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Politik

Auf der Suche nach dem Führer

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Erst im nächsten Jahr werden nach der Absetzung des demokratisch gewählten Staatsoberhaupts Mohammed Mursi in Ägypten wieder Präsidentenwahlen abgehalten. Bis dahin wollen die Anhänger der Putschisten die Gesellschaft auf Linie bringen. (Foto: dpa)

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Ägyptens Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi (auf dem Poster) während einer Kampage im Kairos Chan-al-Chalili-Basar.
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Gedränge ist in Kairos Chan-al-Chalili-Basar nicht ungewöhnlich. Doch an diesem sonnigen Morgen herrscht noch mehr Andrang als sonst. Als sich die Organisatoren einer Kampagne für die Kandidatur des ägyptischen Militärchefs Abdelfattah al-Sisi ihren Weg durch die Menge bahnen, reißen sich Dutzende Menschen darum, ihre Petition zu unterschreiben. Sie wollen, dass sich der General im kommenden Jahr um das Präsidentenamt bewirbt.

Die Kampagne trägt den Titel „Vervollständige deine gute Tat“. Sie nimmt damit Bezug auf die Absetzung des gewählten Präsidenten Mohammed Mursi durch das von Al-Sisi geführte Militär Anfang Juli. Obwohl die Wahl nicht vor Mitte kommenden Jahres stattfinden wird, nimmt die Unterstützungskampagne bereits an Fahrt auf.

„Ich unterstütze Al-Sisi, weil er wieder für Sicherheit sorgen wird. Es gibt keine andere Wahl für mich“, sagt Reda Aschkar, der auf dem Basar arbeitet. Die Al-Sisi-Anhänger hoffen, 30 Millionen Unterschriften zu sammeln, mit denen sie den Armeechef überzeugen können, sich der Abstimmung zu stellen. Die Aktion steht damit ganz im Zeichen der Tamarud-Bewegung, die mit ihren Massenprotesten Ende Juni das Ende der kurzen Herrschaft der Muslimbruderschaft eingeläutet hatte. Die Tamarud-Aktivisten hatten damals 22 Millionen Unterschriften für Mursis Amtsenthebung gesammelt.

Al-Sisi-Fans gibt es in allen Schichten der Gesellschaft. Sie schätzen ihn als „starken Mann“ und „Vaterfigur“. Bei den Armen ist er populär, weil er oft im ägyptischen Dialekt spricht und nicht im klassischen Hocharabisch, das viele von ihnen nur schlecht verstehen. Auch die Mittelklasse und die High-Society, die unter den Muslimbrüdern um ihre Investitionen und Ersparnisse gebangt hatten, schätzen den Armeechef, „weil er gut ist für das Wirtschaftsklima“.

Kandidatur Sisis fürs Präsidentenamt noch offen

Doch auch die Mursi-Anhänger sind noch immer allgegenwärtig im Kairoer Straßenbild. Trotz blutiger Repressionen demonstrieren sie weiterhin gegen die Absetzung ihrer gewählten Regierung. Hunderte Muslimbrüder wurden seit Anfang Juli inhaftiert. Und auch das Verbot der Organisation hält sie nicht von öffentlichen Willensbekundungen ab.

Zugleich greift der Al-Sisi-Kult immer weiter um sich. Sein Bild ziert T-Shirts, Schokolade, Kuchen und sogar Halsschmuck. „Ich sehe derzeit niemanden, der stark genug ist, um Ägypten zu regieren“, sagt die Kampagnenhelferin Jusrija Muchtar. „Er hat uns zugehört, als wir ihn brauchten und ist unseren Forderungen nachgekommen.“

Al-Sisi selbst hat in der Vergangenheit zwar gesagt, er habe keinerlei politische Ambitionen. Und auch Sprecher der Streitkräfte haben wiederholt Berichte dementiert, wonach der General angeblich für das Präsidentenamt kandidieren würde. Doch das letzte Wort ist in dieser Angelegenheit sicher noch nicht gesprochen.

Denn warum sollte sich der Armeechef sonst bemühen, seine Popularität noch weiter zu steigern? Der Kairoer Tageszeitung „Al-Masry Al-Yom“ gab Al-Sisi jetzt ein langes Interview, in dem er sich volksnah präsentiert und zum ersten Mal auch Persönliches preisgibt.

Sollte er wirklich kandidieren, hätte Al-Sisi wahrscheinlich leichtes Spiel. Die Muslimbrüder sitzen im Gefängnis. Friedensnobelpreisträger Mohammed al-Baradei und andere Figuren der ehemaligen Opposition wurden in den vergangenen Monaten öffentlich diskreditiert. (dpa/dtj)