Politik
So reich sind die Putschgeneräle und ihre Nachkommen
Autoritäre Militärherrscher mit ausgeprägten Nehmerqualitäten? Nicht nur afrikanische oder asiatische Regime des 20.Jahrhunderts kannten das. Laut einem MASAK-Bericht nagten auch die türkischen Putschgeneräle nicht am Hungertuch. (Foto: Zaman)
Im Rahmen ihrer gerichtlichen Vernehmung waren die angeklagten Putschgeneräle von 12. September 1980 nicht nur hinsichtlich der ihnen zur Last gelegten Verbrechen sehr schweigsam, sondern auch auf die Frage nach ihren Vermögensverhältnissen hin.
Wie „Sabah“ jüngst berichtete, hat die Abteilung zur Untersuchung von Finanzverbrechen (MASAK) des türkischen Finanzministeriums einen Bericht veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass die Schwiegersöhne des Kopfes der Putschisten, dem pensionierten General Kenan Evren, über Eigentum an insgesamt 22 Grundstücken, 44 Gebäuden und einem Luxusresidenzkomplex verfügen, während der Sohn und der Schwiegersohn Ali Tahsin Şahinkayas, eines der wesentlichen Entscheidungsträger des Putsches, 90 Villen, eine Fabrik und drei Geschäftszentren ihr Eigen nennen.
Die MASAK hatte in ihrem Bericht die Ergebnisse von Untersuchungen hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse Evrens, Şahinkayas und anderer Generalstabsmitglieder – darunter des früheren Kommandanten der Landstreitkräfte, Nurettin Ersin, des ehemaligen Kommandanten der Seestreitkräfte, Nejat Tümer, und des vormaligen Kommandanten der Gendarmeriekräfte, Osman Sedat Celasun – sowie deren enger Angehöriger präsentiert.
Die dem 500-seitigen Bericht zugrunde liegende Untersuchung wurde durch ein Gericht in Istanbul in Auftrag gegeben, das sich mit dem Putsch von 1980 befasst. Es war bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Bericht über die Vermögensverhältnisse der Putschgeneräle und ihrer Familien über den Zeitraum der vorangegangenen 10 Jahre veröffentlicht worden, der aktuelle Bericht umfasst die Ergebnisse hinsichtlich der letzten 15 Jahre. Ursprünglich wollte das Gericht eine komplette Auflistung mit Blick auf die letzten 35 Jahre ausarbeiten lassen und damit bis in eine Zeit kurz vor dem Putsch zurückreichend.
Untersuchungszeitraum erweitert
Der vorherige Bericht hatte die finanzielle Situation Evrens durchleuchtet, der eine große Geldsumme besaß, sowie den Immobilienbesitz der Familie Şahinkaya. Im Bericht wird außerdem festgestellt, dass die Familienmitglieder der Putschgeneräle kurz vor Eröffnung der Gerichtsverhandlung im frühen April des Jahres größere Geldsummen von deren Konten abgehoben hatten. Der Bericht sagte nichts darüber aus, auf welchem Wege die Generäle und deren Familien zu ihren Besitztümern gekommen waren.
Celasuns Schwiegertochter Füsun Celasun dürfte jedenfalls mit nicht weniger als 224 in ihrem Eigentum stehenden Apartmentwohnungen im Çankaya-Bezirk von Ankara – einem gehobenen Wohnbezirk, in dem auch der Präsidentenpalast steht – keine Probleme haben, aus Anlass groß angelegter Familienfeiern ihre Gäste zu beherbergen. Tümers Schwiegertochter wiederum dürfte zu den begehrtesten Kundinnen jedes Vermögensberaters gehören – auf drei verschiedenen Konten, die auf ihren Namen lauten, finden sich insgesamt 750.000 Türkische Lira.
Evrens Schwiegersohn Maksut Süleyman Göksu bevorzugt dagegen eine regional und anlagetechnische Diversifizierung seines Portfolios. Während er drei Immobilien in Aziziye – einem der reichsten Stadtteile Ankaras – sein Eigen nennt, weitet er den Rest seines Bestandes in die Breite aus und verfügt über 17 Parzellen Land im Bezirk Gölbaşı, vier Grundstücke im High-Society-Viertel Incek, aber auch über Ländereien in den Städten Belen, Iskenderun und Marmaris in der Südtürkei. Der zweite Schwiegersohn des Oberputschisten, Erkan Gürvit, begnügt sich dagegen mit einem Häuserkomplex im Sarıyer-Bezirk von Istanbul und einem Luxusresidenzenkomplex im dortigen Bezirk Şişli.
Şahinkayas Sohn Serdar Şahinkaya verfügt immerhin über ein 12-Apartment-Haus in Istanbul-Kadiköy, während Mustafa Cemil Kartal, der Schwiegersohn des Generals, ein Grundstück mit Fabrik im Industriegebiet Gebze sein Eigentum nennt sowie 90 Doppelhäuser, drei Bürogebäude und eine Caféteria in der westtürkischen Provinz Yalova.
169 Ferienhäuser oder nur eines mit der Hausnummer 16/9?
Ersins Schwiegertochter Gülten Julide gehört ein Immobilienkomplex im Yenimahalle-Bezirk von Ankara, während sein Sohn Oktay und seine Tochter Yıldız Ülgen mit einem Gebäude in Çankaya und 29 Doppelhäusern in der südtürkischen Stadt Bodrum, neben weiteren Besitztümern, auch mit einiger Gewissheit zu den Besserverdienenden gerechnet werden können.
Seine frühere Schwiegertochter Şebnem Pirinççuoğlu ging auch nicht völlig leer aus: Eine vierstöckige Immobilie in Istanbul-Bebek und insgesamt 760.000 TL auf vier unterschiedlichen Bankkonten dürften die eine oder andere Einmalanlage zu einer lukrativen Altersvorsorge machen. Eine andere frühere Schwiegertochter bringt es immerhin noch auf ein sechsstöckiges Gebäude mit neun Apartments in Istanbuls Innenstadtbezirk Beyoğlu.
Darüber, ob der Umfang der Schuhsammlung zumindest einer der Beteiligten auch nur annähernd an jene der früheren philippinischen First Lady Imelda Marcos heranreicht, sagt der Bericht nichts aus.
Einige Familienmitglieder wiesen den Bericht zurück und behaupten, diejenigen, die ihn erstellten, würden unkorrekte Informationen präsentieren. Füsun Celasun meinte, man rechne ihr einen Immobilienbestand zu, der in Wahrheit der Gendarmerie gehöre. Gegenüber der „Hürriyet“ gab sie an, sie würde über keine 224 Apartments verfügen und immer noch als Staatsbedienstete arbeiten. Nurettin Ersins Tochter wiederum wirft der MASAK vor, diese rechne ihr zu Unrecht 169 Ferienhäuser zu. Man habe die Zahl mit der Adresse ihres Ferienhauses verwechselt, welches die Nummer 16/9 beinhalte.