Connect with us

Politik

Incirlik und Armenier-Resolution: Bundesregierung gibt doch nicht nach

Spread the love

Viele Politiker waren bereits im Empörungsmodus, da stellte sich das ganze als Ente heraus: Der Spiegel meldete heute Morgen, die Bundesregierung habe beschlossen, der türkischen Regierung nachzugeben und sich von der Armenier-Resolution des Bundestages zu distanzieren. Dann stellte Regierungssprecher Seibert richtig: „Davon kann gar keine Rede sein.“

Published

on

Regierungssprecher Steffen Seibert
Spread the love

Da war die ganze Aufregung also umsonst: Regierungssprecher Steffen Seibert (Foto) hat verlauten lassen, die Bundesregierung distanziere sich nicht von der am 2. Juni verabschiedeten Armenier-Resolution des Bundestages. „Davon kann überhaupt nicht die Rede sein“, sagte er am Freitagmittag in Berlin. „Der Deutsche Bundestag hat das Recht und die Möglichkeit, sich zu jedem Thema zu äußern, wann immer er das für wichtig hält. Und die Bundesregierung verteidigt dieses souveräne Recht der deutschen Volksvertretung.“

Heute Morgen hatte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel gemeldet, Angela Merkel sei im Streit um das Besuchsverbot für deutsche Parlamentarier in der türkischen Nato-Basis Incirlik eingeknickt und auf Erdoğans Forderungen eingegangen. Die Bundesregierung habe vor, auf Abstand zur umstrittenen Armenier-Resolution des Bundestags zu gehen. Spiegel Online berichtete, Auswärtiges Amt und Kanzleramt hätten sich darauf geeinigt, dass Regierungssprecher Steffen Seibert vor die Presse treten und sich im Namen der Regierung von der Resolution distanzieren solle.

Verwirrung bei der Union

In der Unionsfraktion lösten die Berichte Irritationen aus. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Stephan Harbarth sagte am Freitag vor Beginn einer Sitzung des Vorstands in Berlin: „Die Position der Unionsfraktion bleibt unverändert.“ Ein Vorstandsmitglied sagte der Deutschen Presse-Agentur, eine Distanzierung durch Kanzlerin Angela Merkel wäre „fatal“. Im Vorstand der Unionsfraktion hieß es, eine Distanzierung durch Merkel wäre „das völlig falsche Signal“ an den türkischen Präsidenten Tayyip Recep Erdoğan, der vor allem türkischstämmige Bundestagsabgeordnete nach der Resolution persönlich angegriffen hatte.

Merkel hatte zwar an der Abstimmung im Bundestag nicht teilgenommen, bei der vorherigen Probeabstimmung in der Fraktion aber mit den Abgeordneten für die Resolution gestimmt. Eine Regierungssprecherin hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Merkel die Resolution unterstützt habe. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) und Außenminister Steinmeier nahmen an der Abstimmung nicht teil.

SPD setzt Frist bis Oktober

In der Resolution werden die Verbrechen an den Armeniern im Ersten Weltkrieg als Völkermord eingestuft. Die deswegen verärgerte türkische Regierung verweigert deutschen Abgeordneten seit Verabschiedung der Resolution Anfang Juni den Besuch bei den in Incirlik stationierten Bundeswehrsoldaten. Seitdem wächst unter den Bundestagsabegeordneten der Unmut über das Vorgehen der türkischen Regierung; auch, weil bisher alle diplomatischen Bemühungen gescheitert sind, den Streit beizulegen. Die SPD hatte der Türkei deswegen vor einer Woche eine Frist gesetzt: “Wenn bis Oktober keine deutschen Abgeordneten nach Incirlik fahren können, empfehle ich, das Mandat nicht zu verlängern, sondern auslaufen zu lassen”, sagte Fraktionschef Thomas Oppermann.

Die Bundeswehr hat in Incirlik im Süden der Türkei mehr als 200 Soldaten sowie sechs Tornado-Aufklärungsjets und ein Tankflugzeug stationiert. Sie sollen den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen. Zuletzt hatte die Bundesregierung betont, sie wolle sich im Streit mit der Türkei über das Besuchsverbot nicht unter Druck setzen lassen. Dennoch werde laut Informationen des Spiegel Bundeswehr-intern geprüft, ob und unter welchen Umständen eine Verlegung der deutschen Nato-Mission nach Jordanien oder Zypern umsetzbar wäre.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hatte zuvor in Ankara ein deutsches Entgegenkommen in der Frage zur Bedingung für eine Lösung des Incirlik-Streits gemacht. „Wenn Deutschland die notwendigen Schritte unternimmt, werden wir den Besuch ermöglichen“, sagte er, verschwieg aber, welche konkreten Schritte er meint. (dpa/ dtj)