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Panorama

„Spiegel“ besetzt Führungsposten neu – und setzt auf Ex-„Bild“-Kräfte

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Einst galt der „Spiegel“ weiten Teilen des so genannten Bildungsbürgertums als Antithese zur „Bild“. Wie unzutreffend diese Selbsteinschätzung war, zeigt der spektakuläre Transfer von Nikolaus Blome. (Foto: reuters)

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Nikolaus Blome wechselt von der Bild zum Spiegel.
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Der Vize-Chefredakteur der „Bild“-Zeitung, Nikolaus Blome (49), wechselt in selber Funktion zum Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Er wird neuer Leiter der Hauptstadtredaktion von „Spiegel“ und „Spiegel Online“ in Berlin. Das teilte der Spiegel-Verlag am Mittwoch in Hamburg mit.

Blome werde zum 1. Dezember als stellvertretender Chefredakteur in das Team des designierten „Spiegel“-Chefs Wolfgang Büchner (47) wechseln. Der bisherige Leiter des Berliner Hauptstadtbüros, Konstantin von Hammerstein (52), werde künftig als Autor für den Verlag arbeiten.

Der bisherige dpa-Chefredakteur Büchner übernimmt seine neue Aufgabe als Chefredakteur von „Spiegel“ und „Spiegel Online“ am 1. September. Er folgt auf die „Spiegel“-Doppelspitze aus Print-Chef Georg Mascolo und Digital-Chef Mathias Müller von Blumencron, die im April 2013 abgesetzt worden war. In der Zwischenzeit wurde die „Spiegel“-Printredaktion geführt von Klaus Brinkbäumer und Martin Doerry, die nach Angaben eines Verlagssprechers stellvertretende Chefredakteure bleiben. Rüdiger Ditz, Chefredakteur von „Spiegel Online“, verantwortet das Nachrichtenangebot im Internet.

Am Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ ist seit 2004 die Mitarbeiter KG mit 50,5 Prozent beteiligt, der Hamburger Zeitschriftenverlag Gruner+Jahr mit 25,5 Prozent und Erben des Verlagsgründers Rudolf Augstein mit 24 Prozent. Sie werden von dem Verleger der linken Wochenzeitung „Der Freitag“, Jakob Augstein, vertreten.

Jakob Augstein liefert sich seit 2011 mit „Bild“-Vize Blome einen TV-Schlagabtausch im öffentlich-rechtlichen Info-Sender Phoenix. Die beiden analysieren in der Sendung kontrovers die politischen Ereignisse der Woche.

Chronische Unterforderung?

Der Volkswirtschaftler Blome stieg Anfang der 90er Jahre als Wirtschaftsredakteur beim „Tagesspiegel“ in Berlin ein, bevor er als Korrespondent für Regionalzeitungen aus Brüssel die EU-Politik analysierte. Nach seinem Wechsel zum Medienhaus Axel Springer war er dort zunächst bei der Tageszeitung „Welt“ in führenden Positionen tätig und seit August 2006 Leiter des „Bild“-Hauptstadtbüros. Im Mai 2011 wurde er zudem stellvertretender Chefredakteur des Blattes und Leiter des Wirtschaftsressorts. Blome erhielt für seine journalistischen Arbeiten mehrere Medienpreise, darunter den Theodor-Wolff-Preis.

Für den spektakulären Transfer dürfte Wolfgang Büchner verantwortlich sein, der designierte Chefredakteur des Nachrichtenmagazins. Dies vermutet der Mediendienst „kress“. Schon vor seinem Antritt beim „Spiegel” hat Büchner dort vor Ressortleitern mehr Relevanz und Nachrichtenorientierung angemahnt und über Titel zum Thema Rückenleiden geätzt. Einer wie Blome, bei „Bild” für Politik zuständig, passt gut zu dieser Ansage – wenngleich die Berufung eines hochrangigen Springer-Mannes beim „Spiegel” für erhebliche Unruhe sorgen wird.

Büchner will mit der Berufung Blomes sicherlich auch das spezielle Berliner Problem des „Spiegel” aus der Welt schaffen: Er löst im Hauptstadtbüro Konstantin von Hammerstein, 52, ab, der künftig als Autor für den „Spiegel” und „Spiegel Online” arbeiten wird. Als Leiter des Hauptstadtbüros stand von Hammerstein schon lange in der Kritik, ihm wurde intern Ideenlosigkeit vorgeworfen.

Aber auch der frühere „Bild“-Vize soll von dem Deal auch beruflich profitieren. Ein Kenner der Szene äußert auf facebook: „Blome konnte in der Bild immer nur maximal 1000-Zeichen-Kommentare schreiben. Das muss doch jeden Journalisten über kurz oder lang frustrieren. Der Wechsel ist für Blome ein journalistischer Befreiungsschlag.“

Kritische Stimmen sehen im fliegenden Wechsel vom Massenblatt zum selbsternannten „Sturmgeschütz der Demokratie“ einen weiteren Beweis dafür, dass die Unterscheidbarkeit zwischen Qualitäts- und Sensationsjournalismus in Deutschland zu Gunsten der Boulevardisierung immer weiter abnimmt.

„Leitmedium in der Rolle einer rechtspopulistischen Partei“

Ein jüngstes Beispiel dafür, wie wenig sich die Qualität der Berichterstattung von „Spiegel“ und „Bild“ derzeit bereits unterscheidet, zeigte die Art und Weise, wie beide Blätter über die Taksim-Proteste berichtet hatten. Emotionalisieren, Moralisieren, fehlendes Wissen über Zusammenhänge durch ein umso heftigeres Empörungstremolo wettmachen: Das könnte schon mit der neuen „Spiegel“-Chefredaktion bald in potenzierter Form auf den deutschen Zeitungsmarkt zukommen.

DWDW weist anlässlich des Wechsels darauf hin, dass der „Spiegel“ die Konkurrenz, deren Vize-Chef man nun abgeworben hat, erst vor zwei Jahren auf dem eigenen Cover noch als „Brandstifter“ bezeichnet hatte. Springers Boulevardblatt trete als Leitmedium auf, schlüpfe dabei aber in die Rolle einer rechtspopulistischen Partei, hieß es damals seitens des „Spiegels“.

Dr. Sabine Schiffer vom „Institut für Medienverantwortung”  ist ebenfalls über die Entwicklung sehr überrascht. “Der Wechsel Blomes vom Tagesspiegel über Welt und Bild zum Spiegel zeigt entweder, wie wendig der Journalist ist, oder aber wie profillos die Printmedien geworden sind – eine Identifikation mit einem Medium oder auch umgekehrt, des Mediums mit seinem Personal, scheint immer weniger von Bedeutung zu sein”, äußerte sich die Medienwissenschaftlerin DTJ gegenüber.