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Startschuss für Anatolische Biennalen am 14.August
Die Internationale Istanbul-Biennale gilt als die maßgebliche Ausstellung für zeitgenössische türkische Kunst. Doch auch andere Provinzen veranstalten ihre Biennalen – bald auch zusammen? (Foto:Zaman)
In der türkischen Kunstszene sind diese lokalen Kunstevents auch als „Anatolische Biennalen für Zeitgenössische Kunst“ bekannt. Einmalig an ihrem Konzept ist, dass sie sich nicht nur auf die Präsentation zeitgenössischer Kunst beschränken, sondern diese noch dazu an historischen Ausstellungsorten zur Schau stellen. Kunstliebhaber könnten also im Falle einer Teilnahme die Kunst- mit einer Kulturreise verbinden. Bislang sind die Biennale-Veranstalter nicht übereingekommen, eine einzige, gemeinsame anatolische Biennale zu organisieren, auch wenn bei einer Befragung der einzelnen Veranstalter in Sinop, Mardin, Çanakkale und Antakya, wo in diesem Jahr keine Biennale stattfindet, immer wieder der leise Wunsch nach einer Kooperation zu hören ist.
Die Biennalen
Doch zunächst zu den einzelnen anatolischen Biennalen. Die „Sinopale“ wird seit 2006 unter der Beteiligung verschiedener Kuratoren und Künstler der European Cultural Association durchgeführt. Ins Leben gerufen wurde die Ausstellung vom in Sinop geborenen Prof. Dr. Melih Görgün, Kurator und Professor an der Mimar Sinan-Universität. Die diesjährige Sinopale, die unter dem Motto „Weisheit des Schattens: Kunst im beeinträchtigten Informationszeitalter“ steht, beinhaltet weitere akademische Tagungen und Workshops, die im Zeitraum vom 14. August bis zum 12. September 2012 stattfinden werden. Als historische Ausstellungsorte sind das historische Burg-Gefängnis, die theologische Hochschule aus der Seldschukenzeit und das Historische Sinop-Museum vorgesehen.
Die dritte Çanakkale-Biennale findet zwischen dem 28. September und 3. November unter dem Titel „Fiktionen und Auflehnungen“ statt. Zum Kuratorenteam gehören neben Beral Madra, Fırat Arapoğlu und Fatih Balcı auch Seyhan Boztepe. Ausstellungsorte der Çanakkale-Biennale 2012 sind der historische Busbahnhof, Eski Kilise (die „alte“ Kirche) sowie die Korfmann-Bibliothek.
Vom 21. September bis 21. Oktober läuft die diesjährige Kunstbiennale in der südostanatolischen Provinzmetropole Mardin unter dem Titel „Ikinci Bakış//Double Take“. Als Kuratoren engagieren sich Paolo Colombo und Lora Sarıaslan. Mit dabei sind rund 30 Künstler aus dem In- und Ausland, die an sehr außergewöhnlichen Orten wie in Friseurläden, Freilichttheatern und Teehäusern ausstellen werden.
Zusammenarbeit ja, aber wie?
Beral Madra, Teammitglied der Biennalen in Çanakkale und Sinop, sagt zum bisherigen Verlauf der Kooperationsgespräche: „Wir haben über eine Zusammenarbeit mit den anderen Städten nachgedacht. Während Çanakkale und Sinop die Idee unterstützen, ist Mardin dagegen. In Antakya ist die Situation kompliziert, die dortige Biennale wird dieses Jahr nicht stattfinden. Bleiben also nur noch die Biennalen in Sinop und Çanakkale. Doch die Ausstellungstermine weichen sehr voneinander ab und auch die Orte liegen weit auseinander. Daher wird es dieses Jahr leider keine Kooperation geben, vielleicht aber im nächsten.“
Fatih Balcı, Kurator der Çanakkale-Biennale, äußert sich zurückhaltend bezüglich einer regionalen Kooperation: „Es wäre sicherlich gut, wenn es eine regionale Zusammenarbeit zwischen den Biennalen gäbe. Doch jede Biennale ist auf andere finanzielle Mittel angewiesen, die von unterschiedlichen Geldgebern kommen. Sie können nur unter ihren regionalen und lokalen Konditionen existieren und müssen alle einzeln mit diesen Problemen kämpfen. Beispielsweise hat die Mardin-Biennale Schwierigkeiten, Kontakt zur eigenen Stadtbevölkerung herzustellen. Die Sinopale hingegen findet im Herzen der Stadt statt. Die Çanakkale-Biennale liegt irgendwo dazwischen. Außerdem haben manche Veranstalter finanzielle Probleme. Die Mardin-Biennale wird vom Regierungsbezierk finanziert, Çanakkale erhält Unterstützung von der Kommune. In Sinop wird die Biennale von der Bevölkerung unterstützt. Sicherlich würde eine bessere Kommunikation untereinander den Erfolg der lokalen Biennalen steigern. Ob es tatsächlich zu einer Kooperation kommt, wird sich dann zeigen.“
Melih Görgün, Teammitglied der „Sinopale“, würde eine Kooperation unterstützen, allerdings mit Einschräkingen: „Wir wollten ein Treffen mit den Organisatoren der anderen türkischen Biennalen organisieren, leider kam es nicht dazu. Selbstverständlich möchte jede Biennale mit einer hochkarätigen Kunstschau auftreten. Doch in einer Biennale geht es nicht allein um die Ausstellung von Artefakten und Presseerklärungen. Wir in Sinop arbeiten mit der gesamten Stadtbevölkerung zusammen. Uns geht es nicht darum, dass die „Sinopale“ populär wird und weltweiten Ruhm erlangt. Vielmehr wollen wir den Menschen zeitgenössische Kunst, Weisheiten und Erfahrungen näherbringen. Bei einer Kooperation wäre eine gegenseitige finanzielle Unterstützung nicht umsetzbar. Denn den Funktionären geht es um die Präsentation des Stadtimages. Eine Zusammenarbeit zwischen den lokalen Biennalen könnte nur auf der Ebene des Ideen- und Informationsaustausches funktionieren.“
Für Arzu Yayıntaş, ehemalige Kuratorin der Antakya-Biennale, ist die Zukunft der lokalen Biennale ungewiss: „Dieses Jahr organisieren wir keine Biennale in Antakya, ihre Zukunft ist unklar. Stattdessen befinden wir uns in der Vorbereitungsphase für ein Festival, bei dem es um die Produktion von Kunst geht: Künstler aus Antakya und benachbarten Städten werden im September zusammenkommen. Eine Kooperation mit anderen Biennalen auf finanzieller Ebene ist unmöglich, weil jeder Veranstalter seine Mittel für die eigene Biennale investieren wollen wird. Obwohl wir die Nachbarbiennale von Mardin sind, kooperieren wir nicht miteinander. Denn jede Stadt hat unterschiedliche Bedürfnisse. Doch die Idee einer großangelegten Kunst- und Kulturtour ist großartig.“
Übersetzt von Funda Karaca