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Bildung & Forschung

Schulstart in Niedersachsen: Lehrerinnen dürfen ab sofort mit Kopftuch unterrichten

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Im März erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass ein pauschales Kopftuchverbot verfassungswidrig sei. Im Juni zog NRW hierfür die Konsequenzen. Jetzt zieht Niedersachsen zum Schuljahresbeginn nach. Mit dem Staatsvertrag im Hinterkopf.

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Ein gewöhnlicher muslimischer Religionsunterricht in Niedersachsen. Die Lehrerin tritt in die Klasse und wird wie alle anderen Lehrerinnen und Lehrer ordentlich begrüßt. Hier trägt die muslimische Lehrerin ihr Kopftuch, wenn sie mag. Die Kinder haben sich schon lange an das Kleidungsstück gewöhnt. Danach aber, sobald die Religionslehrerin in die Rolle der Mathematiklehrerin schlüpft, muss sie ihr Kopftuch wieder ablegen. Dies war die Rechtslage bislang.

Mit Beginn des neuen Schuljahres soll sich das nun ändern. Lehrerinnen in Niedersachsen dürfen ab heute im Schulunterricht von öffentlichen Schulen ein Kopftuch tragen – und das in jedem Unterrichtsfach. „Es wird diese Möglichkeit geben“, sagte eine Sprecherin des niedersächsischen Kultusministeriums in der vergangenen Woche. In dieser Woche sollen alle Schulen im Land den entsprechenden Erlass erhalten.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im März diesen Jahres ein Urteil gefällt, wonach ein pauschales Kopftuchverbot verfassungswidrig sei.

Nordrhein-Westfalen setzte Entscheidung schon im Juni um

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen war diesen Schritt bereits im Juni gegangen.

Mit den Stimmen von den Regierungsparteien SPD und Grünen sowie CDU und Piraten wurde die „Privilegierung christlich-abendländischer Bildungs- und Kulturwerte“ aus dem Schulgesetz gestrichen. Lediglich die FDP stimmte dagegen, die nach der Wahlpleite bei den letzten Bundestagswahlen nun auch um ihren Platz in NRW bangen muss. Nordrhein-Westfalen brachte das Kopftuchverbot im Jahre 2006 unter der schwarz-gelben Regierung heraus. Die CDU wollte mit dieser Änderung die Neutralitätspflicht des Staates sichern und den Schulfrieden garantieren, hieß es damals.

In Niedersachsen war das Verfahren einfacher. Hier ist die Kopftuchfrage an Paragraf 51 des Schulgesetzes gebunden. In diesem heißt es in Absatz 3: „Das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften in der Schule darf, auch wenn es von einer Lehrkraft aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen gewählt wird, keine Zweifel an der Eignung der Lehrkraft begründen, den Bildungsauftrag der Schule überzeugend erfüllen zu können.“ Die rot-grüne Landesregierung glaubt, dass mit dieser Formulierung das Tragen vom Kopftuch im Unterricht erlaubt werden kann und wird deshalb das Schulgesetz nicht nach dem Vorbild NRW ändern.

Staatsvertrag soll im Herbst unterschrieben werden

Probleme beim Tragen von Kopftüchern dürften in Niedersachsen nicht entstehen. Im Gegenteil: Die neue Änderung dürfte auch die Verhandlungen zwischen Landesregierung und den muslimischen Verbänden vereinfachen. Die Kopftuchfrage war bislang ein Streitthema. Das Kultusministerium gab bekannt, dass im vergangenen Schuljahr nur eine von 17 muslimischen Religionslehrerinnen ein Kopftuch trug. Die muslimischen Verbände waren der Meinung, dass das Koptuchverbot dazu führe, dass es wenige muslimische Lehrerinnen gäbe. „Das führt praktisch zu einem Berufsverbot, weil sie kaum Lehrerinnen finden werden, die nur ein Fach unterrichten“, sagte Firouz Vladi von der Schura, dem Landesverband der Muslime in Niedersachsen. „An der Unterzeichnung eines lediglich symbolischen Staatsvertrages mit den Islamverbänden haben wir kein Interesse. Es sollte schon ein deutlicher Impuls gesetzt werden. Wir warten auf ein Zeichen des Ministerpräsidenten“, erklärt Emine Oğuz von der türkischen Ditib-Gemeinde. Dieses Zeichen dürfte nun angekommen sein.

Im Herbst soll der Staatsvertrag mit den Muslimen unterzeichnet werden. Der Landesverband der Muslime will aber dennoch, dass der Staatsvertrag einschließlich der Kopftuchregelung durch den Landtag verabschiedet wird. Es solle sichergestellt werden, dass eine künftige Landesregierung den Vertrag samt aller Regelungen für die Muslime nicht einfach so außer Kraft setzen könne.

In Niedersachsen leben rund 250.000 Muslime. Zuvor hatten Hamburg und Bremen einen ähnlichen Staatsvertrag unterzeichnet. Dabei soll es vor allem um Regelungen zur muslimischen Bestattung, zum Religionsunterricht, sowie um Moscheebauten und -betreibungen gehen.