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Politik

Selbsternannter „Führer“ siegt bei Regionalwahl

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Marian Kotleba wettert seit Jahren gegen Roma, Ausländer, Israel und Homosexuelle. Nun ist er zum Gouverneur einer Region gewählt worden, die rund ein Achtel des slowakischen Staatsgebiets ausmacht. Umsetzen können wird er jedoch nichts. (Foto: dpa)

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Der slowakische Rechtsextremist Marian Kotleba während einer Pressekonferenz.
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Die Politik in der Slowakei ist schockiert. Mit Marian Kotleba hat am Wochenende ein Rechtsextremist einen Wahlerfolg in dem seit 1993 erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg unabhängigen Land feiern können. In der Stichwahl um das Amt des Gouverneurs in der mittelslowakischen Region Banská Bystrica (Neusohl) gewann der Ultrarechte überraschend mit 55,2 Prozent gegen den bisherigen sozialdemokratischen Amtsinhaber Vladimir Manka.

Die rund 200 Kilometer von der Hauptstadt Bratislava gelegene Region macht rund ein Drittel des slowakischen Staatsgebiets aus und ist traditionell sozialdemokratisch geprägt. Mit einem Sieg Kotlebas, der oft in schwarzer Uniform auftritt und sich als „Führer“ bezeichnet, hatte bis zur Verkündung des Wahlergebnisses am Samstagabend kaum jemand gerechnet. In sechs der acht Regionen hatte sich die auch auf Bundesebene regierende sozialdemokratische „Smer – SD“ („Richtung – Sozialdemokratie“) durchgesetzt, in der Hauptstadt Bratislava (Pressburg) ein bürgerliches Bündnis.

„Zigeuner-Kriminalität“ als Wahlkampfthema

Kotleba lenkte bereits im Wahlkampf die Aufmerksamkeit auf sich und polarisierte mit provozierenden Aussagen über „Zigeuner-Kriminalität“. Der Rechtsextremist fiel bereits in der Vergangenheit häufig wegen rassistischer Bemerkungen auf, wurde bislang aber immer vor Gericht freigesprochen.

Sein Lieblingsthema, der Hass gegen Roma im eigenen Land, forcierte er im Wahlkampf und forderte Sanktionen gegen die Minderheit, die er als „Parasiten“ bezeichnete und denen er die Sozialhilfe kündigen möchte. Weitere nicht weniger radikalere Positionen seiner Politik sind der Ausstieg aus der Nato und die Abschaffung des Euro in der Slowakei.

„Volkspartei – Unsere Slowakei“

Kotleba engagiert sich seit 2003 am rechten Rand der slowakischen Politik. Der ehemalige Lehrer, der ungern unbewaffnet das Haus verlässt, betreibt einen Onlinehandel, der Marken vertreibt, die bei Neonazis beliebt sind. 2006 stand er an der Spitze der mittlerweile verbotenen Bewegung „Slowakische Gemeinschaft“.

2009 gründete er die „Volkspartei – Unsere Slowakei“, die gegen Roma, Ausländer, Israel und Homosexuelle wettert. Zuletzt machte Kotleba Schlagzeilen, als er ein Grundstück erwarb, auf dem sich zu dem Zeitpunkt sieben illegale Roma-Siedlungen befanden. Selbst vor der wiederholten Drohung, die Siedlungen dem Erdboden gleichmachen zu wollen, schreckte er im Wahlkampf nicht zurück.

Etablierte Parteien überhäufen sich gegenseitig mit Vorwürfen

Die etablierten Parteien sehen dem Treiben Kotlebas bislang tatenlos zu. Regierung und Opposition gaben sich gegenseitig die Schuld für den Aufstieg des bekannten Rechtsextremisten. Ministerpräsident Robert Fico ließ sich sogar zu der Aussage hinreißen, dass man sich nicht wundern müsse, „wenn man selbst den Antichrist, Satan, Hitler und Mussolini für besser halte“ als seine Smer-SD. Fico spielte damit auf die Weigerung der Christlich-Demokratischen Union der Slowakei (SDKÚ) und der libertären „Freiheit und Solidarität“ (SaS) an, seinen Kandidaten zu unterstützen. Auch die Medien hätten Kotleba faktisch ins Amt hineingeschrieben. Die Wahlbeteiligung lag übrigens landesweit bei lediglich 17,9%.

Die Smer war 2012 nach einem triumphalen 44,4%-Wahlerfolg gegen die zersplitterte bürgerliche Opposition an die Regierung gekommen. Robert Fico, der die Partei seit 1999 führt, gilt als sehr grundsatztreuer Sozialdemokrat und ist in der Bevölkerung anhaltend beliebt. Allerdings hat die Linke in der Slowakei auch ihrerseits einen Beitrag zur Akzeptanz rechtsextremer Bestrebungen beigesteuert. So war nicht nur der Sozialpopulismus des in den 90er-Jahren regierenden HZDS-Ministerpräsidenten Vladimir Mečiar von nationalistischen Anklängen nicht frei. Auch Fico selbst ließ sich 2006 nicht nur mit den Stimmen der HZDS, sondern auch jenen der mittlerweile bedeutungslos gewordenen rechtsradikalen „Slowakischen Nationalpartei“ (SNS) Jan Slótas ins Amt wählen. Der sozialdemokratische Europaverband SPE schloss deshalb auch die Smer vorübergehend aus – erst 2008 wurde sie wieder aufgenommen.

Mit wechselseitigen Vorwürfen ist jedoch niemandem außer Kotleba selbst geholfen. Dialog sieht anders aus. Das überraschende Wahlergebnis ist jedoch Experten zufolge nicht viel mehr als eine Warnung an die Politik des osteuropäischen Landes. Roma, von denen sich viele Slowaken offensichtlich bedroht fühlen, spielen bislang eine zu geringere Rolle in der slowakischen Politik.

Obwohl Kotleba tönt, alle seine Vorhaben umsetzen zu wollen, wird er in seinem neuen Amt nichts bewirken können. Er verfügt im Regionalparlament über keinerlei Rückhalt und die demokratischen Parteien werden jeden seiner Schritte mit maximaler Obstruktion quittieren.

Rechtsruck in Europa

Kotleba ist mit seiner politischen Einstellung auf einer Linie mit den meisten rechtsextremen Parteien in Europa. Die kürzlich von Marine Le Pen (Frankreich, Front National) und Geert Wilders (Niederlande, Partij voor de Vrijheid) vorgelegten Pläne einer rechten Koalition im Europäischen Parlament schlagen in die gleiche Kerbe.

Nicht zuletzt wegen dieser beiden Führungsfiguren der internationalen extremen Rechten bietet sich ein düsteres Bild von Europa. Während die etablierten Parteien, wie in der Slowakei, über die Ursprünge dieser Bewegung streiten, gewinnen die Rechtsextremen in Europa an Boden.