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Politik

Nach Sotchi: Tourismus statt Terrorismus im Nordkaukasus

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Olympia 2014 ist vorbei. Ein neues Wintersportprojekt in der nordkaukasischen Konfliktregion Dagestan soll die dort vorherrschenden Terrornetzwerke verdrängen. Tourismus gegen Terror. Kann man diesen aber mit Sportstätten bekämpfen? (Foto: reuters)

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Putin in Sotschi.
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Olympia ist vorbei, für die Region rund um Sotchi beginnt wieder der Alltag. Und der ist immer noch geprägt von regionalen Konflikten. Für viele Sportstätten, die speziell aus Anlass der olympischen Spiele neu errichtet waren, gibt es noch keine feste Anschlussverwendung. Allein die Ski-Sportstätte in Rosa Khutor hat 1,8 Milliarden Euro gekostet und war damit teurer als die gesamten Spiele von Vancouver, die immerhin 1,4 Milliarden Euro kosteten. Insgesamt belief sich das Budget für die Winterspiele in Russland auf 36 Milliarden Euro.

Sportveranstaltungen als Wirtschaftsfaktor

Für den Präsidenten der Russischen Föderation, Vladimir Putin, waren die Spiele nicht nur ein Prestigeerfolg. Das Geld, das in sportliche Großveranstaltungen fließt, ist für ihn gut angelegtes Kapital. Noch in diesem Jahr wird erstmals ein Formel-1-Grand-Prix in Sotchi ausgetragen, dann folgt in Kasan die Schwimmweltmeisterschaft 2015. Ein Jahr darauf dann die Eishockey-WM in Sankt Petersburg und Moskau. 2018 schaut die FIFA für die Fußball-WM vorbei. Ein großangelegtes Sportentwicklungsprogramm für das riesige russische Territorium. Es wird sich zeigen, ob dann jeweils auch die Regionen durch diese Sportereignisse gestärkt werden. Gerade die nordkaukasische Region um Sotchi hat Entwicklung bitter nötig. Die ansässige Bevölkerung hat fürs Erste jedoch nur wenig vom Spektakel profitieren können.

Neben den wirtschaftlichen Faktoren ist aber nicht zu vergessen, dass bereits die Spiele in Sotchi unter massiven Sicherheitsvorkehrungen angesichts der Terrorgefahr stattgefunden hatten. Sicherheitsvorkehrungen, die nicht auf Dauer implementiert werden können. Sotchi selbst liegt nur unweit der abtrünnigen georgischen Grenzregion Abchasien, die von Russland unterstützt wird und sich von den Spielen auch eine Wiederbelebung und einen Wiederaufbau nach zwei Kriegen mit Georgien, bei dem Russland rettend zur Seite stand, erhofft.

Krieg und Terror im Kaukasus

Des Weiteren liegt Sotchi unweit der autonomen kaukasischen Republiken, die alle über eigene Präsidenten und Parlamente verfügen und dennoch der russischen Föderation angehören. Die Bevölkerung in diesen Staaten ist nicht-russisch und mehrheitlich muslimischen Glaubens. Immer wieder war es im Laufe der Geschichte zu Konflikten mit der russischen Zentralmacht aus Moskau gekommen.

Zuletzt waren es in den 90er- und 00er-Jahren die Tschetschenienkriege, die die Region erschütterten. Russland hatte mit eiserner Hand versucht, die Seperatistenbewegungen zu zerschlagen, doch die Konflikte haben sich nur in die Nachbarstaaten verlagert. Vor allem nach Dagestan. Aber auch in Tschetschenien und Inguschetien ist die Lage unruhig. Bis zu 1000 Menschen starben allein zwischen 2012 und Mitte 2013 in der Region.

Auch Moskau selbst ist nach wie vor nicht sicher vor Terrorakten. 2010 und 2011 kam es zu Anschlägen in der U-Bahn und auf dem Flughafen. Und kurz vor den Winterspielen, im Dezember 2013, kam es zu zwei tödlichen Anschlägen in Wolgograd. Dabei kamen insgesamt 40 Personen ums Leben, 120 wurden zum Teil schwer verletzt. Auch für die Winterspiele war mit Anschlägen gedroht worden.

1000 Kilometer Piste gegen die Krise

Putin setzt auf Sport und Tourismus als Entwicklungsmotoren, um so das leidige Thema Sicherheit im Nordkaukasus loszuwerden. Diese sollen den Menschen in der Unruheregion eine Lebensperspektive geben. Insgesamt sieben Wintersportstationen sollen bis 2020 im Kaukasus verankert werden. Dazu kommen drei Badeorte am kaspischen Meer in Dagestan. Auch hier ist das Vorhaben gigantisch. Über 1000 Kilometer Piste und 228 Skilifte sollen entstehen. Ob sich ein Krisengebiet dieser Art tatsächlich zum Schauplatz für Massentourismus aus aller Welt entwickeln kann, ist fraglich. Doch Tauwetter in den Alpen könnte internationalen Tourismus in der hochgelegenen Region begünstigen.

Das soll die Situation normalisieren und der örtlichen Bevölkerung einen Ausweg aufzeigen: Arbeitsplätze im Tourismus statt Terror. Die Region zu entwickeln, ist dabei wirklich bitter nötig. 75 Prozent des Budgets kommt als Unterstützung von der russischen Zentralregierung in Moskau. Der Lebensstandard ist deutlich niedriger als in anderen Regionen Russlands und die Arbeitslosenquote liegt bei 20 bis 30 Prozent. 15 Milliarden Dollar ist das Projekt schwer, das auf den Namen „Gipfel 5642“ hört. 400 000 Arbeitsplätze sollen dadurch geschaffen werden. Ein Hoffnungsschimmer für die Bevölkerung.

Langsame Abkehr von alten Methoden

Langfristig erhofft sich Moskau aber durch diese Infrastrukturmaßnahmen – denn es sollen auch noch weitere Flughäfen gebaut werden – die Region wieder näher ans russische Mutterland zu bringen. Diese Maßnahmen sind ein erstes Zeichen der Einsicht. Die Bevölkerung nur zu bekämpfen und als Terroristen zu bezeichnen, wie dies vor allem noch in den letzten beiden Jahrzehnten Gang und Gäbe war, hatte in der Vergangenheit eben genau letztlich zu Terror in der Region geführt und sie in den Strudel der Gewalt gezogen.

Direkt nach der Abschlussfeier in Sotchi wurde in Moskau jedoch erst mal das Strafmaß für acht Regierungsgegner verkündet, die unter anderem wegen Rowdytums und Sachbeschädigung, Angriffe auf Polizeibeamte und Verstöße gegen Bewährungsauflagen verurteilt wurden. Während eine Angeklagte für drei Jahre und drei Monate in Haft kommt, wurden die anderen zu Lagerhaft verurteilt. Unter ihnen ist auch der militante Olympiakritiker und Umweltaktivist Jewgeni Witischko, der zu drei Jahren Lager verurteilt wurde. Das Gericht blieb bei den verhängten Strafen allerdings deutlich unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft.