, so Lucas. (dpa/dtj)