Panorama
Dubai nimmt Sedat Peker vom Netz – Leaks gehen trotzdem weiter
Sedat Peker hat offenbar kein Internet mehr. Das ist kein Witz. Dubai soll ihn vom Netz genommen haben. Doch kurz bevor Peker seinen Kontakt zur Öffentlichkeit verlor, gab er noch grünes Licht für die Veröffentlichung eines weiteren Leaks. Was hinter der Internetsperre steckt.
DTJ-Online berichtet bereits seit Längerem über einen gewissen Sedat Peker und dessen Machenschaften – seit 2016 um genau zu sein. Damals hatte Peker in der Türkei noch ein anderes Standing als heute. Er war prominent, ihm wurden renommierte Preise verliehen, Mitglieder der türkischen Politik zeigten sich gerne öffentlich mit ihm.
Im Gegenzug versetzte Peker Kritiker der türkischen Regierung um Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Angst und Schrecken. Damals sprach er gar davon, im Blute seiner Widersacher baden zu wollen. Das war einmal: Seit Mitte 2021 wandelte sich der Mafiapate zum größten Staatsfeind der aktuellen Regierung.
Alaattin Çakıcı – der Greis mit dem düsteren Blick
Aber der Reihe nach: Im April 2020 wurde eine weitere Gestalt der türkischen Unterwelt nach langjähriger Haft entlassen. Die Rede ist vom 68-jährigen Alaattin Çakıcı. Der Greis mit dem düsteren Blick gilt als der wahre Pate der Türkei. Vielfach verurteilt, erhielt Çakıcı 2006 wegen Anstiftung zum Mord an seiner Ex-Frau lebenslängliche Haft.
Das Strafmaß wurde später auf knapp 19 Jahre reduziert. Devlet Bahçeli, Vorsitzender der ultranationalistischen MHP, hatte bereits 2018 Çakıcıs Freilassung gefordert und diese mit dem Koalitionspartner AKP schließlich durchgesetzt. Oder sollte man besser sagen: trotz der AKP?
Dubai kein sicherer Hafen mehr für Peker?
Der Fall Çakıcı ist für viele Analysten der türkischen Politik ein Zeichen dafür, welche Macht Bahçeli mittlerweile auf den strauchelnden Präsidenten Erdoğan auszuüben vermag. Hinzu kommt: Çakıcıs Freilassung scheint mit Pekers Flucht ins Exil verknüpft zu sein. Über mehrere Stationen auf dem Balkan und in Nordafrika landete er schließlich in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Kurze Zeit nachdem in der Türkei sein Haus medienwirksam durchsucht worden war und seine Frau und Kinder rücksichtslos angeführt wurden, begann Peker in Dubai seinen Rachefeldzug. „Ich bin nur daran interessiert euch zu vernichten, weil ihr Waffen auf meine Töchter gerichtet habt. Und weil ihr die sehr privaten Utensilien meiner Frau mit männlichen Polizisten inspiziert habt“, so Peker als Begründung für seinen Frontalangriff.
Ganze neun Videos mit erschütternden Informationen über Korruption und organisierte Kriminalität auf der höchsten politischen Ebene des Landes konnte Peker in Dubai via YouTube veröffentlichen. Zwischenzeitlich war die türkische Öffentlichkeit nur noch darauf fixiert, wann Peker mit seinen Videos wieder an die Öffentlichkeit treten würde.
Kerkert Dubai Peker digital ein?
Zwar hat sich politisch kaum etwas bewegt, aber die Bevölkerung vertraut seither Peker mehr als vielen Regierungsmitgliedern – Staatspräsident Erdoğan eingeschlossen. Doch das zehnte Video, das bisher nur angekündigt wurde, lässt länger auf sich warten. Denn Dubai beendete Pekers Katz-und-Maus-Spiel vorerst.
Dennoch nutzte der Mafiapate Twitter und andere Kanäle, um weiter brisante Interna an die Öffentlichkeit zu bringen. Trotz mehrfacher Ermahnungen durch die Regierung der Vereinigten Arabischen Emiraten sendet er weiter Botschaften. Nun scheint Dubai Peker endgültig digital einzukerkern. Ob die Annäherung zwischen der Türkei und dem Kronprinzen damit zusammenhängt, bleibt offen.
Angriff auf Exil-Journalist Acarer wegen Peker?
Laut dem Exil-Journalisten Erk Acarer wurden in Pekers Haus alle Verbindungen zum Internet gekappt. Acarer gilt mittlerweile als Vertrauter Pekers, der als Journalist zwar seine Lebensweise und Ansichten kritisiert und ablehnt, aber die Glaubwürdigkeit seiner Informationen nicht bezweifelt und keine Furcht hat, diese an die Öffentlichkeit zu tragen.
Deswegen wurde Acarer in seinem Berliner Exil wohl von unbekannten türkischen Männern gewaltsam angegriffen. Dies scheint jedoch für Acarer kein Grund zu sein, Pekers Informationen nicht weiter nachzugehen und bei überprüfter Glaubwürdigkeit zu veröffentlichen.
„Osman Kavala ist kein Spitzel“
So veröffentlichte Acarer mit einem aktuellen Twitter-Thread Pekers Informationen über den in den Augen vieler Beobachter zu unrecht inhaftierten türkischen Kulturmäzen Osman Kavala. Laut Peker soll Kavala im Jahre 1998 eine Firma zur Entwicklung von Kampfflugzeug-Software besessen haben. Ein US-Unternehmen habe es aufkaufen wollen.
Doch auf Druck der türkischen Seite habe Kavala sein Unternehmen für lediglich ein Viertel der angebotenen Summe an ein türkisches Konsortium verkauft (s. Dokument weiter unten). Käufer sei Korkut Eken gewesen, als Mittelsmann fungierte Peker höchstselbst. „Leute, die sich nationalistisch und religiös präsentieren, verkaufen Ware im Wert von drei Milliarden Dollar für 50 Millionen Dollar an das Verteidigungsministerium. Und da soll Kavala ein Spitzel sein? Unfassbar!“, so Peker über Kavala.
Von dem besagten Deal habe Peker monetär nicht profitiert. Ganz anders sei es bei Eken gewesen, der sich als Tippgeber eine Provision von umgerechnet 200.000 US-Dollar habe gutschreiben lassen.